Interview Willem Dafoe: «Sie ist zweifelsohne der stärkere Charakter»

Von Fabian Tschamper

27.4.2020

Willem Dafoe darf auf eine grosse Karriere zurückblicken. Hier an der Premiere von «Togo».
Willem Dafoe darf auf eine grosse Karriere zurückblicken. Hier an der Premiere von «Togo».
Bild: Getty Images

Disney + hat mit dem Launch des eigenen Streamingdienstes freilich auch eigene Projekte realisiert. Im Interview mit «Bluewin» spricht Willem Dafoe über filmische Emotionen und das mutigste Tier der Welt: Schlittenhund «Togo».

Willem Dafoe braucht Tiefgang. Der Schauspieler übernahm für Disney den Part eines Hundeschlittenführers, dessen wahre Geschichte vor Heldentum sprüht. «Togo» handelt vom Schlittenführer Leonhard Seppala und seinen Hunden, als sie 1925 den berüchtigten «Serum Run» zu überstehen hatten. Die wahre Geschichte greift die damaligen Geschehnisse in der Kleinstadt Nome in Alaska auf:

Eine Diphterie-Epidemie bedrohte das Leben vieler Kinder in Nome. Da die Krankheit im tiefsten Winter ausgebrochen ist  und ein Blizzard drohte, ist das Flugzeug keine Option für den Impfstoff. Es mussten damals innerhalb von fünf Tagen 1'085 Kilometer zurückgelegt werden – von Nenana bis Nome.

Togo und sein Schlittenführer Leonhard Seppala im Jahr 1925.
Togo und sein Schlittenführer Leonhard Seppala im Jahr 1925.
Bild: Getty Images

Mit einer Hundeschlittenstaffel versuchten die Menschen dort ihr Glück und fanden es unter anderem dank Leonhard Seppala. Der gebürtige Norweger war mit seinem besten Leittier Togo bereits losgefahren, als die Regierung Nomes die Staffel anordnete. Das Resultat: Seppala fuhr sich fast um Kopf und Kragen. Im Schnitt legten die 20 Teams rund 50 Kilometer zurück, Seppala und seine Hunde waren am Ende bei 146 Kilometern.

Togo wurde später vom «Time»-Magazin als «most heroic animal of all time», also zum mutigsten Tier aller Zeiten, gekürt.

«Bluewin» hat sich mit Willem Dafoe übers Telefon unterhalten.

Mr. Dafoe, was berührt Sie bei Filmen, die Sie drehen?

Wenn mir ein Film vorgestellt wird, versuche ich abzuschätzen. Will ich das machen? Werde ich dabei etwas lernen? Mir ist es wichtig, dass sich dabei etwas in mir regt. Vielleicht ändert sich meine Perspektive und ich fühle mich anders. Werden meine Erfahrungen ausgeweitet? Das ist es, was mich an Filmen fasziniert. Man lebt ein anderes Leben – natürlich ist es nur imaginär, aber trotzdem. Wir Schauspieler kreieren neue, andere Gewohnheiten – und das ist interessant für mich.

Und wie ist es, wenn Sie einen Film schauen?

Da ist es ähnlich. Möglicherweise gibt mir der Film eine neue Perspektive für ein gewisses Thema, einen Blickwinkel, den ich so noch nie in Betracht gezogen habe. Und das hinterlässt manchmal seine Spuren, wenn ich aus dem Kino laufe. Vielleicht passe ich sogar mein Leben an dieser neuen Idee an. Generell mag ich Filme, die starken Wert auf gutherzige, zwischenmenschliche Beziehungen legen. Filme, bei denen die Charaktere ihr Ego beiseite lassen und sich darüber hinaus weiterentwickeln.

Genau das passiert auch in Ihrem neuen Film ‹Togo›. Die Beziehung zwischen Leonhard Seppala und seinem Hund ändert sich drastisch im Verlauf.

Es ist eine Abhängigkeit, die einen sehr emotional macht, ja. Sie wird sehr tiefgründig während der ganzen Geschichte und das ist unfassbar schön.

Aber Seppala war nicht von Anfang an ein Fan von Togo. Die Entwicklung seines Charakters ist beeindruckend, wie man in den Rückblenden sieht.

(Lacht) Ja, da gebe ich Ihnen vollkommen recht! Seppala gibt sich äusserlich als sehr wortkargen, abschätzigen und engstirnigen Menschen. Seine Frau ist diejenige, die ihm klarmacht, was für ein grosses Potenzial dieser Hund wirklich hat. Die Arbeit mit dem Hund und all seinen Talenten öffnet ihm eine neue, emotionale Welt. Das ist das Herz des ganzen Films, wenn Sie mich fragen. Leonhard Seppala entdeckt diese Beziehung, die schon immer da war, für die er aber kein Ohr und keine Augen hatte.

Sie haben Ihre Filmfrau erwähnt, gespielt von Julianne Nicholson, deren Charakter scheint fast stärker zu sein als Ihr eigener. Wie ist die Dynamik innerhalb des Ehepaars?

Sie ist zweifelsohne der stärkere Charakter! Und speziell heutzutage, wo Autoren immer mehr starke weibliche Charakter schreiben wollen, könnte man manchmal den falschen Eindruck bekommen. Dass dieser Charakter nur existiert, um den Leuten zu geben, was sie wollen. Aber nicht hier. Julianne fand sehr viel Tiefe in ihrem Charakter. Sie ist eine klassische Pioniersfrau, sehr pragmatisch – wie es auch Seppala ist. Aber Constance (Name des Charakters, Anmerkung der Redaktion) besitzt im Gegensatz zu ihrem Mann Weisheit und eine gewisse Geduld.

Und sie nimmt Seppala die Engstirnigkeit.

Sie öffnet seinen Verstand gegenüber der Hunde. Sie macht ihn sensibler. Sie ist also wirklich stärker, weiser und vor allem mitfühlender.



Zu den Hunden: Hatten Sie genug Zeit, um sich mit ihnen vertraut zu machen? Sie teilten ja eine ganze Weile die Leinwand mit ihnen.

Es war ein sehr langer Dreh und wir hatten ein Minimum an Spezialeffekten. Es war darum essenziell, dass ich mit den Schlittenhunden eine gute Beziehung entwickeln konnte. Die Bedingungen waren teils sehr extrem. Wir haben den Film in den kanadischen Rocky Mountains gedreht und die Witterung war nicht ohne. Ich musste mich mit dem Schlitten durch tiefsten Winter kämpfen.

Waren das alles trainierte Filmhunde?

Nein! Die Hunde waren grösstenteils für den Schlitten trainiert worden und nicht für Filmdrehs – die einzige Ausnahme war Togo, er ist ein Filmhund. Ich habe Tage und Wochen mit ihnen verbracht, bis sie mir wirklich vertraut haben. Sie sind das Zentrum des Films. Für mich als Schauspieler war das eine unbezahlbare Erfahrung.

«Togo» ist auf Disney+ abrufbar.

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