Apple Das iPad Pro muss das Notebook gar nicht ersetzen

Henning Steier

21.11.2018

Das iPad Pro 2018 im 12,9-Zoll-Format gibt es ab 1140 Franken.
Das iPad Pro 2018 im 12,9-Zoll-Format gibt es ab 1140 Franken.
Bild: PD

Taugt das neue iPad Pro als PC-Ersatz? Das ist nicht die entscheidende Frage, wie sich im Test zeigt.

Bentgate – dass sich also Apple-Geräte für manchen Tester zu leicht verbiegen lassen – ist wieder da. Zur Erinnerung: Vor allem das iPhone 6 Plus machte diesbezüglich Schlagzeilen – 2014 war das.  Apple reagierte damals und verstärkte die Statik der Geräte. Aktuell will YouTube Zack Nelson, der den Kanal JerryRigEverything betreibt, beim neuen iPad Pro, und zwar dem 12,9-Zoll-Modell, eine zu grosse Biegsamkeit festgestellt haben. 

YouTuber Zack Nelson unterzieht das iPad Pro 2018 einem Härtetest.

Wie stets bei solchen Experimenten wird auch in diesem Fall nicht ganz klar, wie viel Kraftaufwand es braucht, um das iPad Pro derartig zu verbiegen. Ohnehin sind solche Tests für den Alltag in der Regel selten relevant, da die wenigsten Nutzer ihre Rechner solchen Belastungen aussetzen. Im Test von «Bluewin» erwies sich das Tablet jedenfalls als äusserst stabil. 

Zehnmal so schnell

Auch mit den inneren Werten kann das iPad Pro 2018 punkten: So überzeugt der Rechner etwa in Benchmarks wie Geekbench. Im Multi-Core-Bereich wächst die Leistung gegenüber dem A10X des Vorgängermodells um knapp 100 Prozent. Knapp 30 Prozent Leistungssteigerung bietet der Chip bei Berechnungen mit nur einem CPU-Kern.

Aber wie lange hält ein derartig leistungsfähiger Rechner mit einer Akkuladung durch? Bis zu 10 Stunden Surfen im Web mit WLAN, Video- oder Musikwiedergabe – gibt Apple an. Im Test waren es 9 Stunden, was vollkommen in Ordnung geht.

Lob verdienen auch die neuen Stereo-Lautsprecher, die das iPad zu einem veritablen TV-Ersatz machen. Apropos: Das Display ist auf gewohnt hohem Niveau angesiedelt. Das gilt auch für den Apple Pencil der zweiten Generation – er lässt sich dankenswerterweise magnetisch am Tablet befestigen und kabellos aufladen. 

Alte Stifte abgemeldet

Mittels Doppeltipp im unteren Drittel kann man Kernfunktionen umschalten, beispielsweise aus dem Stift ein Radiergummi machen. Leider lässt die Unterstützung dieser Funktion in vielen Apps noch auf sich warten. Achtung: Der neue Pencil funktioniert nicht mit älteren iPads, die Apple Pencil 1 nicht mit den Tafel-Rechnern der neuesten Generation.

Nachgebessert hat Apple auch bei der Tastatur, das Smart Keyboard Folio sitzt nun deutlich fester. Der Smart Connector, über den Strom und Daten fliessen, befindet sich nun auf der Rückseite. Dadurch ist leider bestehendes Zubehör inkompatibel. Derzeit passt nur noch Apples Tastatur. Keyboard und Stift haben, wie man es von Apple kennt, ihre Preise: 220 beziehungsweise 150 Franken. Eine Funktion genommen wurde der ansonsten verbesserten Kamera (neu unter anderem: HDR und Stereoton): der Bildstabilisator, den die vorigen iPads noch hatten. Warum dem so ist, hat Apple bisher nicht schlüssig erklärt.  

