Porträt Allein unter Männern: So lebt es sich als Schweizer eSportlerin

Tanja Kammermann / Swisscom Magazin

20.2.2019

JessyBlack spielt leidenschaftlich gerne und gut «Hearthstone»
JessyBlack spielt leidenschaftlich gerne und gut «Hearthstone»
Bild: Daniel Brühlmann

Céline Matter (25) alias JessyBlack ist eine der wenigen Frauen in der Schweizer Gaming-Szene. Warum sie so ehrgeizig ist, wie sie alles unter einen Hut bringt und warum sie nicht mehr so offensiv spielen will wie bisher.

Célines Wohngemeinschaft liegt in Basel-Gundeldingen, die Basler nennen das Quartier liebevoll «Gundeli». Das Haus im Basler In-Quartier hat drei Stöcke, vis-à-vis ist ein alternatives Café und eine Kletterhalle, die meisten Bodenplatten zum Eingang sind kaputt, aus einigen Briefkästen quillt Post. Céline wohnt mit ihrer Mitbewohnerin und dem Mitbewohner im dritten Geschoss. Im zweiten treffen wir eine junge Frau, die nur mit einem kurzen Frotteetuch umwickelt im Treppenhaus steht und uns geheimnisvoll anlächelt. Céline öffnet die Tür im blau-schwarzen Game-Shirt. «In unserem Haus lebt eine sehr bunte Mischung von Menschen», meint Céline und grinst, als wir ihr von der Begegnung erzählen. «Aber dafür können wir auch spätabends noch Gamen und laut Musik hören und die Miete ist völlig in Ordnung.» Perfekt für eine Gamer-WG.

Eine knallharte Heldin verführte Céline

Céline spielt wettkampfmässig Hearthstone. Das ist ein strategisches Kartenspiel, wo sie überlegt und vorausschauend spielen muss. «Ich kam zu Hearthstone, weil ein Kollege meinte, Frauen könnten schlechter Gamen als Männer. Im März 2017 begann ich, das Game zu spielen und bekam Freude daran. Nach drei Wochen besiegte ich ihn das erste Mal.» Céline spielte weiter nur für sich – bis eine neue Heldin, auf den Markt kam, die sie unbedingt haben wollte. «Nemsy ist ein süsses Badass-Girl, das super Sprüche drauf hat.»

Die erhielt man aber nur, wenn man an einem öffentlichen Event, einem Fireside Gathering, teilnahm. «Nur darum ging ich mit einer Kollegin hin und war bei diesem Turnier gar nicht so schlecht.» Das war ein zündender Moment für Céline und von hier an ging es Schlag auf Schlag.

Denn dort wurde sie von einem Kollegen angesprochen, der von ihrer Spielweise beeindruckt war. «Er zeigte mir, wie ich bei Hearthstone besser werden kann und führte mich in die Gaming-Szene ein. So schaffte ich es, innerhalb eines halben Jahres Legend zu werden, also den höchsten Rang zu erreichen.»

Célines Lieblingsfigur Nemsy reitet auf einem Sumpfmonster. Sie ist genauso frech, wie sie aussieht und passt zu Céline.
Célines Lieblingsfigur Nemsy reitet auf einem Sumpfmonster. Sie ist genauso frech, wie sie aussieht und passt zu Céline.
Bild: Daniel Brühlmann

Schnell lernte Céline, wie wichtig eSports-Teams in der Schweizer Gamer-Szene sind. Ein grosses Ziel war es darum, Mitglied eines Teams zu werden. Im September 2017 musste Céline ihr gerissenes Kreuzband operieren, konnte längere Zeit keinen Sport machen und hatte viel Zeit zum Gamen; das half ihr, innerhalb kurzer Zeit grosse Fortschritte zu machen. «In der Swiss E-Sports-League stieg ich in meiner ersten Saison direkt auf. Und im Frühling 2018 wurde ich dann vom Team Babos Gaming, einer erfahrenen Organisation, angefragt. Erst durch das Team habe ich so richtig Anschluss an die Szene gefunden. Ich denke, dass viele Frauen niemanden haben, der sie in die Szene hineinbringt. Das ist für viele eine grosse Hemmschwelle.»

Céline beschreibt die Szene als sehr vielfältig und vielseitig. «Ich treffe viele coole Leute, und es ist ein sehr soziales Umfeld. Bei Events – zum Beispiel LAN-Parties – herrscht eine tolle Atmosphäre. Auch werde ich als Frau nicht komisch angeschaut und ich wurde auch noch nie negativ oder sexistisch behandelt.»

