Interview Leah Remini: «Ich bin immer noch daran, mir diese Wut abzugewöhnen»

Marlène von Arx

15.1.2019

Hollywood-Reporterin Marlène von Arx traf Leah Remini zum Interview.
Hollywood-Reporterin Marlène von Arx traf Leah Remini zum Interview.
ZVG

Leah Remini über ihren Film «Second Act» mit Jennifer Lopez und dem Schweizer Kameramann Ueli Steiger, ihr Leben nach Scientology und warum ihr «King of Queens»-Gatte Kevin James ein wunderbarer Kerl ist.

In Ihrem Film mit Jennifer Lopez «Second Act» geht es um zweite Chancen im Leben. Über dieses Thema wissen Sie ja bestens Bescheid …

Ja, ich lerne jetzt, mich mit der wirklichen Welt auseinanderzusetzen. Ich habe ja die längste Zeit meines Lebens in einer Sekte verbracht, in der mir gesagt wurde, was ich zu glauben und wie ich zu denken habe. Ich bin jetzt wie ein Kind, das alles als neu erfährt und muss nicht mehr Schlechtes über Nicht-Scientologen denken. Uns wurde eine Wut auf alles, das nicht Scientology war, eingetrichtert. Ich bin immer noch daran, mir diese Wut abzugewöhnen.

Leah Remini als Joan in der Komödie «Second Act». Der Film startet bei uns am Donnerstag, 17. Januar.
Leah Remini als Joan in der Komödie «Second Act». Der Film startet bei uns am Donnerstag, 17. Januar.
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Wut auch auf die verlorene Zeit?

Ich betrachte es nicht so. Ich bin jetzt einfach froh, frei zu sein und nicht mehr dauernd verurteilen zu müssen. Scientology lehrt einen zu kämpfen und schürt die Wut im Bauch. Es ist nicht einfach, das, was jahrelang in einen eingepflanzt war, hundertprozentig zu verbannen.

Sie haben Scientology 2013 verlassen, das Buch «Troublemaker: Surviving Hollywood and Scientology» geschrieben und auch eine Dokumentar-Serie über Scientology produziert und moderiert. Mit welchen Folgen?

Oh, da müssen Sie nur mal meinen Namen googeln, da kommt schnell eine von Scientology bezahlte Hass-Webseite. Scientology hat steuerfreie Vermögenswerte von 3 Milliarden Dollar zur Verfügung, um Kritiker anzuschwärzen. Sie belästigen mit Privatdetektiven jedes Mitglied meiner Familie. Sie nennen sich Faktenprüfer und tun so, als ob sie für eine Zeitschrift arbeiten, aber das tun sie nicht. Was mich betrifft, so kann ich das akzeptieren, da ich im Showbusiness bin. Da gehört Kritik dazu. Aber eine Mutter in Clearwater, deren Sohn von Scientology entfremdet wurde, ist sich so etwas nicht gewöhnt. Und auch nicht unser Maskenbildner, dem nachgestellt wird, wenn er seine Familie besucht.



Inzwischen haben Sie sich auch die Zeugen Jehovas vorgeknöpft. Werden Sie zur Kreuz-Ritterin gegen Rand-Religionen?

Wir machten eine Sondersendung über die Zeugen Jehovas, weil die Zuschauer eine Petition beim Sender eingereicht haben, dass wir auch darüber berichten sollten, denn die Praktiken seien ähnlich. Kirchen zahlen keine Steuern, weil sie Gutes für die Gemeinschaft tun. In den USA überprüft das aber keiner. Wenn eine Kirche eine Doktrin praktiziert, die Menschen misshandelt und Leben zerstört, müssen wir da schon hinschauen und mitunter auch Gesetze ändern.

Brauchte es letztlich nicht auch sehr viel Mut zum Austritt?

Ich halte mich nicht für sonderlich mutig. Es hat sechs Jahre gedauert, bis ich aus Scientology raus war. Angefangen hatte es ja, dass ich an der Hochzeit von Tom Cruise fragte, wo denn die Frau des Oberbosses David Miscavige sei. Sie wich normalerweise nicht von seiner Seite und war auch seine Sekretärin. Deswegen wurde ich zur Reprogrammierung verknurrt, denn ich hatte angeblich nicht den Rang, diese Frage zu stellen. Das hat mich natürlich nur noch neugieriger gemacht, und ich bin ins Internet – was verboten ist – und habe gesehen, wie sie seit Jahren das Leben von Leuten zerstören, die kritisch waren. Ich habe es einfacher, denn als Promi habe ich den Schutz der Presse, meines Publikums, das mich mit Liebe und Unterstützung umgibt, und meiner Familie, die mit mir austrat. Den einzigen Mumm, den ich habe, kommt von meiner Mutter, die eine Kämpferin ist. Sie hat immer für ein besseres Leben fürs uns gekämpft, deshalb schloss sie sich ursprünglich auch Scientology an.

