Deepfake-Video Die Rede zum Mond-Unglück, die Nixon nie gehalten hat

dj

21.7.2020

US-Präsident Nixon begrüsste 1969 die Apollo-11-Astronauten nach ihrer Rückkehr zur Erde. Das suggeriert zumindest dieses Foto.
US-Präsident Nixon begrüsste 1969 die Apollo-11-Astronauten nach ihrer Rückkehr zur Erde. Das suggeriert zumindest dieses Foto.
Getty Images

Nixon blickt betroffen in die Kamera und sagt, dass die Astronauten der Apollo-11-Mission nie vom Mond zurückkehren werden. Doch die Rede hat der einstige US-Präsident nie gehalten. Das Video ist gefälscht – und soll warnen.

Der erste Versuch einer bemannten Landung auf dem Mond endete in einer Tragödie. «Das Schicksal hat es verfügt, dass die Männer, die zum Mond reisten, um ihn friedlich zu erkunden, nun auf dem Mond in Frieden ruhen werden», so der sichtlich bewegte US-Präsident Richard Nixon in einer Fernsehansprache an die Nation, in der er diese über den bevorstehenden Tod der Apollo-11-Astronauten Buzz Aldrin und Neil Armstrong informiert.

Wie allgemein bekannt sein sollte, kehrten die Astronauten vor 51 Jahren natürlich sicher zur Erde zurück und Aldrin lebt sogar heute noch. Das Nixon-Zitat stammt aus einer von seinen Beratern vorbereiteten Rede namens «In Event of Moon Disaster» für den Fall, dass die Landefähre von Apollo 11 nicht vom Mond abheben konnte und die Astronauten dadurch strandeten. Nixon hat die Rede also nie gehalten — oder etwa doch?

Die Rede zum möglichen Mond-Desaster wurde von Nixons Beratern wirklich vorbereitet.
Die Rede zum möglichen Mond-Desaster wurde von Nixons Beratern wirklich vorbereitet.
National Archives

Sechs Monate Arbeit

Falls man im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst hat, würde man wohl kaum erkennen können, dass dieses vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) veröffentliche Video der vermeintlichen Nixon-Rede ein Deepfake, eine Fälschung ist:

Die Erstellung des Videos dauerte rund sechs Monate. Das MIT liess einen Schauspieler — der Nixon nicht ähnlich sieht — die Rede vorlesen. Dessen Gesichtsbewegungen wurden dann auf eine virtuelle Rekonstruktion von Nixons Gesicht übertragen. Gleiches passierte mit dem Ton. Aus Archivaufnahmen von echten Nixon-Reden wurde eine synthetische Version seiner Stimme erzeugt, die die Worte des Schauspielers wiedergab.

Was ist ein Deepfake?

Der Begriff «Deepfake» ist nicht ganz eindeutig definiert. Meistens wird damit eine Manipulation von Medien gemeint, bei der fortschrittliche Künstliche-Intelligenz-Software zum Einsatz kommt. Das einfache «Photoshoppen», um ein Model etwas dünner zu erscheinen lassen, zählt also nicht schon als Deepfake. Nixon war übrigens noch nicht mal der erste Präsident, dem per Deepfake Worte in den Mund gelegt wurden. 2018 zeigte ein Video von «Buzzfeed News» seinen Nachfolger Barack Obama, wobei die Fälschung hier deutlich einfacher zu erkennen war.

In der Praxis wird Deepfake-Technologie derzeit allerdings hauptsächlich zur Belästigung von Frauen eingesetzt. Gesichter von Prominenten oder Ex-Partnerinnen werden hier in pornografische Videos eingesetzt. In Internet-Foren werden Anfragen zur Erstellung solcher Videos angenommen und Clips ausgetauscht. Die dabei eingesetzte Software ist natürlich längst nicht so fortgeschritten wie die Methoden des MIT. Dass es sich um eine Fälschung handelt, ist bei solchen Videos also meist schnell erkennbar. Doch Perfektion ist dabei auch gar nicht das Ziel, sondern Erniedrigung.



Noch lässt sich wahr und falsch unterscheiden

Das MIT und der «Scientific American» haben das Mond-Desaster-Video dem Informatik-Professor Siwei Lyu zur Überprüfung vorgelegt und dessen Test-Algorithmus konnte die Fälschung anhand einiger Video-Artefakte erkennen. Ein perfektes Deepfake-Video ist bisher also selbst mit den Ressourcen einer Elite-Universität wie dem MIT nicht zu erstellen. Das könnte sich aber natürlich irgendwann ändern.

Deepfakes haben das Potenzial für schweren gesellschaftlichen Schaden, und zwar gleich auf zwei Weisen: Die offensichtliche Gefahr besteht darin, dass ein gefälschtes Video von Aussagen oder Handlungen von Personen des öffentlichen Lebens nicht sofort als unecht erkennbar ist. Taucht beispielsweise unmittelbar vor einer Wahl ein solches Video eines Kandidierenden auf, könnte es den Wahlausgang beeinflussen. Umgekehrt ermöglicht das Aufkommen von immer besserer Deepfake-Technologie auch das plausible Abstreiten der Echtheit von nicht gefälschten Videos.

Wie das aussehen könnte, zeigt sich anhand des in den letzten Monaten des US-Wahlkampfes 2016 aufgetauchten «Access Hollywood»-Videos, das frauenverachtende Äusserungen von Donald Trump festhielt. Nach Veröffentlichung bestand kein ernsthafter Zweifel, dass es sich um ein echtes Video handelte, und Trump räumte dies auch ein. Doch sollte ein ähnliches Video 2020 auftauchen, ist gut vorstellbar, dass ein Politiker wie Trump diesmal alles abstreitet. Schon Ende 2016 soll er laut «New York Times» gegenüber Vertrauten trotz seinem früheren Eingeständnis behauptet haben, es sei gar nicht seine Stimme auf dem Video gewesen.

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