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Bötschi fragt Dani Levy: «Meine Frau und ich verstehen uns nicht richtig»
Von Bruno Bötschi, Berlin
23.7.2018
Der Basler Filmemacher Dani Levy lebt seit über 40 Jahren in Berlin. Der 61-Jährige spricht über seinen neusten «Tatort»-Krimi, verrät, warum ihn Zweifel stärker machen, und erzählt so offen wie selten über sein Familien- und Sexleben.
Berlin, Kurfürstenstrasse, 12 Uhr mittags: Dani Levy sitzt in seinem Büro bei X-Filme auf einem schwarzen Ledersofa. An der Wand hängen Filmplakate. Levy sieht exakt so aus, wie ein Regisseur aussieht: klein, drahtig, wildes Haar, T-Shirt und Retrobrille.
Levy lacht – er scheint wunderbar gelaunt, obwohl er Angst hat. «Sie wollen mich für dieses Format interviewen, bei dem man so schnell antworten muss. Das habe ich total verdrängt. Na gut, probieren wir es einmal, aber so schlagfertig wie Hazel Brugger werde ich Ihnen nicht antworten.»
So, so: Levy liest Bötschi. Das fängt ja gut an.
Bluewin: Herr Levy, Basel oder Berlin?
Dani Levy: Berlin. Meine Kinder leben in Berlin. In Basel wäre ich ohne meine Kinder. Das ginge nicht.
Rhein oder Spree?
Im Rhein baden und sich mit der Strömung hinuntertreiben zu lassen ist einfach sensationell. Das kann man in der Spree nicht tun, da kannst du dir höchstens ein hässliches Geschwür holen.
Wann wachen Sie auf, wenn Sie keinen Wecker stellen?
Zu früh, so gegen 9 Uhr. An seniler Bettflucht leide ich zwar noch nicht, aber so wie in jungen Jahren, als ich bis am Mittag schlafen konnte, funktioniert es leider nicht mehr.
Morgenmuffel?
Ja. Nein. Ich bin kein Morgenmuffel, aber wenn ich früh aufstehen muss, habe ich die ersten zehn Minuten das Gefühl, dass ich echt alt bin. Danach stellt sich rasch Besserung ein und ich werde sozusagen minütlich jünger. Müfflig bin ich nicht, ich habe auch keine schlechte Laune, ich fühle mich einfach wie gerädert. Der Morgen ist nicht meine Zeit.
Typische Dani-Levy-Worte gleich nach dem Aufstehen?
Nee, lass mal, ich bin auf dem Klo.
Mit wem würden Sie gerne einmal frühstücken?
Oh, da gibt es viele Leute. Mit Hazel Brugger zum Beispiel oder mit Woody Allen. Super fände ich zudem ein Frühstück mit Bob Dylan, auch mit Lady Gaga wäre es sicher interessant. Gerne würde ich auch einmal mit Salvador Dalí frühstücken, wenn er noch leben täte.
Die Zeitung, die Ihnen morgens schlechte Laune macht?
Eigentlich jede Zeitung. Die ganze Welt ist aktuell so zerfahren. Egal, welches Blatt ich lese, ich sehe fast nur noch schlechte Nachrichten. Ich habe das Gefühl, wir befinden uns in einer schwierigen Spirale. Man beobachtet es und kann nicht eingreifen. Ein schreckliches Gefühl.
Wirklich wahr, dass Sie ein «wilde Kindheit» hatten, wie auf Wikipedia zu lesen ist?
Meine Kindheit bewegte sich zwischen Bullerbü und Zirkus. Ich war ein extremer Spätzünder, spät mit der Pubertät, sehr spät mit Mädchen. Die Zeit im Zirkus war, ich bin dort mit zehn eingetreten, wirklich sehr wild. Ansonsten hatte ich eine ganz normale Kindheit: viel Fussball, viel Draussen sein und Hütten bauen. Mit 13 kam dann die Phase, in der ich nachts aus dem Fenster geklettert bin und die halbe Nacht durch die Stadt schlenderte.
