Interview «Es floss viel Blut, nur Bud Spencer passierte nie etwas»

tsch

23.8.2018

Sie waren «Zwei wie Pech und Schwefel». Nun kehrt Terence Hill allein auf die Leinwand zurück. Im Interview erinnert er sich an seinen verstorbenen Freund Bud Spencer.

Terence Hill, geboren am 29. März 1939 in Venedig, ist sicher einer der grössten Schauspielstars aller Zeiten. Wenigstens in Deutschland, wo seine Karriere, anfangs noch unter seinem bürgerlichen Namen Mario Girotti, an Fahrt aufnahm und er seine grössten Erfolge feiern konnte. Viele davon an der Seite seines kongenialen Partners Bud Spencer, dem er seinen aktuellen Film «Mein Name ist Somebody - Zwei Fäuste kehren zurück» widmet. Aus besonderem Grund, wie er im Interview verrät. Dieses führte er übrigens auf Deutsch - schliesslich war seine Mutter Hildegard Deutsche und er in seiner Kindheit Bewohner des Städtchens Lommatzsch bei Dresden.

Wie möchten Sie angesprochen werden, als Mr. Hill oder Mr. Girotti?

Terence Hill: Ich möchte Terence genannt werden. Alles andere verwirrt mich. Von Mario Girotti weiss kaum jemand. Es gilt, die Dinge so einfach wie möglich zu halten.

Können Sie uns über Ihre deutschen Wurzeln erzählen?

Deutsch ist meine Muttersprache, ich sprach Deutsch, bis ich sechs Jahre alt war. Meine Mutter studierte in Dresden Kunst, sie war eine tolle Malerin. Als Kind spielte ich in Lommatzsch. Zur Schule ging ich aber in Italien. Da meine Mutter sehr jung verstorben ist, habe ich leider viel von meiner deutschen Sprache verloren. Ich bräuchte wahrscheinlich drei, vier Jahre hier, um alles zurückzuholen.

Wie gut erinnern Sie sich an Ihre Jugend in Lommatzsch?

Sehr gut! An die Zeit als Kind erinnert man sich sein ganzes Leben lang. Sie beeinflusst den Menschen am meisten. Ich war nie wieder so glücklich wie damals. Ich hatte viele Freunde und war ein sehr lebhaftes Kind - trotz des Krieges.

Sind Ihnen auch die Bomben und all das Schlimme in Erinnerung geblieben?

Ich will eigentlich nicht darüber sprechen, sondern später ein Buch darüber schreiben. Dafür brauche ich aber viel Zeit. Es dauert einige Jahre, wenn man ernsthaft ein Buch schreiben will und es nicht nur schreibt, um es zu verkaufen. Wir versteckten uns über eine Woche in einem Keller, und mein Vater, der als Chemiker in einem Labor arbeitete, kam nicht nach Hause. Mein Onkel fuhr mit dem Fahrrad von Lommatzsch nach Dresden, um ihn zu holen. Kurz darauf gingen wir aus Deutschland weg und sind zu Fuss nach Italien gelaufen. Ich erinnere mich an viele dieser Geschichten.

Warum sind Sie nach Italien zurückgekehrt?

Weil mein Vater dort Arbeit fand. Er war schliesslich Italiener.

Dennoch haben Sie in Deutschland Ihr grösstes Publikum. Führen Sie das auf Ihre Herkunft zurück?

Man vermutete oft, dass mein lebhaftes, freches Schauspiel der Einfluss meines italienischen Vaters war. Dem ist aber überhaupt nicht so. Im Gegenteil, mein Vater war sehr still und las viel, während meine Mutter die lebhafte war. Ich habe das im Blut. Sie wollte, dass ich Schauspieler werde und hat dafür alles getan.

Sie haben Ihren neuen Film «Mein Name ist Somebody» im Abspann «Meinem Freund Bud» gewidmet. Wie kam es dazu?

Ich war in Almeria in Spanien auf Drehortsuche, da klingelte mein Telefon, und Buds Sohn sagte mir, dass sein Vater von uns gegangen sei. Das passierte an diesem Ort! Zuerst war ich sehr traurig, aber dann spürte ich so etwas wie Freude in mir, weil ich von da an wusste, dass das der Ort für meinen Film war. Dort, in der Tabernas-Wüste bei Almeria, habe ich Bud Spencer, der damals noch Carlo Pedersoli war, zum ersten Mal getroffen. So kamen Anfang und Ende zusammen. Eine Widmung war das Mindeste, was ich tun konnte.