Haben Sie Kontakt mit Tom Cruise oder John Travolta?

Sie dürfen nicht mit Kritikern von Scientology reden. Also spricht man nicht mehr mit mir.

Werden Sie in Hollywood als Unruhestifterin wahrgenommen?

Ich glaube es nicht. Ich hoffe es nicht! Wenn Leute nicht mit mir arbeiten wollen, weil sie Angst vor Scientology haben, dann muss ich auch nicht mit ihnen arbeiten. In meinem Alter und an diesem Punkt in meiner Karriere will ich nur noch mit Menschen zusammenarbeiten, die in dieser Sache auf der richtigen Seite stehen.

Nicht nur im Film, sondern auch sonst gute Freundinnen: Leah Remini (l.) und Jennifer Lopez, hier in einer Szene aus «Second Act». 
Nicht nur im Film, sondern auch sonst gute Freundinnen: Leah Remini (l.) und Jennifer Lopez, hier in einer Szene aus «Second Act». 
Keystone

Jennifer Lopez, die Hauptdarstellerin in «Second Act», scheint eine dieser Personen zu sein …

Ja, wir sind nicht nur im Film, sondern auch im richtigen Leben Freundinnen. Davon gibt es nicht viele in Hollywood. Wir unterstützen uns und sind aber auch ehrlich miteinander. Und in Drehpausen schlagen wir uns zusammen die Bäuche voll [lacht].

Kevin James gehört wohl auch zu Ihren Freunden, denn mit ihm haben Sie zwei Sitcoms, «King of Queens» und «Kevin Can Wait» gedreht. Oder ist das nur ein beruflich erfolgreiches Arrangement?

Nein, ich bin mit ihm und seiner Familie dick befreundet. Wir facetimen jeden Tag. Er ist ein wirklich aufrechter Kerl. Niemand hat mich als Frau im Showbusiness mehr unterstützt als Kevin James. Bei Frauen heisst es ja schnell, wir seien hysterisch oder ob wir wohl unsere Tage hätten. Er sagt auf dem Set immer: «Was Leah will, soll sie auch bekommen. Verlangt sie was, gebt es ihr.» Er ermuntert die Drehbuchautoren auch, mir die Pointen zu geben, nicht nur ihm. Das ist nicht die Norm bei Hauptdarstellern.

Leah Remini mit Kevin James. Die beiden «King of Queens»-Stars mögen sich auch privat.
Leah Remini mit Kevin James. Die beiden «King of Queens»-Stars mögen sich auch privat.
Keystone

Zurück zu «Second Act»: Der Film handelt auch davon, Menschen eine Chance zu geben, die kein Diplom für einen Job haben, aber die Materie trotzdem bestens verstehen. Sie haben eine vierzehnjährige Tochter. Drängen Sie sie zu einer höheren Ausbildung?

Oh ja! Ausbildung ist zwar nicht alles, man muss auch an sich glauben. Momentan ist ihr Karriereziel Vollzeit-Mutter, und sie meint deshalb, sie müsse nicht aufs College. In ihrem Alter ändert sich die Meinung noch dauernd. Vielleicht will sie mich auch provozieren, weil ich von der Schule abgegangen und direkt ins Arbeitsleben eingestiegen bin. Folge: Ich kann ihr nicht mal bei den Mathe-Aufgaben helfen! Einmal habe ich eine Arbeit für sie geschrieben und bekam knapp ein «genügend». Da war ich schon fast etwas beleidigt. Von mir aus soll sie die beste Vollzeit-Mutter der Welt werden, aber eine Ausbildung muss sie trotzdem machen, damit sie Optionen hat. Da bleibe ich hart.

Der Kameramann von «Second Act» ist der Schweizer Ueli Steiger. Waren Sie zufrieden mit ihm?

Ueli? Oh ja, sehr, was für ein süsser Kerl!

Sie haben Filme, Doks und Sitcoms gemacht: Wo sehen Sie Ihre Zukunft?

Bei den Dreharbeiten von «Second Act» wurde ich depressiv, wenn ich etwas sagte, das lustig sein sollte, und niemand lachte. So ist das halt beim Film, aber ich bin mich das nicht gewöhnt. Ich mag das sofortige Feedback des Publikums bei einer Sitcom. Aber Dokumentationen faszinieren mich jetzt am meisten, und ich habe einen guten Vertrag mit dem Kabelsender A&E. Ich will die Wahrheit in die Welt tragen und sie ein bisschen besser hinterlassen, als ich sie vorgefunden habe.

«Second Act» läuft ab Donnerstag, 17. Januar, in unseren Kinos.

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