Spielekritik «Outriders»: Geliebt und gehasst – Das ist unser Eindruck

Von Pascal Wengi

21.4.2021

Zusammen mit Freunden oder Fremden im Dreierteam ergänzen sich die Fähigkeiten der vier Klassen sehr gut.
Zusammen mit Freunden oder Fremden im Dreierteam ergänzen sich die Fähigkeiten der vier Klassen sehr gut.
Square Enix

Mit «Outriders» erschien kürzlich ein neuer Lootshooter, der es mit den ganz Grossen aufnehmen will. Wo er sich tatsächlich abhebt und wo vielleicht noch Aufholbedarf besteht, haben wir ausführlich getestet.

Von Pascal Wengi

Seit dem «Anthem»-Debakel und der grossen Enttäuschung rund um das «Avengers»-Spiel sind Gamer etwas skeptischer bezüglich neuer Lootshooter. Viel zu oft wird die Offenbarung und Revolution versprochen, am Ende aber ein unfertiges Produkt geliefert, das viele Inhalte hinter sogenannten Paywalls verbirgt. Das «Games as a Service»-Konzept wird so fast schon zum Sinnbild für die Habgier und Anti-Kunden-Mentalität vieler Publisher.

Gerade dieses Genre bietet sich auch hervorragend an, die Spieler doppelt und dreifach zur Kasse zu beten. Denn so mancher Spieler ist gerne bereit, nochmal ins Portemonnaie zu greifen, wenn er dafür schneller an bessere Ausrüstung und Waffen oder auch zusätzliche Spieleinhalte kommt.

Versprechen gehalten

Das Aufhorchen war deshalb gross, als das Entwicklerstudio People Can Fly verlauten liess, dass sie diesem Trend mit ihrem neusten Titel «Outriders» entgegenwirken möchten. Das Game soll fertig auf den Markt kommen und am Releasetag über alle Inhalte verfügen. Keine Ingame-Stores, keine Season Passes – Wer das Game kauft, soll die volle Erfahrung erhalten.



Dies gelingt «Outriders» auch sehr gut. Mit einer guten Story-Kampagne und einem fordernden Endgame-Modus bietet das Spiel einigen Stoff für viele spannende Stunden Unterhaltung. Ob und wie lange dieser Modus bei den Spielern aktuell und interessant bleibt, das wird sich allerdings erst noch zeigen. Immerhin ist es ihnen aber tatsächlich gelungen im Jahr 2021 ein Spiel auf den Markt zu bringen, das ohne leere Versprechungen auskommt.

Immer rein da

Beim Gameplay bietet «Outriders» solide Shooter-Action aus Sicht der dritten Person. Die gezeigte Action und das Deckungs-System erinnern dabei stark an «Gears of War», wobei «Outriders» durch seine Rollenspiel-Elemente und mehr Fokus auf Action dafür sorgt, dass Deckung vor allem im späteren Spielverlauf überbewertet ist und der offene Kampf zu bevorzugen ist.

Ausserdem lassen sich die vier Klassen mit drei «magischen» Fähigkeiten ausstatten. Die Klasse des Tricksters beispielsweise ist eine Science-Fiction-Variante des Rollenspiel-typischen Schurken und kann sich unter anderem mit seinen Fähigkeiten hinter Feinde teleportieren, in einer magischen Kuppel die Zeit und somit Gegner und Kugeln verlangsamen oder seine Kugeln mit einem Elementar-Effekt verbessern, und so mehr Schaden austeilen.

Das Zusammenspiel zwischen Feuergefechten und Fähigkeiteneinsatz ist dank der guten Schiessmechaniken und der geringen Abklingzeiten sehr actionlastig und schnell und bringt jede Menge Spielspass. Mit der richtigen Ausrüstung und Bewaffnung wird man irgendwann zur unaufhaltsamen Gewalt auf den virtuellen Schlachtfeldern und bewegt sich flüssig von Gegnergruppe zu Gegnergruppe.

Kugeln aufhalten wie Neo in «Matrix»? Kein Problem für den Devastator.
Kugeln aufhalten wie Neo in «Matrix»? Kein Problem für den Devastator.
Square Enix

Wie in einem 90er-Action-Streifen

Als namensgebender «Outrider» sind wir die Speerspitze der Besiedlung eines neuen Planeten, der nach der kompletten Zerstörung der Erde als neuer Heimatplanet für die Menschheit dienen soll. Doch die Ankunft unseres Trupps und die Ersterkundung laufen komplett aus dem Ruder und wir landen schwer verletzt und von einem mysteriösen Supersturm verändert im Kälteschlaf.



