Filmkritik «Hors Normes»: Wenn das System den Autismus nicht anerkennt

fts/dpa

29.11.2019

Vincent Cassel und Reda Kateb glänzen in den Rollen der Betreuer.
Vincent Cassel und Reda Kateb glänzen in den Rollen der Betreuer.

Im Film «Alles ausser gewöhnlich» wagen sich die Macher an ein Thema, das im Kino weitgehend ignoriert wird: Autismus. Dabei ist eine authentische und einfühlsame Sozialkomödie entstanden, in der Vincent Cassel brilliert.

Mit der Komödie «Ziemlich beste Freunde» gelang den beiden Franzosen Eric Toledano und Olivier Nakache vor rund acht Jahren ein internationaler Kinohit. Damals erzählten sie von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem Mann im Rollstuhl und seinem unkonventionellen Pfleger. Auch für sein aktuelles Werk «Alles ausser gewöhnlich» (Originaltitel: «Hors normes») hat sich das Regie-Duo wieder von einer wahren Geschichte inspirieren lassen – und wagt sich an ein Thema, das bislang im Kino weitgehend ignoriert wurde: Autismus. In den Hauptrollen glänzen Vincent Cassel («La Haine») und Reda Kateb («Django»).

In «Alles ausser gewöhnlich» geht es unter anderem um Valentin und Joseph. Sie weigern sich zu sprechen und sind gegen sich und andere gewalttätig. Es sind Kinder und Teenager, deren schwerer Autismus Eltern, Ärzte und Psychiater überfordert. Doch Bruno (Cassel) und Malik (Kateb) kämpfen für sie und versuchen, ihnen ein Zuhause zu geben – ohne Zwangsjacke und Medikamente, um sie ruhigzustellen.



Bruno leitet den Verein «Le Silence des Justes» (etwa: Das Schweigen der Gerechten) zur Aufnahme und Integration von autistischen Kindern und Jugendlichen. Malik hingegen betreut die Einrichtung «Relais Île-de-France», wo er sich um die soziale und berufliche Wiedereingliederung junger Menschen aus Brennpunkt-Vierteln kümmert, von denen viele in der Einrichtung von Bruno zum Einsatz kommen.

Der Film beschreibt ihren Alltag mit den Kindern und Jugendlichen und die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen haben. Bruno hat mit seiner Einrichtung und den unkonventionellen Methoden viel Erfolg. Doch eines Tages tauchen Vertreter des zuständigen Ministeriums auf, die prüfen, ob seine Einrichtung auch den Normen und Vorschriften entspricht.

Hinter dem Film verbirgt sich die wahre Geschichte des Erziehers Stéphane Benhamou, der das Duo zu der Figur Brunos inspirierte. Toledano und Nakache lernten ihn vor mehr als 20 Jahren in einem Ferienlager kennen, wo beide als Betreuer arbeiteten. Kurze Zeit später realisierten sie für ihn einen Kurzfilm, mit dem er um Sponsoren werben wollte. Gedreht wurde in dem Pariser Vorort Saint-Denis, wo nun auch «Alles ausser gewöhnlich» entstand.

Um die Authentizität der Geschichte zu bewahren, arbeitete das Erfolgsduo von «Ziemlich beste Freunde» und «Samba» mit Autisten und Jugendlichen aus Problemvierteln. Dadurch schafft es der Film, ihre inneren Konflikte und ihre Probleme im Alltag authentischer zu erfassen. Hinzu kommt, dass Toledano und Nakache zwei Jahre lang die beiden Vereine beobachtet haben. Ihren Angaben zufolge ist keine Szene erfunden, auch die nicht, als einer der Autisten nachts ausreisst und auf der Pariser Stadtautobahn wieder gefasst wird.

Toledano und Nakache haben sich mit ihrem Film nicht nur an ein schwieriges Thema gewagt. Sie haben es auch mit viel Engagement, Feingefühl und diskretem Humor umgesetzt. «Alles ausser gewöhnlich» wird so zu einer warmen und einfühlsamen Tragikomödie, bei der Realität und Fiktion immer wieder verschwimmen.

«Hors normes – Alles ausser gewöhnlich» läuft ab 5. Dezember in unseren Kinos.

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