Interview Robert De Niro: «Das verlängert meine Karriere um 30 Jahre»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

26.11.2019

Vier Oscarpreisträger reichen sich in «The Irishman» die Hand: Darunter befindet sich Robert De Niro. Er spricht mit «Bluewin» über seinen wohl letzten Mafiafilm – und wie ihm die Computertechnologie hilft.

«Taxi Driver», «Raging Bull«, «Goodfellas» und zuletzt «Casino»: Robert De Niro und Martin Scorsese sind ein Hollywood Dream-Team.

Mit «The Irishman» setzen sie dem Mafia-Genre nun ein weiteres Denkmal. Zum Netflix-Start reflektiert Robert De Niro über die neunte Zusammenarbeit mit seinem Entdecker, seine Gemeinsamkeit mit Al Pacino und was er von den Vergleichen von «Joker» mit «Taxi Driver» hält.

Herr De Niro beim Namen Robert De Niro denkt man sofort an einen italo-amerikanischen Filmstar. Dass Sie den ‹Irishman› spielen, ist jedoch nicht weit hergeholt: Sie hatten eine irische Grossmutter väterlicherseits und auch auf der Seite der Mutter gab es irische Vorfahren. Was wissen Sie über Ihre irischen Wurzeln?

Ich weiss, dass wir aus Tipperary stammen. Das tönt gut – jedenfalls das Lied ‹It’s a Long Way to Tipperary›. Ich wollte schon seit Jahren mehr erfahren und jetzt sind Leute auf mich zugekommen, die Informationen haben. Wenn ich Zeit habe, gehe ich der Sache nach.


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Klingt geheimnisvoll. Ebenfalls mysteriös ist die Rolle der Mafia im ungeklärten Verschwinden von Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa im Jahr 1975. Für wie realistisch halten Sie die Version, die ‹The Irishman› offeriert?

Ich weiss natürlich auch nicht, was in Wirklichkeit passiert ist, aber unsere Geschichte scheint mir recht plausibel. Eine bessere Antwort auf die Frage, was mit Hoffa passiert ist, gibt es nicht. Aber so oder so: Unsere Story steht für sich.

‹The Irishman› ist Ihre neunte Zusammenarbeit mit Regisseur Martin Scorsese. Wie würden Sie Ihre Beziehung beschreiben?

Ich schätze mich sehr glücklich, dass Marty und ich diese lange gemeinsame Geschichte haben. Er hört zu, ist immer offen für Ideen und versucht sie auch auszuführen, wenn sie nicht total daneben sind. Das ist ein gutes Gefühl, denn je mehr man einem Regisseur vertrauen kann, desto mehr kann man als Schauspieler wagen. Wir beide mögen das Mafia-Genre: Die Regeln sind die gleichen wie in der Geschäftswelt. Nur die Strafen sind bedeutend härter, wenn man etwas falsch macht. Ich hoffe, es wird noch weitere gemeinsame Projekte geben.



Al Pacino scheinen Sie über die Jahre eher aus dem Weg gegangen zu sein. Oder ist das eine falsche Annahme?

Ist es. Al und ich kennen uns schon seit unseren Zwanzigern. Wir haben uns immer mal wieder getroffen und haben miteinander über Berufliches, aber auch Privates geplaudert. Besonders, als sich unsere Situation veränderte [und beide berühmt wurden, Anm. d. Red]. Es gibt nicht viele Leute, die in der gleichen Situation sind. So tat es uns beiden gut, jemanden zu haben, mit dem man darüber sprechen konnte. Es sind sicher schon fast 15 Jahre her, als wir irgendwo in Europa bei einer Premiere waren. Es waren alle so nett zu uns. Wir vereinbarten, dass wir noch einen Film zusammen drehen würden, auf den wir beide richtig stolz sein können. Auch für die Fans. ‹The Irishman› ist das richtige Vehikel für uns.

Apropos stolz: Sie können auf eine lange Karriere zurückblicken. Was betrachten Sie als Ihren Höhepunkt?