30 Jahre später erwachen wir in der neuen Welt, welche während unseres unfreiwilligen Nickerchens, genau wie unsere alte Welt, vor die Hunde geht. Aus dem einst paradiesisch anmutenden Planeten wurde ein vom Krieg zernarbtes und in Blut getränktes Ödland, in welchem die Starken die Schwachen unterdrücken und Gewalt und Tod zur Tagesordnung gehören. Nicht zu vergessen der äusserst tödliche Anomalie-Sturm, der den Planeten konstant heimsucht und Menschen tötet oder in Verwandelte mutiert, welche Superkräfte entwickeln.

Zwar mag die Geschichte und ihre Erzählweise keine Preise abräumen, aber sie weiss zu fesseln. Als Outrider wollen wir herausfinden, wie es vor 30 Jahren zu dieser Katastrophe kam und ob diese neue Heimat noch zu retten ist oder sie doch wie unsere alte Welt dem Untergang geweiht ist. Die Dialoge erinnern dabei eher an 90er-Action-Streifen mit platten Einzeilern, wirken aber trotzdem nie unnötig oder störend .

In den Kämpfen geht es sehr sehr heiss her, wenn ein Pyromancer mit von der Partie ist.
In den Kämpfen geht es sehr sehr heiss her, wenn ein Pyromancer mit von der Partie ist.
Square Enix

Mutlos hübsch

Der Planet Enoch wirkt trotz seiner Feindseeligkeit optisch einladend. Die einzelnen Gebiete unterscheiden sich optisch deutlich voneinander. So reisen wir unter anderem in dichte Urwälder, modrige Sümpfe, staubige Wüsten oder eisige Schneegebirge, welche allesamt sehr hübsch anzusehen sind und spielerisch sowie optisch einiges hergeben. Die zahlreichen Effekte unserer oder der gegnerischen Fähigkeiten nehmen teilweise den ganzen Bildschirm in Beschlag, ohne dabei zu stören. Nur die Gegner hätten ein klein wenig abwechslungsreicher gestaltet werden können und die Designer der Waffen ruhig etwas mutiger sein dürfen.

Orte wie dieser verlassene Tempel bleiben selten lange ruhig, wenn ein Outrider sich blicken lässt.
Orte wie dieser verlassene Tempel bleiben selten lange ruhig, wenn ein Outrider sich blicken lässt.
Square Enix

Technische Mängel sind nicht wegzudiskutieren

Wie Anfangs erwähnt leidet die Gaming-Branche unter dem Umstand, dass viele Titel einfach verfrüht und unfertig an die Kundschaft gebracht wird. Leider stellt hier auch «Outriders» keine Ausnahme dar. Während des Release-Wochenendes über Ostern war das Spiel unspielbar, da die Server ständig zusammenbrachen und das Spiel auch im Singleplayer-Modus eine Internetverbindung benötigt. Mittlerweile hat sich die Verfügbarkeit der Server positiv verändert, doch das Spiel läuft noch alles andere als flüssig. Es kommt laufend zu kleinen Aussetzern, Mini-Freezes oder Rucklern und das Spiel crasht öfters Mal ohne Vorwarnung. Wer das Spiel mit Freunden zusammenspielen will, der riskiert sogar, dass sein Inventar komplett gelöscht wird.

Zwar arbeiten die Entwickler bemüht an der Lösung der Probleme und leben eine hervorragende Kommunikation gegenüber den Spielern, dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass dem Spiel ein paar Minuten länger im Ofen gutgetan hätten. Klar, man kann bei immer aufwändigeren Spielen mit unendlich langen Codierzeilen und teils komplexen Engines und Zusammenhängen nicht erwarten, dass ein Titel keine Bugs oder Fehler hat. Aber es sollte zumindest stabil und flüssig laufen. Wenn die Gaming-Industrie das Anrecht gelten machen will als Kunstform anerkannt zu werden, dann muss hier in Zukunft mehr Acht gegeben werden. Im Kino erscheinen Filme schliesslich auch nicht, wenn im Mittelteil noch ganze Sequenzen fehlen oder die Hälfte der Computereffekte noch unfertig ist.