Kolumne am Mittag Bill Buford auf der Suche nach dem Ursprung der guten Küche

Von Lukas Meyer

13.4.2021

Bill Buford zeigt, wie man ein Omelette mit Kräutern macht.

Youtube/Hanser Verlag

Der New Yorker Journalist Bill Buford fing mit 50 eine neue Karriere als Koch an, die über Italien nach Lyon führte. In seinem Buch «Dreck» schreibt er über seine Erlebnisse und die besten Rezepte.

Von Lukas Meyer

13.4.2021

Wer hat’s erfunden – die Italiener oder die Franzosen? Als Bill Buford in Italien das kulinarische Handwerk lernte, sagte man ihm, Catarina de Medici hätte ihre Köche aus Florenz nach Paris mitgenommen, als sie 1547 den französischen König heiratete. Diese hätten den Grundstein der Haute Cuisine gelegt.

Buford war Redaktor bei der renommierten Zeitschrift «New Yorker», als er anfing, sich vertieft fürs Kochen zu interessieren. Für einen Artikel arbeitete er einige Monate in einem gehobenen Restaurant und merkte, dass ihm das nicht reichte. Er kündigte seinen Job und tauchte in die Welt der Gastronomie ein.

In seinem 2006 erschienen Buch «Heat» (auf Deutsch 2010 als «Hitze») beschreibt er seine Erfahrungen in italienischen Restaurants in New York und in Italien. Dort lernte er bei einer Nonna, wie man Pasta macht, und bei einem Metzger, wie man ein Rind zerteilt.

«Nichts ist wichtiger als die nächste Mahlzeit»

Am Schluss von «Hitze» weiss er: «Ich muss nach Frankreich.» Dort setzt sein neues Buch «Dreck» ein. Kompliziert wird das Unterfangen durch seine dreijährigen Zwillinge und den bürokratischen Albtraum, um für die ganze Familie ein Visum zu besorgen.

Dann ist er aber mit Sack und Pack in Lyon, der «Stadt, in der nichts wichtiger ist als die nächste Mahlzeit». Seine Kinder können bald besser Französisch als Englisch. Buford lernt als Gastschüler am Institut Paul Bocuse, trifft den Papst der Köche sogar persönlich, kocht im Traditionsrestaurant La Mère Brazier – und stellt sich dabei nicht so ungeschickt an, wie er es manchmal beschreibt.

Der 2018 verstorbene Spitzenkoch Paul Bocuse vor seinem Restaurant L’Auberge du Pont de Collonges bei Lyon.
Der 2018 verstorbene Spitzenkoch Paul Bocuse vor seinem Restaurant L’Auberge du Pont de Collonges bei Lyon.
KEYSTONE

Natürlich scheitert er oft, etwa an der vorgeschriebenen Länge von 62,5 Zentimetern für einen Fisch oder an den unvorstellbaren Mengen an Butter: Für einen Kartoffelstock zum Beispiel nimmt man auf ein Kilo Kartoffeln in halbes Kilo Butter.

Das Geheimnis der Vinaigrette

Er lässt sich stets von seiner Neugier treiben, verliert sich auch im hektischen Küchenalltag in kulturhistorischen Überlegungen, etwa am Beispiel der Vinaigrette. Im späten Mittelalter war dies in Frankreich eine braune Sauce, für die Schweinemilz angebraten und dann mit Blut, Bouillon, Safran, Ingwer, Pfeffer, Wein und Essig aufgekocht wurde. Weitere Varianten nehmen statt der Milz einen Schafskopf oder alle vier Mägen einer Kuh.

Im späten 17. Jahrhundert gibt es einen Wechsel, und eine Vinaigrette bezieht sich mehr oder weniger auf das heutige Rezept einer kalten Sauce mit Essig, Öl, Salz, Pfeffer, Peterli und Schnittlauch. Wie das gemacht wird, zeigt Buford mithilfe seiner mittlerweile 13-jährigen Söhne im Video unten.

Bill Buford zeigt, wie man eine Vinaigrette zubereitet.

Youtube/The New Yorker

Ist es der Einfluss aus Italien, wo Gemüse und Salat eine wichtigere Rolle spielen als in der fleischlastigen Küche auf der anderen Seite der Alpen? Eine abschliessende Antwort findet Buford nicht. Die These vom italienischen Ursprung der französischen Küche weisen aber alle entrüstet zurück.

Buford lebt mittlerweile wieder in New York. Zurück in eine Küche will er momentan nicht, wie er der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sagte.

Ein Leben als Farmer in Schweden würde ihn reizen, er sei dazu in Gesprächen mit dem Sternekoch Magnus Nilsson – er glaubt allerdings nicht, dass seine Familie ihn dieses Mal ziehen lassen würde.


Bibliografie: Dreck. Wie ich meine Familie einpackte, Koch in Lyon wurde und die Geheimnisse der französischen Küche aufdeckte, Bill Buford, Hanser Verlag, ca. 40 Fr.


Regelmässig gibt es werktags um 11.30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – sie dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.