Interview Olivia Colman über Queen Anne: «Sie war mindestens 17-mal schwanger»

tsch

24.1.2019

In der Netflix-Serie «The Queen» spielt Olivia Colman demnächst Königin Elisabeth II. Für das Historiendrama «The Favourite – Intrigen und Irrsinn» setzte sich die Britin schon jetzt die Krone auf.

Spät, aber heftig hat die Karriere von Olivia Colman (44) abgehoben. Auf den Golden Globe für ihre Rolle als schwangere Agentin in der Serie «The Night Manager» (2016) folgte für die viel beschäftigte Familienmama gerade ein weiterer für ihre Darbietung als exaltierte Königin Anne im Kostümdrama «The Favourite – Intrigen und Irrsinn» (Kinostart: 24. Januar).

«The Favourite» – der Trailer

«The Favourite» – der Trailer

England, frühes 18. Jahrhundert: Das Land befindet sich im Krieg mit Frankreich. Auf dem Thron sitzt Königin Anne (Olivia Colman). Sie ist gebrechlich und launenhaft. Das öffnet Vertrauten mit Ambitionen (Rachel Weisz, Emma Stone) Tür und Tor.

24.01.2019

Die Rolle der Queen Anne Stuart könnte Colman auch noch einen Oscar bescheren. Denn Regisseur Giorgos Lanthimos («The Lobster») stürzt seine Figuren gerne in emotionale Abgründe – für deren Darsteller eine Spielwiese, um ihr Können zu zeigen. Im Film lässt die Queen ihre Hofdame und Freundin Lady Sarah (Rachel Weisz) zugunsten der intriganten Abigail (Emma Stone) fallen. Abigail nutzt ihre Chance, um zum Lebensmittelpunkt der Monarchin zu werden.

Im Interview spricht Olivia Colman über Geschichtsunterricht, Kaninchen und ihre Rolle als Queen Elizabeth II. in der dritten Staffel der Netflix-Serie «The Crown».

Frau Colman, für eine Schauspielerin ist die Rolle als unberechenbare Queen Anne ein ...

... gefundenes Fressen! Überspannt, verrückt, verzweifelt, freudig, leidend, intrigierend – das volle Programm. Es war einfach ein riesiger Spass. Wir hatten vor dem Dreh zum Glück zwei wunderbare Wochen Zeit für Proben. Dazu kommt, dass die historische Anne nicht sehr gebildet war und ihr ganzes Leben unter diversen Krankheiten litt, die Schmerzen verursachten. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um ein ausgeglichener Mensch zu sein.

Wird Anne von Sarah und Abigail ausschliesslich ausgenutzt?

Sarah Churchill nutzt Anne zwar aus, war aber wohl – auch historisch verbürgt – Annes grosse Liebe. Die beiden kannten sich seit ihrer Kindheit und sprachen sich in privater Umgebung mit den Kosenamen «Mrs. Morley» und «Mrs. Freeman» an. Die Filmfigur Abigail verfolgt dagegen ausschliesslich persönliche Interessen. Niemand ist am Ende glücklich. Nicht einmal die unzähligen Kaninchen, die sich Anne als Kinderersatz hält. Wie es sich für einen Film von Regisseur Giorgos Lanthimos eben gehört (lacht). Übrigens muss ich an dieser Stelle die Kaninchen schwer loben: Sie waren sehr diszipliniert und hoppelten immer an der richtigen Stelle durchs Bild.

Was wussten Sie vor diesem Film über Queen Anne?

Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, was wir in Geschichte in der Schule gelernt haben, aber ganz sicher nichts über Anne Stuart. Dabei war sie immerhin jene Königin, die das Vereinigte Königreich geschaffen hat. Kein ganz unwichtiges Detail britischer Geschichte. Sie war mindestens 17 Mal schwanger. Eine Anzahl von Schwangerschaften, die selbst für die damalige Zeit erstaunlich war. Keines ihrer Kinder schaffte es ins Erwachsenenalter. Ist das nicht traurig? Nur ein einziger Sohn wurde wenigstens elf Jahre alt.

Fahren Sie immer als wandelndes Geschichtslexikon zum Dreh?

Ganz im Gegenteil. Ich recherchiere über meine Figuren erst nach einem Film. Sozusagen als Belohnung. Vorher konzentriere ich mich lieber auf das Drehbuch. Der Autor und der Regisseur haben ja vorher entschieden, was sie präsentieren möchten. Und mein Job ist es, genau das auch rüberzubringen, anstatt dagegen anzukämpfen. Ich gehöre nicht zu den Darstellerinnen, die am Set bei einer Szene über Regieanweisungen oder Text zu diskutieren anfangen.

Wie kann man denn der Versuchung widerstehen, sich im Internet über die Figur zu informieren, die man spielt, wenn diese historisch ist?

Im Drehbuch steht ja drin, wie alles sein soll. Das ist die Königin Anne, wie der Regisseur sie zeigen will. Und ich wurde engagiert, um genau das zu spielen. Wenn Giorgos das anders gewollt hätte, dann hätte er das Drehbuch überarbeiten lassen. Manchmal schaue ich schon ein wenig im Netz nach. Aber man muss sich trotzdem dem Drehbuch verpflichtet fühlen.

«Oh, Gott – was ist, wenn Elizabeth II. sich das anschaut?»

Anders ist die Informationslage in der TV-Serie «The Crown», in der Sie die amtierende englische Königin spielen, über die man praktisch alles weiss ...

Da steht man unter wesentlich grösserem Druck und hat Angst. Oh, Gott – was ist, wenn Elizabeth II. sich das anschaut und dich sieht?! Vielleicht hält sie deine Darstellung für Schwachsinn und schaltet ab?

Die Briten lieben es, sich über ihre Monarchen lustig zu machen. Komödien oder satirische Filme über französische oder niederländische Monarchen gibt es dagegen deutlich weniger ...

Die Briten hängen dennoch sehr an ihrer Monarchie. Zugleich sind sie schon immer stolz darauf gewesen, sowohl Satire als auch zeitgenössisches Drama zu lieben. Aber Giorgos Lanthimos hat als Grieche den Blick von aussen. Es geht ihm in «The Favourite» um Macht und Menschen, weniger um Monarchie und Geschichte.

Sie haben drei Kinder und sind auch beruflich gut beschäftigt. Wie vereinbaren Sie das so elegant miteinander?

Ich habe einen sehr, sehr guten Ehemann! (Schauspielkollege Ed Sinclair, Anm. der Red.) Er möchte, dass ich kreative Erfüllung finde und glücklich bin, und ich möchte dasselbe für ihn. Wir sind da gleichgestellt und unterstützen einander. Unsere Kinder erleben deshalb zu Hause zwei Eltern, die ihre Arbeit lieben. Ich selbst kenne das von daheim auch nicht anders: Meine Mutter war Krankenschwester, liebte ihre Arbeit, und ich habe sie als Kind dafür bewundert. Wir verteidigen aber im Gegenzug unsere gemeinsame Familienzeit auch wie die Löwen.

«The Favourite – Intrigen und Irrsinn» mit Olivia Colman läuft ab Donnerstag, 24. Januar, in unseren Kinos. 

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