Wissen Sie, ich denke, dass ich am Ende immer zum Höhepunkt komme [lacht]. Ich sehe mich nicht am Boden herumkriechen. Ich bin jedenfalls sehr zufrieden, wie ‹The Irishman› herausgekommen ist.

Sie waren dieses Jahr auch im Kassenknüller ‹Joker› zu sehen. Teilen Sie die Meinung, dass sich darin einiges von Ihren Filmen ‹Taxi Driver› und ‹King of Comedy› verbirgt?

Ja, ich sehe die Parallelen schon. ‹Joker› reflektiert unsere Zeit, wie ‹Taxi Driver› seine Zeit widerspiegelte. Ich mochte den Regisseur Todd Phillips und die Rolle des Fernsehmoderators. Es war ein interessantes Projekt und wir hatten Spass bei der Arbeit. Aber man weiss nie im voraus, ob man den Nerv des Publikums trifft.



Das glückte Ihnen mit ‹Joker› und ‹The Irishman› gleich zweimal dieses Jahr …

Ja, ich kann mich nicht beklagen. Ich bin 76 und habe es auch verdient.[lacht]

In ‹The Irishman› werden Sie digital jünger gemacht. Was war Ihr erster Eindruck, als Sie sich verjüngt sahen und was halten Sie allgemein von dieser Technologie?

Ich hatte einen guten Eindruck. Es verlängert meine Karriere um dreissig Jahre [lacht]. Ich hatte auch einen Bewegungs-Coach, der mich daran erinnerte, eine gerade Haltung einzunehmen und wie ein 39-Jähriger die Treppe hinunter zu hüpfen. Am Schluss schnitt Marty die Treppen-Szene dann doch aus dem Film! Aber ich weiss auch nicht, wie das mal noch endet. Man muss sein Abbild irgendwie schützen können. Vielleicht wird man einmal gar nichts mehr selber machen müssen. Es wird einfach eine digitale Performance zusammengestellt. Hat man dann noch die Kontrolle? Da muss man schon etwas darüber nachdenken.

Welchen Rat würden Sie sich geben, wenn Sie nochmals an den Anfang Ihrer Karriere zurück könnten?

Keine Ahnung. Was soll ich sagen: Mach’s besser? Dies und das hättest Du nicht machen sollen? Vielleicht wäre das eine oder andere besser gewesen mit CGI, wenn es das schon gegeben hätte?

Was es damals auch nicht gab war Netflix. Der Streamingdienst brachte ‹The Irishman› nur kurz ins Kino, bevor das Publikum ihn jetzt zu Hause anschauen kann. Nicht alle Filmstars finden Netflix toll. Wo reihen Sie sich ein?

Ich habe eine gute Erfahrung mit Netflix gemacht. Wir konnten die Dreharbeiten bequem durchführen. Wir bekamen, was wir brauchten. Das Ganze ist ja auch unvermeidbar. Man muss einen Weg finden, wie man seine Geschichten für den Bildschirm, das Smartphone oder durch eine iWatch erzählt. Die Fernseher zu Hause sind auch bedeutend grösser und besser als früher. ‹The Irishman› wird man auch in Zukunft im Kino sehen können. Das finde ich gut, denn ich persönlich ziehe es vor, den Film auf der grossen Leinwand zu sehen.

Ist in Rente gehen für Sie eine Option oder was steht im neuen Jahr für Sie an?

Ich bleibe gerne aktiv. Was soll ich auch sonst machen? Ich muss ein bestimmtes Momentum bewahren, um Geld zu verdienen. Ich habe etwas mit David O. Russell am Kochen, über das ich noch nicht sprechen kann. Ich spiele eine grosse Persönlichkeit, die mir viel abfordern wird. Hoffentlich können wir den Film drehen, bevor ich das Zeitliche segne.

«The Irishman» läuft derzeit in unseren Kinos, ab 27. November ist der Film auf Netflix abrufbar.

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