Todestag Polo Hofer: Hippie, Popstar, Provokateur

sda / tsch

20.7.2018

Am 22. Juli jährt sich zum ersten Mal der Todestag des Berner Mundartrockers Polo Hofer. Das Fernsehen ehrt ihn, die Schweiz vermisst ihn.

Vater des Mundartrock. Schöpfer von 350 Songs, von denen einige längst Allgemeingut sind. Performer, Polit-Provokateur, Bünzli-Schreck, Gschäftli-Macher und Kalb der Nation. «Polo National» passte in fast jede Schublade - und irgendwie doch in keine.

Der Mann, der am 16. März 1945 als Urs Alfred Hofer zur Welt kam und später seinen Pfadinamen zum Markenzeichen machte, hat die Deutschschweiz jahrzehntelang unterhalten und den Weg für den bis heute boomenden Mundartrock geebnet. «Vor uns gab es ja nur das Trio Eugster», sagte er vor einigen Jahren der Nachrichtenagentur sda.

Polo Hofer, der letzte ausgebildete Handlithograph der Schweiz, änderte das Anfang der 1970er-Jahre gründlich. Inspiriert von den Berner Troubadours um Mani Matter, aber auch von Udo Lindenberg und einem 35-tägigen Gefängnisaufenthalt wegen Sachentziehung gründete er 1971 mit Interlakner Weggefährten die Band Rumpelstilz. Hinter Gittern sei ihm die Idee dazu gekommen, verriet er der «Berner Zeitung». «Wäre ich nicht im Gefängnis gewesen, würde es den Mundartrock so vielleicht nicht geben.» Hinzu kam die Einsicht, dass er in englischsprachigen Songs wohl nie jene Schärfe und jenen Witz erreichen würde, die ihm mit der Hinwendung an den Berner Dialekt gelang.

Hofer, ursprünglich Schlagzeuger, sang nun, wie ihm der Schnabel gewachsen war -, zusammen mit Pianist Hanery Amman prägte er die zugleich ambitionierte und freakige Band aus dem Berner Oberland. Das kongeniale Duo Hofer/Amman schrieb die meisten Songs. Gassenhauer wie «Kiosk» und «Teddybär» sorgten für Aufsehen.

Für viele Schweizer waren Rumpelstilz wohl einfach «glatti Sieche» und schräge Vögel. Dabei hatten die Berner Oberländer weit mehr zu bieten; sie brillierten als Musiker und schufen zeitlose Klassiker wie «D' Rosmarie und i», «Die gfallene Ängel» oder «Es Blatt im Wind».

Polo Hofer selber tanzte schon damals auf vielen Bühnen. So kandidierte er 1971 mit den «Härdlütli» fürs Berner Stadtparlament. Dank Nackt-Plakat und schrillem Parteiprogramm holte die Liste tatsächlich einen Sitz.

Widerspenstiger Kiffer

Auch später war Hofer immer gut für ein provokantes Polit-Statement, getreu dem Motto: «Nur ein toter Fisch schwimmt mit dem Strom.» Als überzeugter Kiffer setzte er sich immer wieder für straffreien Cannabiskonsum ein, erhob zudem immer wieder seine Stimme gegen rechtspopulistische Tendenzen.

Rumpelstilz zerbrachen indes an ihrem Erfolg und internen Streitereien, Polo Hofers Popularität tat dies keinen Abbruch. Als Frontmann von SchmetterDing und SchmetterBand setzte er seine Karriere im nationalen Scheinwerferlicht fort, unbeirrt von Eierwürfen während der 1980er-Unruhen.

Hofer erledigte auch viele Auftragsarbeiten, so schuf er die Hymne des Piratensenders «Radio 24» und rief 1987 zum Kampf gegen Aids auf (»Im Minimum e Gummi drum»). Mit stets hochkarätig besetzten Bands nahm er eine Platte nach der anderen auf, er beherrschte den Chilbi-Rock ebenso wie die Ballade. Songs wie «Giggerig» liefen im Radio in Endlosschlaufe.

Volkslied «Alperose»

Über allem aber thront der Song «Alperose» aus dem Jahr 1985. Hanery Amman hatte ihn komponiert, ursprünglich hiess er «Kentucky Rose». Irgendwann geriet der Song in die Hände von Polo Hofer, der ihn mit einem berndeutschen Text versah und zum Gassenhauer machte - und wurde 2006 vom Schweizer Fernsehpublikum zum «grössten Schweizer Hit aller Zeiten» gewählt.

Hofer ging seinen Weg weiter, trat auch aus gesundheitlichen Gründen auf der Bühne etwas kürzer, war aber als Gestalter, Zeichner und Texter umso aktiver. Sein letztes Album erschien im Januar 2016 und hiess «Ändspurt». Polo Hofer konnte sich da schon mit dem Titel «Schweizer des Jahres» schmücken, auch so ein Fernsehpreis, den er in gewohnt geschäftstüchtiger Manier zu Geld machte: Für den Auftritt an der TV-Gala liess er sich eine Entschädigung im vierstelligen Bereich auszahlen.

«40 Jahre Party»

Am offiziellen Festakt auf der Älggi-Alp am 2. Juli 2016 konnte er aus gesundheitlichen Gründen aber nicht teilnehmen. Schon im vergangenen Juni hatte seine Ehefrau Alice Hofer bekanntgeben, der Mundartrocker ziehe sich «bis auf Weiteres» aus der Öffentlichkeit zurück. Noch im Mai war er in einer SRF-Sendung über Bob Dylan aufgetreten. Hofer wirkte schwach und abgemagert. Körperliche Beschwerden hatte er schon länger. «Ich hatte 40 Jahre Chilbi und Party», hatte er schon 2007 nach einer Operation zu Protokoll gegeben. «Das kostet halt etwas.»


«Lasset uns die Feste feiern, bevor wir fallen! Beisset in den Emmentaler und nicht ins Gras, schlucket den Wein und nicht eure Sorgen hinunter. Auf dass die Schweiz so bleibt, wie sie schon immer sein wollte.»


Im Juli 2017 verstarb er im Alter von 72 Jahren nach einer Lungenkrebserkrankung. «Tschou zäme, es isch schön gsy!», hiess es in der von ihm noch mitverfassten Todesanzeige, der ein bizarrer Zwist zwischen der Witwe und Managerin Alice Hofer und den Brüdern des Verstorbenen folgte. Die drei Brüder und Polo Hofers Adoptivsohn publizierten schliesslich eine eigene Todesanzeige, in der sie klarstellten, dass sie die Witwe nicht über die Beerdigung informiert habe. 

Im Rahmen von «Sternstunde Musik» ehrt SRF1 den den wohl grössten Weltstar im Land der Schweizer an seinem ersten Todestag mit der Sendung «Tschou Polo - das Tributkonzert».

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