Saarland-«Tatort: Der Herr des Waldes» Gibt es in der Schweiz tatsächlich Waldmenschen?

tsch

5.4.2021

Der zweite «Tatort» mit Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam Schürk (Daniel Strässer) war ein Thriller um Waldmenschen und Soziopathen mit bürgerlicher Fassade.

Ein Jahr nach ihrem Debüt «Das fleissige Lieschen» kam Fall zwei der Devid Striesow nachfolgenden Saarland-Kommissare Leo Hölzer und Adam Schürk in die ARD-Primetime. Die beiden gutaussehenden, aber traumatisch beladenen Jugendfreunde Anfang 30, die sich nach langen Jahren der Trennung im Saarbrücker Polizeidienst wiedertrafen, mussten in «Tatort: Der Herr des Waldes» einen bestialischen Schülerinnen-Mord aufklären. Der geschah im Saarbrücker Urwald – wo auch ein Waldmensch lebte. Gibt es noch solche Höhlenbewohner in der Schweiz?

Worum ging es?

Die Ermittlungen zum Fall der von allen Mitschülern begehrten Jessy – das tote Mädchen im Wald – begannen an deren Schule. Hatte sie einen ihrer Verehrer im Urwald treffen wollen? Im Fokus stand die Klasse von Geschichts- und Philosophielehrer Peter Lausch (Kai Wiesinger), in der sich die Jungs auf unterschiedliche Art nach Jessy verzehrten: der eine als Freund zum Quatschen, ein anderer als aggressiver Anmacher.



Auch Lehrer Lauschs Sohn Clemens (Oscar Brose) stellte sich als Jessy-Fan heraus, doch kaum ein Junge wollte seine Leidenschaft gegenüber der Polizei zugeben. Das Ermittlungsblatt wendete sich, als die Saarländer Kripo in einer Höhle des stadtnahen Urwalds Spuren eines mysteriösen Waldmenschen fand.

Worum ging es wirklich?

«Im zweiten Fall haben wir uns einen Täter vorgestellt, der für die Gesellschaft verloren ist, der nicht resozialisierbar ist, weil er keine Reue empfindet. Das war die Initialzündung», verrät Drehbuchautor Hendrik Hölzemann. «Das Thema der Soziopathie, war der eigentliche Schlüssel zu dieser Geschichte. Dabei sind Sozio- oder Psychopathen nicht per se böse. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist vielmehr, dass sie nicht durch ihr Gewissen geleitet werden – weil sie keins haben. Da wo andere Menschen Empathie fühlen, da rechnen sie, um auf eine adäquate Reaktion zu kommen. Das fand ich unglaublich faszinierend und das ist für mich der Kern des Films.»

Gibt es tatsächlich solche Waldmenschen?

«Waldmenschen» gibt es überall in Deutschland und anderen, dicht besiedelten Industrienationen. Manche von ihnen sind bewusste Zivilisationsaussteiger, andere psychisch labile Menschen oder auch Obdachlose aus der Stadt, die Erdlager oder Tipi dem Schlafen in Hauseingängen vorziehen. In Frankfurt lebte ein Obdachloser, dessen Spur sich Ende der 60er verlor, wohl 40 Jahre allein in einem versteckten Lager im Stadtwald – bis er 2009 mit weit über 70 auf einer Strasse überfahren wurde.



Andere «Waldmenschen» wie der Aktivist Jürgen Wagner alias «Öff Öff» suchen dagegen die Öffentlichkeit und sassen sogar schon in Talkshows. Berühmt ist auch die Geschichte des japanischen Soldaten Onoda Hiroo. Im Glauben, es sei noch Krieg, verblieb er als einziger seiner Einheit auf einer Insel im Südchinesischen Meer. Erst 22 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs entdeckte man den Waldmenschen. Und nur sein ehemaliger Vorgesetzter, der extra zur Insel reiste, konnte ihn davon überzeugen, seinen Posten aufzugeben.

Gibt es Waldmenschen auch in der Schweiz?

Auch in der Schweiz leben Waldmenschen – Obdachlose, Aussteiger, scheue Menschen mit psychischen Problemen. Streng genommen ist das verboten, doch die Polizei lässt sie gewähren, solange nicht Anzeige gegen die Waldbewohner erstattet wird. Für die Stadt Zürich kümmert sich das Team Sicherheit Intervention Prävention (SIP) um solche Menschen, versorgt sie beispielsweise mit Medikamenten. Laut einem Pressebericht von 2017 hatte die Behörde damals Kontakt zu immerhin fünf Waldbewohnern in ihrem Zuständigkeitsbereich.

Was hat den «Tatort»-Macher am «Waldmenschen» fasziniert?

«Was passiert, wenn wir uns von unserem Besitz trennen und nur noch das Nötigste behalten?», fragte sich Drehbuchautor Hendrik Hölzemann. «Es gibt heute eine Bewegung, die das Leben in der Natur und vor allem im Einklang mit der Natur propagiert. Ein Leben ohne Besitz ist sicherlich beschwerlicher – aber ist es auch schwerer? Oder irgendwie vielleicht sogar leichter? Diese Fragen stellen sich erstaunlich viele Menschen, das ist zumindest mein Eindruck.»

Wer ist der gruselige Vater von Kommissar Adam Schürk?

Der 1961 in Ostberlin geborene Schauspieler Torsten Michaelis spielt die wohl eindrücklichste Rolle im neuen Saarland-«Tatort». Eigentlich wirkt der sadistische Vater selbst nach Jahren im Koma und im Rollstuhl sitzend noch gefährlicher als jene Mörder, die pro Krimi-Folge kommen und gehen. Michaelis kennt man noch aus einem anderen «Tatort»: Er spielt Maria Furtwänglers Vorgesetzten in den Charlotte Lindholm-Folgen.

Bekannter als seine Rollen ist jedoch Michaelis' markante Stimme, die er als Synchronsprecher regelmässig Superstars wie Wesley Snipes, Benicio del Toro oder Martin Lawrence leiht. Auf Computerspiele-Markt mischt Michaelis ebenfalls mit. Auch hier sind düstere Helden wie Max Payne sein Metier.