Wunderbar! Da haben wir gleich zu Beginn des Interviews schon ein gutes Niveau erreicht. Wo soll das enden? Nur: Er antwortet natürlich viel zu lang, um in 30 Minuten alle seine Antworten unterzubringen.
Haben Ihre Eltern das nie bemerkt?
Nein.
Blockflöte?
Ja, kann man vergessen.
Nägelkauer?
Ja, passioniert. Mit dem Älterwerden ist etwas besser geworden. Als Kind habe ich nicht nur Nägel gekaut, sondern auch Haare gegessen. Das führte einmal so weit, dass mir der Magen ausgepumpt werden musste, weil so viele Haare darin waren. Irgendein Psychoding muss ich in meiner Jugend ausgelebt haben. Ich habe leider noch keine Therapie machen können, um es aufzuarbeiten.
Grausamste Bestrafung unter der Sie als Kind leiden mussten?
Ich bin nie gross bestraft worden und wenn doch, war mir die Bestrafung egal. Einmal bekam mein Vater von meiner Mutter den Auftrag, er solle mich schlagen. Er verfolgte mich durch das ganze Haus, aber ich war schneller und schloss mich im WC ein. Irgendwann stand mein Vater davor und brüllte: «Chum usä! Chum usä!» «Mach ich nicht, sonst schlägst du mich», antwortete ich frech. Da ist mein Vater wieder abgezottelt. Ich bin eindeutig kein misshandeltes Kind.
Ihre grosse, ungestillte Sehnsucht als 14-Jähriger?
Die Sexualität. Ich war sehr klein, schüchtern und im Umgang mit Mädchen total verkorkst. Und ich hätte gerne eine Bande gegründet. Ich war Karl-May-Fan und ein noch grösserer Rote-Zora-Fan und hätte wahnsinnig gerne als wildes Kind in einer Bande statt bei meinen Eltern gelebt.
Erinnern Sie sich an Ihren ersten Kinobesuch?
Ich glaube, das war ein Tierfilm, den wir mit der Schule schauen gingen. Ich bin ohne Fernsehen aufgewachsen…
… ausser bei Ihrer Grossmutter.
Woher wissen Sie das? Aber es stimmt, am Sonntagnachmittag durften meine Schwester und ich immer zur Grossmutter gehen. Dort glotzten wir den ganzen Nachmittag in einen kleinen Schwarz-Weiss-Fernseher. Wir schauten Serien wie «Flipper», «Huckleberry Finn», «Raumschiff Enterprise» und Heinz-Rühmann-Filme und assen Mars und Milky Way ohne Ende . Am Abend sind wird dann mit viereckigen Augen und vollgestopfen Bäuchen von den Eltern wieder abgeholt worden.
Der Schweizer Regisseur Jean-Luc Godard sagte einmal: «Im Kino schlafen heisst dem Film vertrauen.» – Mögen Sie, wenn das Publikum bei Ihren Filmen einschläft?
Lustigerweise habe ich dieses Zitat auch einmal in einem Kurzfilm verwendet. Es war damals Wim Wenders, der Godard zitierte. Aber ehrlich gesagt finde ich es nicht toll, wenn die Leute bei meinen Filmen im Kino einschlafen. Im Gegenteil, ich möchte lieber, dass die Menschen so aufgeregt sind, dass sie nicht mehr wissen, wo sie sich befinden. Aber ich finde es trotzdem einen lustigen Spruch.
Sagen wir, wie es ist – ganz klar, ganz einfach: Der Mann erzählt gerne Geschichten und deshalb spricht er und spricht er und ...
Vermissen Sie die «rauchenden Zeiten» im Film?
Ja. Ich finde sowieso, wir sind wahnsinnig brav geworden.
Mein Gefühl sagt mir: Es wird wieder mehr geraucht in Kinofilmen und Fernsehserien. Wahr oder nicht?
