Filmfestival Venedig Ein Handkuss für die Frauen der Branche

DPA/fts

7.9.2021

Kristen Stewart hält sich an die Regel, nur Bein oder nur Schulter oder nur Décolletée zu zeigen, Schauspielerin Dakota Johnsons Kleid soll zu durchsichtig gewesen sein: Das Aussehen der Frauen spielt auch in den gezeigten Filmen eine andere, grössere Rolle.

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Derzeit weisen Frauen vor und hinter der Kamera die Männer in die Schranken. Am Filmfest Venedig trumpfen sie auf.

Anya Taylor-Joy, bekannt aus der Netflixserie «Das Damengambit», verkörpert in «Last Night in Soho» so eine Sirene. Blonde Haare, sinnliche Lippen, eine umwerfende Figur. Kein Wunder, dass die Männer von ihr nicht genug bekommen können – und sie bald ausnutzen. Doch muss die junge Frau die Erniedrigungen wirklich über sich ergehen lassen? Nein, findet der britische Regisseur Edgar Wright («Shaun of the Dead») und entfacht in seinem neuesten Werk ein feministisches und blutiges Horrordrama.



Was als stiller Film über die Aussenseiterin Eloise beginnt, entwickelt sich bald zu einem vielschichtigen Grusel- und Rache-Thriller. Die junge Eloise zieht in der Gegenwart für ein Modestudium nach London und findet sich nachts immer wieder im London der 60er-Jahre wieder, wo sie die sexy Sandie sieht. Ob es Träume oder Halluzinationen sind, bleibt erst einmal unklar, entfaltet aber einen ganz eigenen Sog und überrascht mit seinem Mix aus Retroflair und Emanzipation.

«Last Night in Soho» gehört damit zu den Beiträgen bei den diesjährigen Filmfestspielen Venedig, die die lange gültige Rollenverteilung auf den Kopf stellen.

Auch Penélope Cruz liess sich in dem Wettbewerbsbeitrag «Competencia oficial» von Männergehabe nicht beeindrucken. Die Spanierin spielt in der Satire eine Regisseurin, die mit zwei Stars (einer davon verkörpert von Antonio Banderas) drehen will. Die Konkurrenz und das ständige Machtspiel der beiden nerven die Regisseurin schliesslich so, dass sie die vielen Auszeichnungen der zwei Alphatiere kurzerhand in den Schredder wirft.



Hinter den Kameras tut sich im Filmgeschäft ebenfalls einiges. Auch als Regisseurinnen werden Frauen sichtbarer und bringen ihre eigenen Visionen auf die grosse Leinwand.

Eine von ihnen ist die 40-jährige Ana Lily Amirpour, eine US-amerikanische Regisseurin iranischer Abstammung. Ihr Fantasyfilm «Mona Lisa and the Blood Moon» erzählt von einer jungen Frau mit übernatürlichen Kräften. Sie stammt aus Korea, floh einst in die USA und sitzt dort lange in der Psychiatrie. Dann aber kann sie entkommen und trifft in New Orleans eine Stripperin (Kate Hudson).

In «Mona Lisa and the Blood Moon» geht es ebenfalls um den weiblichen Körper als Lustobjekt, um Ausbeutung und Rache. All das inszeniert Regisseurin Amirpour allerdings mit einer eigenen Handschrift aus grellen Bildern und lauter Musik.

Ausserdem spricht sie nebenbei noch politisch und gesellschaftlich relevante Fragen an, feiert das Anderssein und den Zusammenhalt. Ihr Werk sticht damit in mehrfacher Hinsicht aus dem Wettbewerb heraus – nicht unwahrscheinlich, dass die Filmemacherin am Ende des Festivals ihren männlichen Konkurrenten einen der Hauptpreise wegschnappt.