Brandbrief Facebook-Whistleblowerin enthüllt Untätigkeit bei politischer Manipulation

dj

15.9.2020

Handelt es sich nicht um die USA oder europäische Länder, schaut Facebook bei politischer Manipulation offenbar nicht so genau hin.
Handelt es sich nicht um die USA oder europäische Länder, schaut Facebook bei politischer Manipulation offenbar nicht so genau hin.
Keystone

Eine gefeuerte Facebook-Mitarbeiterin hat dem Unternehmen in einem Brandbrief Untätigkeit bei der Bekämpfung von Manipulation durch autoritäre Politiker und Staaten vorgeworfen.

Facebook soll gegen die Manipulation der öffentlichen Meinung auf Facebook durch Bots und vergleichbare Methoden kaum vorgegangen sein, wenn diese in Ländern stattfand, die eher selten im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit stehen.

Sophie Zhang war bis zur ihrer Entlassung im August als Datenwissenschaftlerin bei Facebook tätig. Sie verzichtete auf eine Abfindung in Höhe von 64’000 Dollar, um sich frei äussern zu können. Auf einer internen Facebook-Plattform veröffentlichte sie einen 6'660 Wort starken Brandbrief, der «BuzzFeed News» zugespielt wurde. «Ich habe Blut an meinen Händen» schreibt Zhang dort, weil sie viele Probleme nicht lösen konnte.

Kampagnen in zahlreichen Ländern

Zhang berichtet von Manipulationskampagnen in mehreren Ländern. So entdeckte sie etwa ein Bot-Netzwerk in Honduras, bei dem Tausende Accounts den amtierenden Präsidenten unterstützten. Erst neun Monate nachdem Zhang dies ihren Vorgesetzten meldete, handelte Facebook.

In Aserbaidschan habe die Regierungspartei mit ebenfalls Tausenden Accounts Oppositionelle belästigt und bedroht. Ein Jahr nach Zhangs Meldung startete Facebook eine Untersuchung, die immer noch andauert. Weiter Manipulationskampagnen entdeckte sie in der Ukraine, Bolivien und Ecuador.

Facebook-Entscheidungen von PR getrieben

Obwohl sie keine Führungsposition bei Facebook innehatte, hatte Zhang nach eigene Angaben dennoch erhebliche Macht. Sie persönlich habe Entscheidungen getroffen, die Präsidenten und unzählige führende Politiker weltweit betrafen, ohne dass sie dabei überwacht wurde.

Denn die Facebook-Führung habe sich auf Europa und die USA konzentriert und kleinere Ländern in anderen Regionen vernachlässigt. Die Entscheidung, wo gehandelt werde, hing laut Zhang grösstenteils von der PR und dem Potenzial für negative Berichterstattung ab. Wenn über Probleme in grossen US-Medien wie der «New York Times» oder der «Washington Post» berichtet wird, werde schnell gehandelt, sonst eher nicht.

Zhang impliziert, dass sie aufgrund ihres Engagements in diesem Bereich entlassen wurde. Facebook sagt, dass man hoch spezialisierte Teams habe, die Missbrauch bekämpfen sollen und jeden Bericht über Probleme sorgfältig untersuchen würden.



Zurück zur Startseite