Sie haben recht. Die neuen US-amerikanischen Serien lösen sich von den vielen Konventionen und Restriktionen, die in den letzten Jahren vom staatlichen oder sagen wir besser offiziellen Fernsehen eingeführt worden sind. Diese Verbürgerlichung, diese Verspiessung und die Political Correctness wird durch diese Serien massiv aufgebrochen. Das ist gut so, die Zuschauer werden so wieder mehr gefordert.
Wann sind Sie zum letzten Mal vorzeitig aus dem Kino gelaufen?
Ich habe gerade keine Erinnerung daran. Es passiert, aber nicht sehr oft.
Wo haben Sie Kino gelernt?
Nirgends, es war learning by doing.
1989 antworteten Sie in einem Interview auf die gleiche Frage: «Im Kino.»
Das stimmt, ich habe Kino autodidaktisch gelernt. Also durch das Zuschauen, das Machen und durch Fehler, die ich nie als Fehler empfand. Wer Fehler macht, erlebt grosse Freiheit.
Das müssen Sie erklären.
Mit «Fehler machen» meine ich: Etwas riskieren und ab und an scheitern. Gerade im Kino oder im Fernsehen hat Fehler machen etwas wahnsinnig Befreiendes. Alles perfekt zu machen ist langweilig.
Das verrückteste oder schönste Erlebnis, welches Sie je in einem Kinosaal erlebt haben?
Buhhh … 1980 war ich in Los Angeles und habe auf LSD «The Rocky Horror Picture-Show» gesehen. Das fand ich ziemlich crazy. Und ich habe schon eine ganze Stange voll wahnsinniger Erlebnisse gehabt während der Premieren meiner eigenen Filme. Kino ist ein emotionaler Ort.
Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur: Was können Sie am besten?
Schauspieler sicher nicht … wobei jetzt könnte ich es vielleicht wieder versuchen. Letztes Jahr spielte ich in einem Film mit und erreichte eine Qualität als Schauspieler, die ich bis dahin nie geschafft hatte. Trotzdem würde ich sagen, Regie kann ich am besten, aber ich schreibe schon auch gut.
Übrigens: Der Film heisst «Sohn meines Vaters». Regie führte Jeshua Dreyfus, Levy mimt den besagten Vater. Der Streifen soll im Februar 2019 in die Kinos kommen.
Und was tun Sie am liebsten?
Eigentlich schreiben.
Sind Sie ein mutiger Mensch?
Ja.
Gegen was wehren Sie sich?
Gegen Unehrlichkeit, gegen Unwahrhaftigkeit, gegen Oberflächlichkeit, gegen politische Verkrustungen. Und ich versuche, aber das ist völlig sinnlos, mich gegen den Welthunger zu wehren und gegen die Zerstörung unseres Planeten. Aber Entschuldigung, ich mache nichts wirklich Relevantes dafür, unterstütze einfach ein paar Organisationen tatkräftig. Ansonsten versuche ich mich gegen Langeweile zu wehren und vor allem gegen meine eigene Faulheit.
Die Tageszeit, in der Sie am zuversichtlichsten sind?
Zwischen 9.30 und 13.30 Uhr. Wir befinden uns also mittendrin in meiner zuversichtlichsten Zeit.
Sie sind Autodidakt: Wann zweifeln Sie am meisten an Ihren Fähigkeiten?
Der Zweifel ist mein ständiger Begleiter. Er ist ein wichtiger Motor für meine Arbeit. Der Zweifel gehört für mich täglich dazu, er wird nur gelegentlich durch den Grössenwahnsinn abgelöst.
In einem Interview sagten Sie einmal: «Meine Frau, meine Freunde und meine Ex-Partnerinnen schützen mich davor, mich zu verlieren. Sie kennen meine Zweifel und Abgründe.»
Das kann ich so immer noch bestätigen. Ich glaube zudem, für diesen Charakterzug werde ich von vielen Leuten geliebt. Weil ich nicht die Rolle eines Zampanos spiele, der weiss, wo es langgeht und alles kann. Die Leute wissen, dass ich es mir oft selber schwermache und sie wissen auch, dass ich kritisch genug bin, um liebenswert zu bleiben.
