«Tatort: Risiken mit Nebenwirkungen» Pharma-Drama mit einigen Schwachstellen

Von Carlotta Henggeler

4.5.2022

Der neue Schweizer «Tatort» dreht sich um die Testphase und die Zulassung eines teuren Medikaments. Die Story verspricht Spannung. Es gibt ein paar Überraschungen – aber leider auch einige Schwachstellen.

Von Carlotta Henggeler

Ich freue mich immer wie ein Schnitzel, wenn Tessa Ott und Isabelle Grandjean wieder zusammen einen Fall lösen. Zwei Schauspielerinnen, die noch am Anfang ihrer Kommissarinnen-Karriere stehen und denen ich beim Ermitteln gern zuschaue. Sie mögen sich nicht, nähern sich von Folge zu Folge aber an. Eine Reibungsfläche, die interessiert und einen guten Spannungsbogen hat. 

In «Risiken mit Nebenwirkungen» müssen Ott/Grandjean nach dem Mörder der Top-Anwältin Corinne Perrault (Sabine Timoteo) fahnden. Perrault agierte vor ihrem Tod als Juristin eines Pharma-Unternehmens. Ein Start-up, dessen teures Medikament Volmelia noch in der letzten Testphase steckt und kurz vor der Zulassung steht. Das Wundermittel soll Menschen mit einer seltenen Krankheit helfen. Doch bei einer Patientin der Testgruppe gibt es Probleme. 

Schnell wird klar, es geht um Geldgier, Status und Macht. Ein ungleicher Kampf zwischen David und Goliath entbrennt. Auf der einen Seite steht Goliath in Form des Pharma-Unternehmens Argon, auf der anderen Seite die kranke Schülerin Klara Canetti (Anouk Petri) mit ihrer Mutter.  

Die Überraschungs-Szenen

Ermittlerin Isabelle Grandjean entpuppt sich als Rap-Fan. Als sie bei der Befragung der kranken Klara herausfindet, dass diese auf Hip-Hop steht, gibt sie ein Stück von Sens Unik zum Besten. Eine erfrischender Einfall. 

Später zeigt sich Grandjean aufgelöst bei ihrem Freund, einem Spitzenkoch. Die kranke Klara bricht nach einem Verhör zusammen und landet im Notfall. Das geht der sonst so taffen Kommissarin an die Nieren. Die Tränen fliessen. Sie wirft sich vor, keinen guten Draht zu Kindern zu haben. Weder zu Klara, noch zu ihrem eigenen Sohn, der beim Vater im Ausland lebt. 

Diese Vulnerabilität hätte man bei Grandjean nicht erwartet und zeigt eine neue Facette. Endlich distanziert sie sich vom stereotypischen und durchgenudelten Bad-Cop-Image. 

Später rappt die Kommissarin ein zweites Mal, diesmal freestyle, und Ott stimmt mit ein. Zu viel des Guten? Darüber lässt sich streiten. 

Die Schnitzer

Juristine Perrault wird tot aus dem Zürichsee gefischt. Als die Spurensicherung gerade Perraults Boot unter die Lupe nimmt, taucht Polizistin Grandjean auf. Sie sieht sich die Leiche an und fragt in die Runde, ob das Perraults Boot sei. Eine unnütze Frage, da schon ein Spusi-Ermittler auf dem Boot steht.

Hinter dem neuen Wundermittel Volmelia steht die Chefin von Argon, Dr. Arnold (Laura de Weck). Es stellt sich heraus, dass sie die Entdeckung ihrem Ex-Medizinprofessor, Dr. Gassmann, abgeluchst hat. Dieser will sich mit einer gefälschten Volmelia-Studie bei ihr rächen. Beim Disput bringt der Professor seine ehemalige Studentin – und Geliebte! – um. Als die Polizei eintrifft, liegt Dr. Arnold auf dem Boden, neben ihr eine Blutlache mit ersichtlichen Gehirnresten. Trotzdem beugt sich die herbeigerufene Beamtin zur Leiche herunter und fragt, ob die Tote sie hören könne. 

Das Fazit

«Risiken ohne Nebenwirkungen» gibt sich teils arg klischiert. Auf der einen Seite die Reichen aus der Pharmabranche mit ihren hinterlistigen und teueren Anwälten, die alle teure Autos fahren und an feinster Zürcher Adresse residieren. Dort die sterbenskranke Schülerin Klara mit ihrer Mutter, die sich hingebungsvoll um ihr Kind kümmert und in einem Bullingerhaus lebt.

Lohnt es sich, den «Tatort» nachzuschauen, falls man ihn verpasst hat?

Ja.

Es ist ein handwerklich solider «Tatort» aus Zürich. Kein Mega-Highlight, aber auch kein Abtörner. Habe ich doch beim «Tatort» gucken schon ein paar Mal verzweifelt weitergezappt – diesmal nicht.