Stéphanie Berger «Es hat Jahre gedauert, bis die Presse mich nicht mehr als Ex-Miss denunziert hat»

Von Carlotta Henggeler

11.7.2021

Stéphanie Berger, 43: «Entertainerin zu sein, ist ein Job – und diesen auszuführen, vermisse ich sehr.»
Stéphanie Berger, 43: «Entertainerin zu sein, ist ein Job – und diesen auszuführen, vermisse ich sehr.»
Harun Dogan

Die Pandemie hat Comédienne Stéphanie Berger einen Strich durch die Rechnung gemacht. Berger über ihr neues Standbein, den fehlenden Applaus und das Leben mit dem Missen-Stempel.

Von Carlotta Henggeler

11.7.2021

Stéphanie Berger, man kennt Sie als Comédienne und Moderatorin. Neu bieten Sie auch Personal Coachings an. Worum geht es in Ihren Workshops?

Ich habe festgestellt, dass ich nach 25 Jahren im Showbusiness und in der Öffentlichkeit stehen ein grosses Wissen erlangt habe. Mir geht es ums Personal Branding, um Reputation. Frauen liegen mir sehr am Herzen.

Finde ich gut. Das heisst konkret?

Ich wünsche mir, dass wir noch mehr unser Potenzial entfalten und Position beziehen. Uns loslösen von Scham- oder Schuldgefühlen, die in uns verankert sind. Dass in einer Welt, die nach männlichen Prinzipien gelebt wird, auch weibliche Prinzipen Platz haben. Dass wir Frauen wieder in unsere Urkraft kommen. Unsere Weiblichkeit mit allen Attributen ausleben dürfen. Da rede ich nicht von Feminismus. Das hat mit Individualismus und Eigenverantwortung zu tun.

Auch Susanne Kunz bietet Beratungen im Bereich Resilienz an. Drei Freundinnen aus meinem Umfeld sind auch Coaches geworden. Das ist gefragt.

Ich habe immer wieder Coachings in Anspruch genommen. Wir sollten mehr in uns selbst und in Beziehungen investieren als in Erfolg und Reichtum. Diese Pandemie hat gezeigt, dass wir mit Schicksalsschlägen konfrontiert werden, die einem die existenzielle Grundlage nehmen können. Die Frage bleibt, wie gehe ich mit Angst, Einsamkeit und Isolation um? Wo stehe ich? Schaffe ich das? Wir haben einen grossen Spiegel vorgesetzt bekommen. Manchmal hilft ein Gegenüber, um wieder in die Balance zu kommen.

Vor der Pandemie waren Sie mit ihrem Bühnenprogramm unterwegs.

Ich war gezwungen, meine Bühnentour abzubrechen und meine Mitarbeiterin zu entlassen. Das war ein harter Schlag. Die Konsequenz ist, dass ich vorerst nicht wieder auf die Bühne zurück kann. Das tut weh, war «Aufbruch» meine bisher beste Comedyshow. Ich brauchte ein Jahr, um diesen Trauerprozess durchzumachen, zu akzeptieren und jeden Widerstand aufzugeben. Das war nicht einfach.

Eine schwierige Lage für Sie als Künstlerin, für Ihre Branche.

Ich war als Comédienne erfolgreich und das wurde mir nicht geschenkt. Ich habe meine Karriere vor einem zwölfköpfigen Publikum begonnen und vor Corona spielte ich ausverkauft in bis zu 400er-Sälen. Dazwischen liegen 15 Jahre. Es war kein einfacher Weg und ich habe alles investiert. Zeit, Energie, Herzblut und auch viel Geld. Jetzt gab es einen brutalen Bruch und es ist noch lange nicht ausgestanden. Wenn man bedenkt, dass es eine komplette Marktübersättigung geben wird, weil alle Künstler*innen aus jeder Branche auf Tour sein werden, ist es schwierig, überhaupt noch medial präsent zu sein. Und das braucht man nach wie vor, um Tickets zu verkaufen.

In dieser Zeit vorauszublicken, ist unmöglich. Doch einen positiven Aspekt gibt es schon, Sie haben sich neu erfunden und bieten Beratungen an.

Ich habe mich erweitert. Ich habe lediglich mein Wissen zusammengefasst und biete es nun an, wenn «man» seinen Selbstwert definieren, sicheres und souveränes Auftreten «haben» möchte und eine Portion Schlagfertigkeit. Gerade für uns Frauen in Bezug auf Sexismus sehr wichtig.

Dass Sie breit aufgestellt sind, ist ein Vorteil.

Diversität ist immer gut. Seit 25 Jahren bin ich als Moderatorin gefragt und es kommen auch langsam wieder Aufträge rein. Comedy werde ich aber auch weiterhin machen, dies exklusiv für Firmenanlässe und Events. Darauf freue ich mich sehr!

Fehlen Ihnen dann nicht die grosse Bühne und viel Publikum?

Natürlich! Aber ich giere oder definiere mich nicht über den Applaus. Entertainerin zu sein, ist ein Job – und diesen auszuführen, vermisse ich sehr. Mir fehlt es an Wertschätzung und Erfolgserlebnissen. Fürs Wäschewaschen habe ich noch nie Applaus bekommen (lacht)

Stimmt. Und was machen Sie jetzt?

Geduld und Durchhaltevermögen sind gefragt. Damit kenne ich mich aber bestens aus.

Hier das ganze Interview mit Stéphanie Berger.

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Sie sind jetzt Coach, Comedienne, Schauspielerin und waren schon Sängerin. Eine Wundertüte – oder wie definieren Sie sich?

Als international. Was ich mache, ist in Amerika Anforderungsprofil. Da ist jeder Schauspieler, Sänger und Tänzer. Bei uns ist Multitasking noch nicht so verbreitet. Ich bin nicht Expertin, ich bin Generalistin und ich habe mich in allem in ein hohes Level weiterentwickelt. Mit viel Disziplin und Demut. Ich wollte immer aus dieser Diversität schöpfen. Das hat sich in meinen Shows widergespiegelt mit Tanz, Gesang, Comedy und Schauspielerei, da ist alles zusammengekommen. Eben eine Show! Das hat mich erfolgreich gemacht.

«Fürs Wäschewaschen habe ich noch nie Applaus bekommen.»

Ich kann mir vorstellen, dass es hart war, sich zu beweisen. Gerade mit dem Missen-Stempel.

Ich hatte jahrelang das Gefühl, mich beweisen und überzeugen zu müssen, dass eine schöne Frau auch lustig sein kann. Schon als Kind hatte ich die sogenannten Funny Bones. Aber Talent hilft nur am Anfang. Dann gilt es, das Talent in Können zu wandeln, und danach muss es professionalisiert werden. Und dieser Prozess hört nie auf. Es hat über zehn Jahre gebraucht, bis die Presse mich als Comédienne anerkannt und meinen Beruf nicht als Ex-Miss denunziert hat.

Miss Schweiz 1995, Schauspielerin, Moderatorin, Comédienne und Sängerin. Respekt.

Ja, da kommt schon viel zusammen. Auf meiner neuen Website habe ich meine 25 Jahre zusammengestellt. Da kommt schon der eine oder andere Leistungsausweis zusammen. Eine schöne Reise in die Vergangenheit. Und ich bin sehr zufrieden mit meiner Reputation. Die ist mir wichtig. Wie werde ich bewertet? Und mir sind Respekt, Empathie und Freundlichkeit sehr wichtig. Ich will und muss aber auch nicht Everybody's Darling sein.