Wir leben in einer Zeit, in der Menschen vermehrt Burnouts haben, Psychosen, Ängste oder sonst irgendwie am Leben verzweifeln. Wie hoch ist die Qualität Ihres Lebens?
Sehr hoch. Mein Luxus ist sehr hoch. Meine Erfüllung ist sehr hoch. Ich fühle mich extrem privilegiert, sehr wohlsituiert und sehr geschützt und respektiert. Trotzdem gibt es immer wieder wahnsinnige Löcher, in die ich reinfallen kann, wenn ich das Gefühl habe, ich kann ein Projekt, eine Lebensphase nicht so gestalten, wie ich es gut fände.
Nicht nur ist Familie ein zentrales Thema Ihrer Filme, auch Ihre Arbeitsweise hat etwas Familiäres, Sie kooperieren gerne mit den gleichen Leuten. Sind Sie eine treue Seele?
Ja, ich bin sehr treu; treu bis zur Dummheit.
Für Ihren ersten Spielfilm haben Sie sich bei den Produzenten sogar nackig gemacht, damit Sie ihn drehen konnten.
Das stimmt. Ich würde alles geben für einen Film. Ich würde übrigens auch alles geben, um die Welt zu verbessern. Ich bin sehr leidenschaftlich und schmeisse mich manchmal relativ ungeschützt in gewisse Dinge rein. Und mit Nacktheit habe ich sowieso kein Problem.
Er lächelt wieder sein wunderbares Lächeln. Mann, Levy! Man hat ihn gern. Man tut ihm nur ungern weh. Aber ein bisschen Risiko muss sein. Das muss er aushalten können. Zum Angriff. Los! Jetzt!
Für welche Ihrer Charakterschwächen schämen Sie sich?
Ich habe das Gefühl, ich arbeite zu viel. Zu viel Beruf, zu wenig Familie, zu wenig Pflege meiner Freunde. Ich habe zu wenig mit meinen Kindern gespielt, ich bin zu wenig Papi. Dafür schäme ich mich am meisten.
Führt Konzentration zwangsweise in die Einsamkeit?
Ja. Einsamkeit gehört zu meinem Beruf dazu. Ich muss aber sagen, ich liebe die Einsamkeit und suche sie auch immer wieder. Habe ich wieder einmal ein Overkill an Leben, sehne ich mich nach dem Alleinsein. Einsamkeit ist nichts Schlechtes. Aber das sage ich, der seit Jahren in einer Beziehung lebt. Wenn ich ein alter Mann wäre, der allein in einer Wohnung lebte, dann wäre Einsamkeit einfach nur die Pest.
Das grosses Thema im Filmgeschäft zur Zeit: die Sexismus-Debatte #Metoo. Was ist Ihre Meinung dazu?
Es ist eine längst fällige Diskussion, eine längst fällige Aufarbeitung des Rollenspiels Mann - Frau, das wirklich unerträglich ist. Und trotzdem überhitzt und hysterisch.
Gibt es im Filmgeschäft mehr Grüselmänner als anderswo?
Nein, Grüselmänner gibt es überall.
Wann ist Ihnen zuletzt etwas passiert, was Sie Sexismus nennen würden?
(Überlegt lange) Es gibt im Moment ein Grundbashing gegen Männer und das finde ich schwierig. Die Gleichstellung der Frauen sollte nicht gleichzeitig ein Degradieren der Männer zur Folge haben. Es gibt eine Art weiblicher Arroganz, die einem als Mann entgegenschlagen kann, weil man quasi lange genug geherrscht hat und jetzt dafür büssen soll. Zum Glück lebe ich in einem Freundeskreis, in dem dies kein grosses Thema ist.
Sind Sie gut im Entschuldigen?
Ja, sehr gut.
Bei welcher Schauspielerin, bei welchem Schauspieler müssen Sie sich noch entschuldigen?
Ich müsste mich sicher bei einer Stange Schauspielerinnen und Schauspielern entschuldigen, die ich nicht persönlich angerufen habe, nachdem ich sie nach dem Casting nicht für den Film ausgewählt habe.
