Enthüllungsbericht So unterwirft sich Apple der chinesischen Regierung

dj

18.5.2021

Unter Tim Cook hat die Abhängigkeit Apples von China nur noch weiter zugenommen.
Unter Tim Cook hat die Abhängigkeit Apples von China nur noch weiter zugenommen.
Getty Images

Nutzerdaten, die auf Servern der chinesischen Regierung gespeichert werden, proaktive Zensur des App Stores: Ein Bericht der «New York Times» macht deutlich, wie sehr Apple die vermeintlichen eigenen Werte kompromittiert, um weiterhin in China Geschäfte machen zu können.

dj

18.5.2021

«Privatsphäre ist ein Grundrecht. Und Datenschutz zählt bei Apple zu den Kernwerten», schreibt das Unternehmen auf seiner Website. Das Narrativ, dass Apple-Produkte besonders gut für Datenschutz-sensible Bürger*innen sind, ist Kernstück des Apple-Marketing.

Als Einziger der grossen amerikanischen Tech-Konzerne hat Apple aber auch eine signifikante Präsenz in China, dem wohl Privatsphäre-feindlichsten Land der Welt. Vergangenes Jahr hat es dort einen Umsatz von 55 Milliarden Dollar gemacht und natürlich findet die Fertigung seiner Produkte weiterhin grösstenteils in China statt.

Ein Bericht der «New York Times» zeigt nun auf, wie sich Apple immer und immer wieder der chinesischen Führung beugt, um diese Präsenz nicht zu verlieren. Die Zeitung hat mit Dutzenden ehemaligen und aktiven Apple-Mitarbeitern gesprochen und interne Dokumente ausgewertet. Im Fokus stand vor allem Apples Umgang mit den iCloud-Daten chinesischer Nutzer*innen sowie die Zensur des App Stores in China.

Staatsunternehmen betreibt iCloud

US-Gesetze verbieten es amerikanischen Unternehmen, Nutzerdaten mit chinesischen Behörden zu teilen. Was hat Apple getan? Es hat ein chinesisches Staatsunternehmen einfach zum Eigentümer der Daten chinesischer Apple-Nutzer*innen gemacht, so dass es nun genau genommen gar nicht mehr zu einem Teilen der Daten kommt, da sie eh schon im Besitz Chinas sind.

Guizhou-Cloud Big Data (GCBD), ein sich im Besitz der südchinesischen Provinz Guizhou befindliches Unternehmen, ist inzwischen der rechtmässige Eigentümer der iCloud-Daten chinesischer Nutzer*innen. Wenn nun die chinesischen Behörden Nutzerdaten herausverlangen, bekommen sie diese von GCBD und nicht von Apple.



Entschlüsselungsschlüssel ist auch in China

In neun verschiedenen «Fällen», die eine unbestimmte Anzahl an Nutzer*innen betraf, seien Daten von GCBD weitergegeben worden, sagt Apple. Es betont aber, dass die nötigen Entschlüsselungsschlüssel weiter unter der Kontrolle von Apple seien.

Sie sind allerdings auf einem Gerät gespeichert, das sich ebenfalls in einem Datenzentrum von GCBD befindet. Dieses Datenzentrum wird grösstenteils von GCBD-Mitarbeiter*innen betrieben. Sicherheitsexpert*innen bezweifeln daher, dass Apple wirklich in der Lage sein wird, die Daten zu sichern. Hat man physischen Zugang zu den Geräten, die man hacken möchte, macht das die Sache für einen Angreifer sehr viel leichter.

Zudem hat die chinesische Regierung eine gute Erfolgsbilanz, wenn es um das Überwinden von Apple-Sicherheitsvorkehrungen geht. Schon mehrfach wurden etwa Sicherheitslücken in iOS genutzt, um die Uiguren auszuspionieren. Es gibt keinen Grund anzunehmen, warum die von Apple genutzte Verschlüsselung den sehr talentierten chinesischen Hacker*innen widerstehe sollte.

Apple zensiert aus eigener Initiative

Auch beim chinesischen App Store zeigte sich Apple sehr entgegenkommend. Interne E-Mails zeigen, dass Apple einen «China hide process» hat. Hierbei blockiert Apple im chinesischen App Store aus eigener Initiative heraus Apps, bei denen es annimmt, dass sie chinesischen Gesetzen widersprechen oder der Staats- und Parteiführung missfallen könnten.

Stichwörter wie «Taiwan», «Tian'anmen-Platz», «Tibet» oder «Dalai Lama» sind hierbei Todesurteile für Apps. Löschungen von Apps, die erst nach einer Beschwerde der chinesischen Behörden erfolgten, sind aufgrund dieser Vorzensur durch Apple in der Minderheit.

«Apple ist zu einem Zahnrad in der Zensur-Maschine, die eine von der Regierung kontrollierte Version des Internet präsentiert, geworden. Wenn man sich das Verhalten der chinesischen Regierung anschaut, gibt es keinerlei Widerstand von Seiten Apples, kein Anzeichen für das Eintreten der Werte, die Apple behauptet zu vertreten», so Nicholas Bequelin von Amnesty International zur «New York Times».

Apple beschwert sich über «Behauptungen»

In einem Statement sagte Apple, man habe «nie» die Sicherheit chinesischer Nutzer*innen kompromittiert. Viele der «Behauptungen» des «New York Times»-Artikels würden auf «unvollständigen, veralteten und unrichtigen Informationen» beruhen.

Die Kernvorwürfe des «New York Times»-Artikel kann Apple aber nicht widerlegen. Man befolge die Gesetze in jedem Land, in dem man operiere, so Apple, auch wenn man mit diesen Gesetzen nicht «einverstanden» sei.

Zur Wahrheit gehört auch, dass Apple wohl gar nicht anders kann, als einen kompletten Appeasement-Kurs zu fahren. Denn das Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren in die totale Abhängigkeit von China manövriert. Es gibt wohl kaum ein nicht-chinesisches Grossunternehmen, das so vom Gutdünken der chinesischen Führung abhängig ist wie Apple. Trotz vereinzelter Diversifizierung in den Produktionsketten wird die überragende Anzahl von Apple-Produkten immer noch in China gefertigt.

China kann Apple vernichten

Schon auf die Andeutung von Kritik reagiert die chinesische Staats- und Parteiführung regelmässig hysterisch und mit heftigen Repressalien. Das bekam jüngst etwa die Modekette H&M zu spüren.

Nachdem sie ankündigte, keine Baumwolle mehr aus Xinjiang zu beziehen, weil dort vielfach uigurische Zwangsarbeiter eingesetzt werden, wurde sie zur Zielscheibe einer massiven Kampagne des chinesischen Propaganda-Apparats. Neben den üblichen Boykottaufrufen wurden in Orwell'scher Manier sogar die Standorte der chinesischen H&M-Filialen aus Kartendiensten entfernt —inklusive Apple Maps.

Ein solcher Backlash wäre für Apple existenzgefährdend. Sollte die chinesische Führung irgendwann mal zu dem Schluss kommen, dass sich Apple nicht mehr genügend beugt, sind nicht nur die 55 Milliarden Dollar Umsatz in dem Land in Gefahr. Denn sollten auch die Apple-Fabriken stillgelegt werden, wäre das Billionen-Dollar-Unternehmen über Nacht am Ende.