Den Wettbewerb im Blut

Ihre ersten Game-Erfahrungen machte Céline als Kind auf dem Gameboy mit Pokémon. Später vernetzte sie ihre Konsole mit der ihrer Schwester und spielte SSX3, ein Snowboard-Game. «Meine Schwester und ich sind kompetitiv aufgewachsen, früher zeigte sich das vor allem beim Sport. Jetzt hat sich das bei mir auf eSports übertragen.» Darum gehört Gewinnen für Céline dazu: «Wenn ich gewinne, ist es ein tolles Gefühl und dann hat sich die investierte Zeit für mich gelohnt. Wenn es nicht gut läuft, bleibt schon Frust zurück und das Ziel, es das nächste Mal besser zu machen. Am meisten Spass macht mir das Gamen mit anderen zusammen, wenn wir uns danach über das Spiel austauschen.»

Pro Woche trainiert Céline etwa sechs bis acht Stunden. Am Donnerstagabend jeweils mit dem Team. Dort kann sie Spielvarianten ausprobieren und sich mit den anderen über Strategien austauschen «So helfen wir einander, weiter zu kommen.» Bei der Frage, ob Céline lieber gegen Frauen oder Männer spielt meint sie: «Ich habe noch nie an einem Turnier gegen eine Frau gespielt.»

Ihren Freund hat sie beim Gamen kennengelernt

Auf Anfang 2019 hat Céline ihren Job als Ernährungsberaterin auf 80 Prozent reduziert. «Da befürchtete meine Mutter schon, es sei wegen dem Gamen. Doch ich beginne eine Weiterbildung zum Thema Sporternährung.» Célines Mutter ist dem Gamen gegenüber sehr kritisch eingestellt und befürchtet, dass Céline ihr Sozialleben vernachlässigt und ihren Beruf schleifen lässt. «Doch da konnte ich sie ein wenig beruhigen, meine Freunde und auch mein Beruf sind mir wichtig. Und für meine Weiterbildung werde ich das Gamen zurückstellen.» Auch ihr Arbeitsumfeld war anfangs kritisch, je mehr Céline jedoch vom Gamen und den Turnieren erzählte, desto interessierter und neugieriger wurden die Arbeitskollegen.

Auch ihren Freund hat die 25-Jährige über das Gamen kennengelernt. «Zuerst hatten wir schriftlich beim Gamen Kontakt, dann haben wir uns persönlich an einer LAN-Party getroffen. Er ist auch in einem Team, aber nicht mehr aktiv als Spieler. Wir unterstützen und motivieren uns gegenseitig.»

Die Game-Infrastruktur hat Céline aufgerüstet: Zwei neue Bildschirme gekauft, den PC hat sie selber zusammengesetzt und eine Spezialmaus bekam sie geschenkt. Das Mikrofon und die Webcam fürs Streamen sind die neuesten Errungenschaften.
Die Game-Infrastruktur hat Céline aufgerüstet: Zwei neue Bildschirme gekauft, den PC hat sie selber zusammengesetzt und eine Spezialmaus bekam sie geschenkt. Das Mikrofon und die Webcam fürs Streamen sind die neuesten Errungenschaften.
Bild: Daniel Brühlmann

Frauen gamen weniger öffentlich

«Vermutlich gehen Männer offener an Games heran, während sich Frauen eher überlegen, wie sie wirken. Sie befürchten, dass sie anders wahrgenommen werden, wenn man erfährt, dass sie gamen.» Dass Frauen jedoch weniger hart spielen als Männer, widerlegt Céline gleich selber: «Früher hiess es immer: Jetzt kommt Céline, die spielt aggro. Das wurde mir jedoch zu einseitig. Jetzt versuche ich mehr mit Decks zu gewinnen, bei denen man versucht die Kontrolle über das Spiel zu behalten.» Aggressiv – oder eben aggro – spielen heisst bei Hearthstone, dass man möglichst schnell gewinnen will, statt den Gegner mit einer Strategie zu schlagen.

Céline ist vor den Matches jeweils nervös: «Ich habe hohe Erwartungen an mich, dadurch spiele ich manchmal verkrampfter, als ich müsste. Da hilft mir zum Beispiel Joggen, um mich zu entspannen und meinen Kopf zu lüften.»

Der Wasserturm in Basel Bruderholz ist der höchste Punkt auf Célines Lieblingsjoggingstrecke.
Der Wasserturm in Basel Bruderholz ist der höchste Punkt auf Célines Lieblingsjoggingstrecke.
Bild: Daniel Brühlmann

Céline hat an den Go4Cups der Swisscom Hero-League teilgenommen. Auch möchte sie dieses Jahr bei der Swiss E-Sports League in die Top 16 kommen. «Das ist sehr ehrgeizig, weil ich nicht zu den Besten gehöre. Aber machbar», sagt Céline überzeugt.

Zuschauen möglich

JessyBlack streamt ihre Hearthstone-Sessions am Dienstag und Sonntag live auf Twitch.tv.

Dieser Artikel stammt aus dem «Swisscom Magazin», wo man auch weitere Geschichten rund um das Thema Digitalisierung findet.

Die Game-Highlights 2019

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