Kampf der Streaming-Giganten «House of the Dragon» ist erst der Anfang

Von Lukas Rüttimann

25.8.2022

«House of the Dragon» ist der Startschuss für eine Flut an Serien-Highlights. Ob sich die Hit-Offensive für die Anbieter lohnt, ist eine andere Frage. Sicher ist: Opfer gibt es schon.

Von Lukas Rüttimann

25.8.2022

Für die Millionen von Fans von «Game of Thrones» begann am Montag eine neue Zeitrechnung. Denn mit «House of the Dragon» erscheint dreieinhalb Jahre nach dem Finale ein Prequel zum weltweiten Serien-Phänomen von HBO (Schweiz: Sky). Und während bereits darüber diskutiert wird, ob die Produktion die spektakulär missratene finale Staffel von «GoT» vergessen machen kann, ist eines sicher: Die Serie wird auf allen Kanälen das dominierende Thema.

Für wie lange? Das wird sich zeigen. Denn mit dem «The Lord of the Rings»-Ableger «The Rings of Power» (Amazon Prime, ab 2. September) und dem «Rogue One»-Spin-off «Andor» steigen demnächst mächtige Konkurrenten in den Ring und intensivieren den Kampf um Aufmerksamkeit.

Man könnte sogar von einem wahren Hit-Stau auf dem Streaming-Highway sprechen. Ein Stau, der unter anderem dazu geführt hat, dass Disney seine «Star Wars»-Show «Andor» vom 31. August auf den 21. September verschieben musste, um im zu erwartenden Wirbel um «LOTR» und «GoT» nicht unterzugehen.

Aufgeregter Kampf um ein müdes Publikum

Dieser Entscheid zeigt, wie blank die Nerven bei den Streamingdiensten derzeit liegen. Denn Netflix, Amazon, Apple plus, HBO, Peacock, Disney plus und wie sie alle heissen, fechten derzeit einen diffizilen Kampf: Sie müssen mit immer grösserem Aufwand ein zunehmend gesättigtes Publikum bei Laune halten.

Serien, die sich auf Welterfolge wie «Game of Thrones», «Star Wars» oder «The Lord of the Rings» stützen können, scheinen dafür das richtige Rezept. Doch solche Shows sind teuer, die Erwartungshaltung an Cast, Produktion und Marketing enorm hoch. Entsprechend nervös wird reagiert, wenn ein designiertes Highlight wie zuletzt einige Marvel-Serien hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Dass die Rechnung je länger, je weniger aufgeht, lässt sich mit Zahlen belegen. Alle grossen Streaming-Anbieter verlieren jedes Jahr Milliarden von Dollar. Paramount Global (Showtime, Paramount+) etwa sagt, dass sie in diesem Jahr 1,8 Milliarden Dollar verlieren werden. Comcast hat für Peacock bis 2022 Verluste in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar prognostiziert.

Das Direct-to-Consumer-Segment von Disney hat in den ersten Monaten des Geschäftsjahres über zwei Milliarden Dollar verloren. Und Netflix hat dieses Jahr nicht nur erstmals sinkende Abo-Zahlen (bei steigenden Schulden) präsentiert, sondern tauchte an der Börse seit Jahresbeginn fast 60 Prozent. Das ist nicht (nur) eine Folge des generellen Crashs im Tech-Sektor – das ist ein Warnzeichen für ein so nicht nachhaltig funktionierendes Business.

Die Opfer des «Streaming War»

Ein Wunder ist das allerdings nicht. In der Post-Corona-Zeit haben viele genug Zeit auf dem Sofa verbracht. Sie wollen raus und unter Menschen. Doch auch die schiere Masse an qualitativ hochstehenden und guten Shows erschöpft das Publikum. Denn wer, bitte schön, soll neben «House of the Dragon», «Andor» oder «The Rings of Power» auch noch all die anderen Serien schauen?

Dieser «Streaming-War» fordert bereits Opfer. Einer wie der neue CEO von Warner Bros. Discovery, David Zaslav, schaut nicht untätig auf seine rund 53 Milliarden Dollar Schulden. Der HBO-Chef entlässt derzeit Mitarbeiter quer durch alle Ebenen hindurch und sorgte unlängst für Schlagzeilen, indem er den neuen «Batgirl»-Film trotz eines Budgets von 90 Millionen Dollar kurzerhand einstampfen liess.

Die Konkurrenz verfolgt subtilere Strategien, um ihr Streaming-Geschäft rentabler zu machen. Netflix etwa wird im nächsten Jahr ein werbefinanziertes Angebot einführen und versuchen, mit weniger Passwort-Teilern mehr Geld zu verdienen. Disney+ erhöht seine monatliche Gebühr in den USA per Ende Jahr; Abonnenten, die weiterhin den aktuellen Preis zahlen wollen, müssen dafür Werbung in Kauf nehmen.

Welterfolge lassen sich nicht programmieren

Auch vor grossen Namen macht der eiserne Besen nicht Halt. J.J. Abrams' ehrgeiziges Projekt «Demimonde» wurde genauso eingestellt wie – medial genüsslich ausgeschlachtet – die Kinderserie von Herzogin Meghan Markle auf Netflix. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Vieles, was nicht als sicherer Hit angesehen wird, ist derzeit gefährdet: Vor allem kleine, schräge, originelle oder abgründige Shows für ein Nischen-Publikum.

Damit könnten sich die Streaming-Anbieter jedoch ins eigene Bein schiessen. Denn Welterfolge lassen sich nicht programmieren. Die Verantwortlichen scheinen vergessen zu haben, dass «Game of Thrones» ausser Fantasy-Nerds niemanden interessierte, bevor die Enthauptung der vermeintlichen Hauptfigur die TV-Landschaft für immer revolutionierte.

Auch ein aktuelles Phänomen wie die grandiose Amazon-Show «The Boys» war mit seinem Mix aus abgründigem Humor und exzessiver Gewalt nicht unbedingt als Hit prädestiniert. Und wer hätte gedacht, dass eine Serie, die fast nur aus Dialogen und wackeligen Kameraeinstellungen besteht, zu mehr als einem Kritikerliebling werden würde?

Ein Erfolg wie «Succession» muss «House of the Dragon» also erst einmal werden. Immerhin: Die Tage werden kürzer, die Nächte kühler. Ein wenig Drachenfeuer am Bildschirm dürfte da für viele gerade recht kommen.