Was bedeuten Ihnen Ihre jüdischen Wurzeln?
Viel. Sie sind unausweichlich und kommentarlos da. Allerdings brauchte ich einige Zeit, bis ich kapiert habe, dass sie Quelle, Kraft und Inspiration sein können. Als ich vor 40 Jahren nach Berlin kam, lebte ich ohne Gespür für meine jüdischen Wurzeln. Jeder Mensch hat Wurzeln, bei denen er darauf achten sollte, dass er sie nicht vernachlässigt. Neben meinen jüdischen Wurzeln, habe ich auch meine linken Wurzeln, meine männlichen Wurzeln und meine Vatersein-Wurzeln.
Wann trugen Sie zuletzt eine Kippa?
Bei der Beerdigung meiner Mutter vor zwei Jahren.
Und in Berlin?
Wahrscheinlich, als wir einmal in der Synagoge gedreht haben. Ich bin null religiös unterwegs in Berlin, trage nie Kippa in der Stadt.
Im Jüdischen Museum in Berlin waren kürzlich Ihre vier «Geschichten aus Jerusalem: Glaube, Liebe, Hoffnung, Angst» zu sehen. Die in 360 Grad VR 3D gedrehten Filme versetzten den Zuschauer in traurig-absurde Alltagssituationen.
Diese Technik fasziniert mich, ich finde sie den völligen Wahnsinn. Es ist die pure Revolution. Man kann es gar nicht genug gross mit Worten beschreiben. Es ist eine völlig neue Art des Sehens. Man ist mittendrin, besonders dann, wenn man die Filme mit dem Headset anschaut und eben nicht auf der grossen Leinwand.
Wieso haben Sie diese Jerusalem-Filme gedreht?
Dazu getrieben haben mich weniger meine jüdischen Wurzeln, als vielmehr mein Interesse an Politik. Ich bin ein Mensch, der einfach nicht wahrhaben will, dass der israelisch-palästinensische Konflikt nicht lösbar ist. Meine Filme sind auch keine Lösung, aber ich wollte zumindest die Geschichte der aktuellen Situation erzählen.
Als Filmemacher probieren Sie gerne Neues aus, experimentieren oft.
Ich hasse Routine, mag Wiederholungen nicht. Ich bin ein neugieriger Mensch. Experimentieren kann zwar schmerzhaft sein, aber gleichzeitig auch erneuernd, jugendlich und belebend wirken. Durch meine Lust an Neuem bin ich jung geblieben, in jeglicher Hinsicht.
Am 5. August läuft im Schweizer Fernsehen Ihr One-Take-«Tatort» mit dem Titel «Die Musik stirbt zuletzt». Diese Drehtechnik gab es noch nie beim «Tatort»-Krimi: Die Handlung spielt komplett in Echtzeit.
Ich wollte das Format «Tatort» strapazieren, ich wollte experimentieren, neue Erfahrungen beim Drehen machen, Echtheit spüren, Betrug reduzieren, die Wahrheit im Moment suchen und den aufregendsten «Tatort»-Krimi aller Zeiten realisieren.
Wirklich wahr, dass Sie vier Versionen vom diesem «Tatort» gedreht haben?
Ja, wir haben vier Takes realisiert und jeweils eines benutzt, also ein schweizerdeutsches Take und eines auf Hochdeutsch. Darum muss der Schweizer «Tatort» diesmal auch nicht auf Hochdeutsch synchronisiert werden, sondern es gibt zwei Originalfilme. Das war mein Wunsch und wunderbarerweise hat es geklappt.
Welches waren die grössten Schwierigkeiten beim One-Take-«Tatort»?
