Enthüllung US-Firma sammelte Milliarden Fotos für Gesichtsdatenbank

dpa/dj

20.1.2020

Massenüberwachung per Gesichtserkennung ist offenbar nicht auf China beschränkt.
Massenüberwachung per Gesichtserkennung ist offenbar nicht auf China beschränkt.
Keystone

Eine obskure Firma saugte Milliarden Bilder für eine riesige Gesichtserkennungsdatenbank aus dem Internet auf. Unterstützung dafür gab es von einem Facebook-Verwaltungsrat.

Eine obskure US-Firma hat laut einem Bericht der «New York Times» rund drei Milliarden Bilder von Menschen aus dem Internet zusammengestellt, um eine umfassende Datenbank zur Gesichtserkennung zu entwickeln. Im vergangenen Jahr sei der Zugang dazu mehr als 600 Behörden als Service angeboten worden, schrieb die Zeitung am Wochenende unter Berufung auf das Unternehmen namens Clearview. Angaben dazu, welche Behörden das waren, macht Clearview nicht. Auf ihrer Website lässt die Firma allerdings auf die Aufklärung von Sexualverbrechen spezialisierte kanadische Ermittler lobend zu Wort kommen.

Für die Datenbank seien öffentlich zugängliche Bilder bei Plattformen wie Facebook und YouTube oder dem US-Bezahlservice Venmo eingesaugt worden, hiess es. Eine Sammlung in dieser Dimension würde bisher bekanntgewordene Datenbanken zur Gesichtserkennung übertreffen. In den USA etwa prüfen die Behörden die Identität der Einreisenden per Gesichtserkennung — greifen dabei aber auf die Bilder zurück, die speziell dazu aufgenommen wurden.

Facebook-Verwaltungsrat ist Investor

Die zuvor praktisch unbekannte Firma Clearview trat erst durch die Recherchen der «New York Times» an die Öffentlichkeit. Ein früher Geldgeber war US-Milliardär Peter Thiel. Der Paypal-Mitgründer und Facebook-Verwaltungsrat ist als einer der wenigen erklärten Unterstützer von Präsident Donald Trump im Silicon Valley bekannt. Sein Sprecher sagte der Zeitung, Thiel habe Clearview im Jahr 2017 mit 200'000 Dollar unterstützt und dafür einen Anteil bekommen. Er sei ansonsten nicht beteiligt.



Facebook selbst wollte sich gegenüber der «New York Times» nicht zu den «persönlichen Investments» von Thiel äussern. Als Mitglied des Verwaltungsrats hat er eine Verantwortung Facebooks gegenüber. Clearview dagegen gibt offen zu, die Nutzungsbestimmungen von Facebook zu verletzten. Der Tech-Gigant würde das wissen, so der Clearview-Gründer Hoan Ton-That.

Der 31 Jahre alte Ton-That kam aus Australien in die USA. Zuvor hatte er einige wenig erfolgreiche Geschäftsideen gehabt, wie etwa eine App, mit der sich Nutzer auf ihren Fotos Trumps charakteristische Frisur verpassen konnten. Er habe zwischenzeitlich an eine Karriere als Model gedacht, dann aber beschlossen, ins Geschäft mit der Gesichtserkennung einzusteigen, sagte er der «New York Times».

Clearview überwacht auch Journalisten

Der Bericht enthielt noch ein weiteres alarmierendes Detail. Nachdem einige Polizisten auf Bitten der Journalistin ihr Foto durch die Datenbank durchlaufen liessen, seien sie von Clearview-Vertretern mit der Frage angerufen worden, ob sie mit der Presse sprächen. Der Firma zufolge hat die Software nur Alarm wegen ungewöhnlicher Suchanfragen geschlagen. Ausserdem räumte Ton-That auf Anfrage der Zeitung ein, dass Clearview auch den Prototypen einer Computerbrille mit Gesichtserkennungsfunktion entwickelt habe – es gebe aber keine Pläne, diese zu vermarkten.

Der Bericht löste schon am Wochenende erste politische Reaktionen aus. US-Senator Ron Wyden, Mitglied der Demokratischen Partei, zeigte sich besorgt und forderte, Amerikaner müssten wissen, ob ihre Fotos heimlich in einer privaten Datenbank landen.

Galerie: Das Facebook-Konto absichern

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