Haben Sie eine besondere Erinnerung an Bud Spencer?

Es gibt sehr viele. Am Anfang unserer Karrieren mussten wir uns sogar Wohnwagen teilen und da zusammen übernachten. Dort assen wir immer gemeinsam, und er beschwerte sich oft, dass ich mehr essen würde als er, aber er zunimmt. Damals war alles sehr einfach, aber es war eine gute Zeit.

Almeria spielte auch in Ihrem Leben eine besondere Rolle, haben Sie da nicht Ihre Frau Lori kennengelernt?

Eigentlich in Rom, aber sie ging nach nur einer Woche mit mir nach Almeria, um mir mit dem Englischen zu helfen. Als wir zwei Monate später zurückkehrten, haben wir gleich geheiratet. Nach zwei Monaten zu heiraten, das ist fast wie eine Wette. Aber es ist gut gegangen, wir sind über 50 Jahre verheiratet.

Wie schwer fällt es Ihnen, noch diese Prügelszenen zu drehen?

Das sieht man doch, das ist kein Problem.

Bei all den Prügeleien auf der Leinwand, haben Sie jemals selbst etwas abbekommen?

Klar, ich traf Kollegen und wurde selbst auch getroffen. Man schlägt sehr knapp vorm Gesicht des anderen vorbei. Bei «Zwei wie Pech und Schwefel» sollte einer eine Bank nach mir werfen und die an der Wand kaputtgehen. Aber die Bank traf mich. Chaos brach aus. Ich zog mir eine klaffende Wunde zu, es floss viel Blut, der Krankenwagen kam, und ich musste genäht werden. Nur Bud Spencer passierte nie etwas. Da hat sich keiner so nah ran getraut. Er war kurzsichtig und sah ohne Brille kaum etwas. Er fragte immer, wo die anderen sind. Die hatten grossen Respekt und hielten Abstand.

«Mein Name ist Somebody» wirkt wie ein Abschied: Ein Mann, der sich aufmacht und in die einsame Wüste fährt - Ihre Art, dem Kino Lebewohl zu sagen?

Nein, gar nicht. Im Film verabschiedet sich meine Figur Thomas von seinem Leben und macht sich auf die Suche nach etwas. Er sucht danach in den Sternen oder im Sand der Wüste, aber findet es in der Person, die vor ihm sitzt, in der jungen Frau.

Sie zeigen vollen Einsatz und begleiten den Film auf seiner Premierentour durch Deutschland. Wie anstrengend ist das?

Mir war nicht bewusst, dass einige Filme in Deutschland nur am Wochenende funktionieren, aber unter der Woche nicht. Man sagte mir, wenn ich dabei bin, hilft das dem Film beim Start gegen die vielen Blockbuster die auch laufen. Das ist Promotion.

Sind die vielen Filme, die jede Woche gleichzeitig ins Kino kommen, eine der grossen Veränderungen der Filmlandschaft?

Auf jeden Fall. Vor 30 Jahren hatten wir viel mehr Zeit als heute. Im Vergleich zur Arbeit für das Fernsehen war es wie ein Spaziergang. Bei Fernsehproduktionen drehen wir bis zu acht Drehbuchseiten pro Tag, hier waren es zwei. Das war wie Urlaub. Heute muss immer alles schneller gehen - und das nicht nur im Fernsehen. Man hat immer weniger Zeit.

Trotz der grösseren Anstrengung sehen Sie mit 79 noch aus wie mancher mit 65. Wie machen Sie das?

Ich mache gar nichts. Das sind die Gene meines Vaters. Er war auch so.

Wie feiern Sie Ihren 80. Geburtstag?

Ich möchte nach Island reisen und dort auf dem Eis laufen. Ein Freund von mir hat mir davon begeistert erzählt.

«Mein Name ist Somebody - Zwei Fäuste kehren zurück» läuft ab Donnerstag, 23. August, in deutschen Kinos an. Ob und wann der Film in der Schweiz zu sehen sein  wird, ist noch nicht bekannt.

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