Es gab keine Schwierigkeiten. Es brauchte viel Planung und viele Proben. Während der Dreharbeiten musste jeder auf Zack sein, viel Adrenalin war nötig und hohe Konzentration. Ich habe noch nie eine derart grosse Begeisterung an einem Filmset erlebt. Ich denke, es war für alle, von der kleinsten bis zur grössten Rolle, aber auch für alle in der Crew, ein «Once-in-a-lifetime»-Erlebnis. Die grosse Ungewissheit war, ob wir die vom Fernsehen verlangte Endlänge ohne Schnitt hinbringen würden. Wie durch ein Wunder haben wir es geschafft. Alle vier Takes sind ungefähr 88 Minuten lang geworden. Ich muss wirklich sagen, es hat alles viel besser funktioniert, als ich es erwartet hätte. Ehrlich gesagt, es ist uns ein wahnsinnig toller Film gelungen.
Werden Sie laut auf dem Set, wenn mal etwas nicht funktioniert?
Selten, ich bin ein harmonischer Typ. Ich bin kein Choleriker, kann mich aber schon aufregen über gewisse Dinge.
Welche zum Beispiel?
Ich rege mich auf, wenn etwas zu lange geht, weil ich finde, es schadet dem Drive, den man während Dreharbeiten braucht. Ich mag es nicht, wenn herumgelauert wird. Ich empfinde Dreharbeiten oft als wahnsinnig umständlich, schon fast manisch-zwanghaft kompliziert, dabei sehne ich mich nach Einfachheit. Wenn ich das Gefühl habe, die Leute komplizieren Dinge, dann kann ich schon laut werden und sagen: «Hey come on, cut it! Los! Jetzt aber! Back to simple!»
Alles hat ein Ende. Momoll, dieses Interview auch. Wir sind eben in die Schlussgerade eingebogen. Achtung: Sex ist gleich nochmals das grosse Thema.
Vergangenen Herbst drehten Sie eine Episode zum internationalen Kinoprojekt «Berlin, I Love You». So grundsätzlich: Was halten Sie von der Liebe?
Ich würde sagen, ich bin liebessüchtig und lebe seit Jahren in einer monogamen Beziehung. Ein Teil von mir würde vielleicht die freie, polyamouröse Liebe vorziehen, aber diesen Charakterzug lebe ich überhaupt nicht aus. Wir Menschen sind in Sachen Liebe sehr ängstlich – ich auch. Es wäre für mich eine wahnsinnige Umgewöhnung, wenn ich meine Frau mit anderen Männern teilen müsste. Wie gesagt: Ich lebe spiessig, bin im Kopf aber modern. So oder so: Ich will keinen Tag ohne Liebe leben.
Törnt Sie eher Kälte oder Wärme an?
Wärme.
Ein Tick, für den Sie Ihre Frau lieben?
Ich finde es sehr lustig, wenn sie nackt vor mir steht und eine Schlafmaske trägt.
Ihre Frau und Sie sind seit fast 20 Jahren ein Paar: Wie haben Sie das geschafft?
Lustvoller Sex, Beweglichkeit, Neugierde und unsere Kinder. Wir verstehen uns beide gegenseitig bis heute nicht richtig. Ich denke, das hilft, weil wir so immer wieder am forschen sind, wer der andere ist. Meine Frau bewegt sich in ihrem Leben, ich bewege mich in meinem Leben. Ich glaube auch, dass Krisen uns stärker verbunden haben. Dazu gibt es viele Dinge, die wir gemeinsam geniessen: Theater, Film, Forschungsneugierde, Wissensdrang und und und … ungeplant irgendwo hinreisen. Ja, wir haben ein sehr schönes Leben. Wir sind bisher auch nie geprüft worden, leben ohne Sorgen. Dafür bin ich dankbar.
Wo finden Sie Glück?
Glück finde ich den Bergen. Ich gehe gerne Wandern, tue es nur leider viel zu wenig. Wandern ist für mich wie ein Liebhaber oder eine Liebhaberin, den oder die ich viel zu wenig sehe. In der Natur allein laufen zu gehen ist grossartig. Ich finde Glück im Schreiben und natürlich im Sex. Ich finde grosses Glück mit meinen Kindern. Oft sitze ich mit ihnen zusammen und bin einfach glücklich, dass wir zusammen sein dürfen. Ich finde Glück im Kino oder im Theater, weil mich ein Stück emotional derart berührt, dass ich lachen oder heulen muss. Ich finde auch Konzerte grossartig, sowohl klassische wie auch moderne Musik. Ich finde Glück unterwegs. Wir haben einen VW-Bus mit dem ich am liebsten monatelang herumtingeln würde.
