Krypto-Kriminalität Hobby-Rapperin und ihr Mann waschen Bitcoin in Milliardenhöhe

Von Dirk Jacquemien

9.2.2022

Ein New Yorker Ehepaar soll versucht haben, 4,5 Milliarden Dollar in Bitcoin zu waschen.
Ein New Yorker Ehepaar soll versucht haben, 4,5 Milliarden Dollar in Bitcoin zu waschen.
Getty Images

Ein selbst ernannter Tech-Unternehmer und eine Hobby-Rapperin sollen 4,5 Milliarden Dollar in Bitcoin gewaschen haben. Schon vor ihrer Festnahme haben die beiden deutliche Spuren im Netz hinterlassen.

Von Dirk Jacquemien

9.2.2022

Die US-Bundespolizei FBI hat ein New Yorker Ehepaar festgenommen, das 4,5 Milliarden Dollar in Bitcoin gewaschen haben soll. Ilya Lichtenstein und Heather Morgan sollen jahrelang die Erträge aus einem 2016 durchgeführten Diebstahl der Krypto-Börse Bitfinex verschoben haben.

Das Paar wird derzeit nicht für den Hack und den Diebstahl selbst angeklagt, aber die Anklageschrift legt nahe, dass die Ermittler*innen vermuten, dass mindestens einer der beiden auch dafür verantwortlich ist.

Bitcoin lässt sich nachverfolgen

Der genaue Ablauf des Hacks ist bis heute unklar, aber rund 120'000 Bitcoins von Bitfinex-Kund*innen wurden 2016 entwendet und in einer einzigen Wallet, einer digitalen Geldbörse, zwischengelagert. In den folgenden Jahren wurden immer wieder kleinere Beträge aus dieser Wallet abgezogen.

Anders als häufig angenommen ist Bitcoin aber alles andere als anonym. Vielmehr lässt sich jede einzelne Transaktion in der Blockchain öffentlich nachvollziehen. Was allerdings stimmt, ist, dass sich der/die Eigentümer*in einer Wallet allein auf der Blockchain nicht identifizieren lässt.

Kritisch wird es erst, wenn die Bitcoins in eine Fiatwährung wie Dollar oder Franken umgewandelt werden sollen. Denn bei diesem Schritt muss man fast immer die eigene Identität preisgeben. Und hierbei stiessen Lichtenstein und Morgan offenbar auf Schwierigkeiten.

Bitcoins wurden oft zurückgelassen

Die Bitcoins wurden immer wieder verschoben, um die Nachverfolgung zu erschweren. Ausserdem wurden Anonymierungsdienste, sogenannte Coin Mixer genutzt, durch die die Verfolgung in der Blockchain verunmöglicht werden soll. Kleinere Beträge wurden in Konten bei Krypto-Börsen deponiert, die im Namen fiktiver Personen oder Briefkastenfirmen eröffnet wurden. Diese Börsen erlauben es, Kryptowährungen in Dollars zu konvertieren und auf ein Bankkonto zu überweisen.

Das Paar scheiterte aber wiederholt an «Know Your Customer»-Vorschriften der diversen Börsen. Sobald dort mit signifikanten Summen gehandelt werden soll, verlangen die Börsen in der Regel einen Identitätsnachweis, beispielsweise eine Passkopie. Erhielten Lichtenstein und Morgan eine solche Anfrage, brachen sie üblicherweise den Kontakt ab und liessen die Bitcoins in den Konten verwaisen.

Auch Konten unter Klarnamen

Einige Konten bei den Krypto-Börsen wurden dann allerdings auch unter Klarnamen eröffnet. Falls die Börsen nach dem Ursprung der Bitcoins fragten, erzählte das Paar, sie seien frühe Bitcoin-Investor*innen und hätten auch in der Anfangszeit der Währung selbst Bitcoin geschürft, als dies noch mit regulären Computern möglich war.

Eine Milliardensumme konnte auf diese Art und Weise allerdings natürlich nicht gewaschen werden, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Und so war dem Paar offenbar keine Gelegenheit zu klein, um die Bitcoins verwertbar zu machen. Sie wandelten die Bitcoins etwa auch in 500-Dollar-Gutscheine für die Supermarktkette Walmart um.

Das alles deutet darauf hin, dass das Paar wohl nur einen Bruchteil der Beute wirklich in Dollars konvertierten konnte. Die beiden lebten in einer für Manhattaner Verhältnisse bescheidenen Zweizimmer-Wohnung mit einem Marktwert von einer Million Dollar.

Zugangsdaten in Cloud gespeichert

Von den ursprünglich 120'000 gestohlenen Bitcoin (damaliger Wert 72 Millionen Dollar, heute 4,5 Milliarden Dollar) konnten 94'000 Bitcoin (3,6 Milliarden Dollar) beschlagnahmt werden, was die grösste monetäre Beschlagnahmung in der US-Kriminalgeschichte darstellt.

Fatal könnte ausgerechnet der Kauf des Walmart-Gutscheins gewesen sein. Denn dabei wurde eine auf Lichtenstein registrierte IP-Adresse verwendet. 2021 erhielt das FBI dann per Gerichtsbeschluss Zugriff auf einen Cloud-Account von Lichtenstein.

In diesem waren die Zugangsdaten zu der Haupt-Wallet gespeichert, in der die 94'000 Bitcoin deponiert waren. Am 31. Januar 2022 gelang es dem FBI, die Zugangsdaten zu entschlüsseln und die Bitcoins wurden in eine von der US-Regierung kontrollierten Wallet übertragen.



Morgan gab Tipps gegen Cyberkriminalität

Nach Bekanntgabe der Festnahme stürzten sich Online-Detektive auf die Lebensgeschichten des New Yorker Ehepaares. Der 31-jährige Lichtenstein bezeichnete sich als «Tech-Unternehmer, Coder und Investor», der sich für Blockchain-Technologie interessiere.

Besonders aber die 31-jährige Morgan führte ein profiliertes Online-Leben. So schrieb sie für «Forbes» zahlreiche Artikel, unter anderem, wie sich Unternehmen vor Cyberkriminalität schützen können. Auf TikTok verriet sie ihr «Geheimnis», wie sie ohne externe Geldquelle ein millionenschweres Unternehmen aufgebaut habe.

Rap in der Wall Street

Ein signifikanter Teil der Beute dürfte allerdings in die Produktion von Musikvideos geflossen sein. Auf ihrem inzwischen deaktivierten YouTube-Kanal veröffentlichte Morgan unter ihrem Künstlernamen Razzlekhan zahlreiche Videos. In ihrem Track «Versace Bedouin» beispielsweise rappt sie sich durch das New Yorker Finanzviertel.

Die beiden wurden gestern Morgen verhaftet. Nachdem sie zunächst gegen eine Kaution freikommen sollten, hat ein Berufungsgericht diese vorerst ausgesetzt. Ihnen drohen jeweils 20 Jahre Haft.