Gross angelegte Attacke China soll heimlich Internetverkehr abgezweigt und mitgehört haben

dj

29.10.2018

Das Quasi-Staatsunternehmen China Telecom soll Spionage begangen haben. Zu diesem Schluss kommt ein US-Israelisches Forschungsteam.
Das Quasi-Staatsunternehmen China Telecom soll Spionage begangen haben. Zu diesem Schluss kommt ein US-Israelisches Forschungsteam.
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Dank einer Präsenz in grossen nordamerikanischen Internetknoten soll China heimlich Internetverkehr umgeleitet und mitgehört haben – dies über Jahre.

Über China Telecom, einen sich mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen Netzbetreiber, soll China über Jahre hinweg systematisch ausgewählten Internetverkehr nordamerikanischer Nutzer umgeleitet und dann mutmasslich abgehört haben.

Das schreiben zumindest zwei Sicherheitsforscher des United States Naval War College und der Universität Tel Aviv in einem Forschungspapier. Konkret wurden hier China Telecom Points of Presence (PoP), von denen es acht in den USA und zwei in Kanada gibt, sowie eine Sicherheitslücke im Border Gateway Protocol (BGP) ausgenutzt. Ähnliche Angriffe hätten auch auf Internet-Verbindungen aus Italien und Skandinavien stattgefunden, jedoch sei nicht bestätigt, dass die Attacken in diesen Fällen gelungen seien.

Die direkte Internet-Linie zwischen Nordamerika und Korea wurde offenbar über chinesische Server umgeleitet (Grafik aus dem Forschungspapier).
Die direkte Internet-Linie zwischen Nordamerika und Korea wurde offenbar über chinesische Server umgeleitet (Grafik aus dem Forschungspapier).
scholarcommons.usf.edu

Points of Presence bezeichnet hier eine Präsenz — etwa eigene Server — die ein Netzbetreiber ausserhalb des eigenen Landes unterhält, um bessere internationale Verbindungen zu ermöglichen. Das Border Gateway Protocol wiederum soll dafür sorgen, dass Internetverkehr immer den kürzesten Weg zu seinem Ziel nimmt. Es stellt beispielsweise sicher, dass Verkehr von der Schweiz nach Dänemark über Deutschland fliesst, und nicht etwa einen Umweg über Österreich, Tschechien und Polen macht.

China Telecom liefert falsche Wegbeschreibungen

Bei dem hier beschriebenen Angriff soll China Telecom den anderen Netzbetreibern in einem Internetknoten vorgetäuscht haben, dass der schnellste Weg für einen bestimmten Internetverkehr über die China Telecom-Server führe. So wurde etwa Internetverkehr von Kanada nach Südkorea nicht über den kürzesten Weg via USA an sein Ziel geleitet, sondern machte einen Umweg über China.

Normale Internetnutzer bekamen davon nichts mehr mit, da sie ja ihre gewünschten Websites problemlos aufrufen konnten. Der kurze Umweg sorgte nur für eine Verzögerung im Millisekundenbereich, die kaum bemerkbar ist. Dadurch, dass der Verkehr aber über chinesische Server geleitet wurde, konnten die Daten mutmasslich von der chinesischen Regierung abgefangen werden, wie ZDnet.com berichtet.

Nichtangriffspakt mit Obama abgeschlossen

Dieses Verhalten soll 2015 begonnen haben, kurz nachdem der chinesische Präsident Xi Jinping und sein damaliger US-Amtskollege Barack Obama eine Art digitalen Nichtangriffspakt geschlossen hatten. Dieser verbat Cyberangriffe durch das Militär – aber China Telecom ist ja nominell ein Privatunternehmen, so dass zumindest diese Vereinbarung zumindest formell nicht gebrochen wurde.

Der Internetverkehr zwischen anderen Staaten soll mit einem Trick umgeleitet und abgehört worden sein.
Der Internetverkehr zwischen anderen Staaten soll mit einem Trick umgeleitet und abgehört worden sein.
iStock

Verschiedene Standards in China und im Westen

Die Forscher beschreiben unter anderem Angriffe auf die Besucher von südkoreanischen Regierungsseiten oder italienischen und thailändischen Banken. Wie erfolgreich das chinesische Abfangen war, bleibt unklar. Normalerweise sollte es Angreifern nur möglich sein, unverschlüsselten Internetverkehr abzufangen. Die allermeisten Verbindungen zu sicherheitsrelevanten Websites sind allerdings heutzutage per HTTPS-Protokoll verschlüsselt.

Zur Verhinderung weiterer solche Angriffe schlagen die Forscher vor, China Telecom keine PoPs mehr in westlichen Staaten zu gestatten. Zumindest solle hier auf Gegenseitigkeit bestanden werden, denn gegenwärtig erlaubt China ausländischen Netzbetreiber nicht den Betrieb von PoPs im Land.

Wie Sie sich vor Internet-Betrug schützen können

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