Ein typischer Papi-Spruch?
«Les gôuts et les couleurs» fällt mir als ersten Spruch ein. Frei übersetzt heisst das, lass uns über die Farben diskutieren. Und dann sagte mein Vater auch noch oft: «Wirst du eigentlich dafür bezahlt, dass du so frech zu mir bist?»
Ich meinte ein typischer Papi-Spruch von Ihnen.
Ein typischer Dani-Spruch bei seinen Kindern? Äh … ja, um Gottes Willen, so lustig wie mein Vater bin ich nicht. Mir fällt grad keiner ein.
Sie leben seit fast 40 Jahren in Deutschland. Träumen Sie noch oft von Ihrer Heimat, der Schweiz?
Ja, aber ich habe nach wie vor viel mit der Schweiz zu tun, bin regelmässig dort. Mein Bezug zur Schweiz brach in all den Jahren nie ab – egal, ob ich Theater machte, ob ich Fernsehen machte oder Werbung drehte. Ich würde sogar sagen, die Schweiz ist mehr Bestandteil von meinem Leben als mein Jüdisch sein. Obwohl ich gleichzeitig sage, dass das Jüdische in mir relevanter ist als das Schweizer sein.
Wo ist die Schweiz am allerschönsten?
Im Rhein.
Sind sie eigentlich Doppelbürger?
Nein, ich bin Schweizer.
Im Herbst werden Sie 61. Was denken Sie, ist die Midlife-Crisis schon durch?
Nein. Ich denke, ich bekomme sie bald.
Graue Haare, Falten, Brille: Haben Sie Mühe mit dem Älterwerden?
Die grauen Haare finde ich zwar doof, aber ich habe trotzdem keine Mühe mit dem Alter.
Fürchten Sie sich vor dem Tod?
Ja, bestimmt. Ich bin effektiv nicht dafür vorbereitet.
Mitglied einer Sterbeorganisation?
Nein.
Zum Schluss noch der berühmte Talenttest: Sie schätzen sich selber ein - ein Punkt kein Talent, zehn Punkte Supertalent. Ihr Talent als Handwerker?
9. Ich bin sehr geschickt, habe schon viel zusammengebaut.
Als Familienvater?
7. Ich habe oft zu wenig Zeit für die Kinder, aber trotzdem, glaube ich, liebevoll, solidarisch und ein wirklich toller Papi zu sein.
Als Politiker?
Gedanklich würde ich sagen 8 oder 9 Punkte, in der Handlung 2.
Als Liebhaber?
10 (lacht laut).
Ihr nächster Termin?
In vier Minuten habe ich ein Drehbuch-Besprechung.
Das war die letzte Frage.
So richtig schlagfertig war ich leider nicht.
Zur Person: Dani Levy
Dani Levy, 61, wurde 1984 als Küchenhilfe Peperoni in der TV-Serie «Motel» schweizweit bekannt. Seit Langem gilt der Basler insbesondere in Deutschland als Filmemacher, der es wagt, Komödien mit subversivem Humor zu realisieren. Zuletzt erzählte er im Kinofilm «Die Welt der Wunderlichs» von einer veritablen Chaos-Familie. Der Filmemacher lebt mit seiner Frau Sabine Lidl und ihren beiden Kindern Hannah und Joshua in Berlin.
Fernsehtipp: Der One-Take-«Tatort» mit dem Titel «Die Musik stirbt zuletzt» wird am Sonntag, 5. August, 20 Uhr, im Schweizer Fernsehen SRF gezeigt.
Leserangebot «Traumfänger»
Leserinnen und Leser von «Bluewin» können das Buch «Traumfänger» von Redaktor Bruno Bötschi kostenlos bei der Redaktion bestellen. Und so geht es: Einfach eine Mail an redaktion2@bluewin.ch senden.
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