Brutales Arbeitsmodell am Ende TikTok-Eigentümerin führt 5-Tage-Woche ein

Dirk Jacquemien

2.11.2021

Diese ByteDance-Mitarbeiterin hat wohl zukünftig etwas mehr Freizeit.
Diese ByteDance-Mitarbeiterin hat wohl zukünftig etwas mehr Freizeit.
Keystone

TikTok-Betreiberin ByteDance führt nun auch in China die 5-Tage-Woche ein. Die in der chinesischen Tech-Branche traditionelle 72-Stunden-Woche, «996» genannt, steht damit vor dem Ende.

Dirk Jacquemien

2.11.2021

Der chinesische Tech-Gigant ByteDance — hierzulande vor allem als Betreiberin der Videoapp TikTok bekannt — verabschiedet sich vom «996»-Arbeitsmodell. Die Zahl steht für 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, sechs Tage die Woche. Insgesamt 72 Stunden Arbeit in der Woche also wurden von den Mitarbeiter*innen erwartet. Bis August war bei ByteDance sogar noch jeder zweiter Sonntag ein Arbeitstag.

Nun müssen die ByteDance-Angestellten nur noch von 10 bis 19 Uhr an fünf Tagen in der Woche arbeiten, wie «Bloomberg» berichtet. Allfällige Überstunden müssen mindestens einen Tag vorher beantragt werden und werden mit Zulagen vergütet.

«996» war Usus in der Branche

«996» war keineswegs nur bei ByteDance gängige Praxis. Führende Köpfe der chinesischen Tech-Branche waren Fans des Arbeitsmodells, Alibaba-Gründer Jack Ma nannte es beispielsweise einen «Segen». Ob Tencent, JD.com oder Huawei, alle grossen Firmen setzten auf «996».

Doch in jüngster Zeit mehrte sich auch innerhalb Chinas die Kritik an den offensichtlich ausbeuterischen Arbeitsbedingungen. Die chinesische Mittelschicht, aus der sich die Tech-Angestellten grösstenteils rekrutieren, protestierte trotz Zensur auch im Netz gegen «996». Mehrere Suizide von überarbeiteten Mitarbeiter*innen sorgten für Empörung.



Partei greift ein

Inzwischen hat auch die Staats- und Parteiführung erkannt, dass der soziale Frieden in Lande gefährdet ist. Parteizeitungen veröffentlichten gegen die «996»-Kultur gerichtete Leitartikel und im September erklärte das Oberste Volksgericht – die formell höchste Justizinstanz im Land – das «996»-Modell für rechtswidrig.

Da der Staat in den vergangenen Monaten massiv gegen die grossen Tech-Unternehmen vorging, um seine eigene Vorherrschaft zu bekräftigen, gibt es in den Führungsetagen der Konzerne nun Bestrebungen, nicht noch mehrere Angriffsflächen bereitzustellen. Weitere Firmen dürften also bald öffentlich erklären, dass «996» bei ihnen der Vergangenheit angehört.