Gesichtserkennung im Querformat

Endlich hat das iPad auch die mit dem iPhone X eingeführte Gesichtserkennung Face ID und Gestensteuerung. All das funktioniert gewohnt intuitiv – Face ID nun auch im Querformat. Weil es nach wie vor Displayränder gibt, braucht es keinen Notch im Display, wie man es vom iPhone mit Face ID kennt. Auch zu erwähnen: Das 12,9-Zoll-Modell ist nun deutlich kleiner, weil der Rand ums Display oben und unten geschrumpft ist. Das kommt auch der Symmetrie des Geräts zugute. 

Von Apple bei der Vorstellung gross präsentiert wurde USB-C. Denn erstmals in einem iOS-Gerät wird nun diese Buchse verbaut, dies mit der vollen USB-3.1-Geschwindigkeit von 10 GBit/s – der Lightning-Anschluss ist also Geschichte. Klarer Vorteil: Es lassen sich nun viel mehr Geräte flexibler einstöpseln. So kann man etwa einen externen Monitor direkt mit dem iPad nutzen. Allerdings sind USB-Sticks unter iOS nicht als echte Massenspeicher nutzbar. Sie fungieren nur als Bilderspeicher. Dementsprechend wird die Fotos-App gestartet, wenn man einen Stick anschliesst. Apps, die Daten auf Lightning-Sticks sichern können, versagten im Test mit USB-Sticks ihren Dienst.

Die Antwort lautet Jein 

Auch weil Apple-Boss Tim Cook bei der Vorstellung der neuen iPads diese mit PC verglich, ist in diesem Zusammenhang viel darüber diskutiert worden, ob das iPad Pro ein Notebook ersetzen kann. Die Antwort lautet Jein, was auch damit zu tun hat, dass sich die Frage eigentlich so nicht stellt. Denn von den USB-C-Beschränkungen abgesehen: iOS ist im Vergleich zu macOS mit diversen Einschränkungen versehen – Stichwort: App Store. Hier ändert sich aber einiges. Beispielsweise kommt 2019 Adobe Photoshop als Vollversion aufs iPad. Nicht jede Anwendung ist aber für Touch-Bedienung optimiert.

Hinzu kommt: So gut die Tastatur des iPad auch ist. Für Vieltipper sind Keyboards klassischer Note- beziehungsweise MacBooks immer noch erste Wahl – zumal Apple hier bei den jüngsten Modellen erneut nachgebessert hat. Das iPad wird also auf absehbare Zeit für viele(s) ein Notebook-Ersatz sein, aber eben nicht für alle(s). 

Eine interessantere Frage warf kürzlich der Technologiejournalist Charles Arthur auf medium.com auf: Warum wird in der Regel nur gefragt, ob das iPad den PC ersetzen kann? Ergo: Warum ist selten von Android-Tablets als Alternative die Rede? Schliesslich haben Tafel-Rechner mit Googles Betriebssystem kumuliert weitaus höhere Verkaufszahlen aufzuweisen. 

Verkaufszahlen von Android- und Windows-Tablets sowie iPads
Verkaufszahlen von Android- und Windows-Tablets sowie iPads
Charles Arthur/Medium.com

Charles Arthur hat die erwähnte Frage seinen Followern auf Twitter gestellt. Die Antworten der Experten sind eindeutig: Es gibt, nach all den Jahren, immer noch bessere Apps fürs iPad, Google vernachlässigt Android für Tablets, und die Geräte würden mit der Zeit unbrauchbar.

Den Punkt des letzten Tweets thematisiert auch der Analyst Neil Cybart – er gibt den Apple-Newsletter Above Avalon heraus: Cybart hat errechnet, dass 325 Millionen iPads in Benutzung sein sollen, bisher wurden 416 Millionen Exemplare verkauft. Mit anderen Worten: Viele Besitzer geben ihre iPads weiter, entweder gegen Geld oder beispielsweise als Geschenk an den Nachwuchs.

Dass dem so ist, hat auch damit zu tun, dass iPads dank hochwertiger Hardware und stetiger Softwareupdates länger frisch bleiben als Android-Tablets. Letztgenannte gibt es dafür allerdings zu deutlich niedrigen Preisen. Nachhaltigkeitspreise verdienen sich die Hersteller damit allerdings nicht. 

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