Dokumente enthüllenApple wollte Netflix mit Extrawürsten an Bord halten
dj
6.5.2021
Dokumente aus dem Apple-Epic-Rechtsstreit zeigen, dass im App Store doch nicht alle gleich sind. Wer gross genug ist, bekommt von Apple Extrawürste angeboten.
dj
06.05.2021, 12:50
06.05.2021, 14:21
dj
Der Prozess zwischen Epic Games und Apple um die Bedingungen des App Stores ist im vollen Gange. Er liefert auch Einblicke in das Geschäftsgebaren von Apple, und das nicht nur im direkten Umgang mit Epic. Der «Discovery»-Prozess des US-Rechtssystems erlaubt es Parteien, umfangreich interne Dokumente der Gegenseite einzusehen. Epic sucht dabei natürlich nach Anhaltspunkten, die seinen Vorwurf des Machtmissbrauches im App Store untermauern könnten.
In einem E-Mail-Verkehr aus 2018 zwischen Apple-Mitarbeitenden zu Verhandlungen mit Netflix glaubt Epic nun fündig geworden zu sein, berichtet «9to5Mac». Damals überlegte Netflix, aus dem In-App-Kaufsystem von iOS auszusteigen und Abonnements nur noch mit Kund*innen direkt abzuschliessen — Apple würde damit seine 30-prozentige Provision verlieren.
Zuckerbrot und Peitsche
Das wollte das Unternehmen natürlich mit allen Mitteln verhindern. Das Apple-Team fing an zu brainstormen, wie man das lukrative Netflix an Bord halten könne. Zunächst zog man «Strafmassnahmen» in Betracht, wie die Netflix-App in die hinterste Ecke des App Stores zu verbannen. Offenbar kam Apple aber schnell zu dem Schluss, dass eine solche Aktion bei einem mächtigen Partner wie Netflix wohl eher nach hinten losgehen würden. Statt der Peitsche wurde also das Zuckerbrot ausgepackt.
Zu einer Reduzierung der Provision war Apple nicht bereit, evaluierte aber andere Privilegien für Netflix, die für dieses einen klaren monetären Wert gehabt hätten. Neben der Provision störte sich Netflix auch daran, dass über iOS gewonnene Kunden öfters wieder kündigen als solche, die sich über die Netflix-Webseite angemeldet hatten. Eine von Apple für Netflix durchgeführte E-Mail-Werbekampagne und mehr Gratis-Anzeigen für Netflix-Serien im App Store könnten dies ja teilweise ausgleichen, so einer der Vorschläge.
Ausserdem könnten Promo-Events für neue Netflix-Serien in Apple Stores abgehalten werden, auf Ausstellungsgeräten im Apple Store könnte Werbung für die Netflix-App angezeigt werden, hiess es in den internen E-Mails. Da sich die Apple Stores üblicherweise an exponierten Orten einer Stadt befinden in denen sich viele zahlungskräftige Kund*innen aufhalten, dürften solche geschenkten Werbeplätze einen erheblichen Mehrwert für Netflix gehabt hätten.
Geholfen hat all das nichts, Netflix entschied schliesslich Ende 2018, sich vom In-App-Kaufsystem auf iOS ganz zurückzuziehen. iPhone- und iPad-Nutzer*innen können Abos seitdem nur noch auf der Netflix-Seite selbst abschliessen. Darauf darf Netflix aber in der App nicht hinweisen — eine Beschränkung, die auch Kernstück des Streites zwischen Apple und Epic ist.
Die Vorgehensweise im Falle Netflix straft aber erneut Tim Cooks Aussage Lügen, dass Apple alle App-Entwickler gleich behandeln würde. Wie weit man Entwicklern entgegenkommen will, hängt offensichtlich davon ab, wie stark deren Beitrag zu den Apple-Einnahmen ist.