Interview Gary Oldman: «Vielleicht nimmt mich Elon Musk mit ins All»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

19.3.2021

Gary Oldman konnte sich dank «Mank» erneut eine Oscar-Nomination sichern: Der Film gibt Einblick in das Leben von Drehbuchautor Herman Mankiewicz und in die Entstehungsgeschichte des Hollywood-Klassikers «Citizen Kane».

Von Marlène von Arx, Los Angeles

19.3.2021

Gary Oldman, Sie spielen in ‹Mank› Herman J. Mankiewicz, den Drehbuchautor des Hollywood-Klassikers ‹Citizen Kane› – ein Film nur für Cineasten?

Nein, nicht nur, die Faszination mit Hollywood und Prominenten ist ja universell. Filmfreunde werden Sachen entdecken, die vielleicht nicht für jeden ersichtlich sind. Aber man braucht kein Experte zu sein. Ich habe beispielsweise auch keine Ahnung, wie die Figuren in den Marvel-Filmen alle zusammenhängen, und unterhalte mich trotzdem gut dabei.

Wie würden Sie den gefragten Drehbuchautor, kurz ‹Mank› genannt, beschreiben?

Er war ursprünglich ein schlagfertiger Reporter, dessen Ziel es war, eines Tages einen ganz grossen Roman zu schreiben. Er ging des Geldes wegen nach Hollywood und erlag dem Sonnenschein, den Häusern mit Swimmingpool und dem Alkohol. Ich glaube, es war Billy Wilder, der sagte: ‹Wenn man mal den Swimmingpool hat, haben sie dich in der Hand.› Seine Kreativität wurde unterbunden und mit der Zeit hasste er die ganze Filmindustrie.

‹Mank› ist relativ oft betrunken. Wie versetzen Sie sich in diesen Zustand?

Es ist ja kein Geheimnis, dass ich ein Alkoholiker war. Jetzt führe ich diesbezüglich ein keusches Leben und bin seit fast 24 Jahren trocken. Aber ich kann mich daran erinnern, wie es war. Als Schauspieler kann ich also das sogenannte Sinnes-Gedächtnis aktivieren.

Weshalb haben Sie damals aufgehört zu trinken?

Ich musste es, um mein Leben zu retten. Alles, was mich in den letzten über zwanzig Jahren erfreut hat, ist direkt an diesen Entschluss geknüpft. Den Alkohol wegzustellen, war das Mutigste und Grossartigste, was ich in meinem Leben je getan habe. Für ‹Mank› konnte ich jedoch die Erinnerung an zuvor nutzen.

Sie setzen Ihre Figuren also anders um als Christian Bale, der seine Rollen vorübergehend lebt. Er ist ein grosser Fan von Ihnen und fragte Sie um Rat, als er Dick Cheney spielte. Er war überrascht, dass Sie für die Rolle von Winston Churchill nicht zugenommen hatten, sondern sich vom Kostüm-Department polstern liessen …

Stimmt, für Churchill habe ich keine solchen Aufwände betrieben. Aber, oh Ironie des Schicksals: Diesmal rief ich Christian an und fragte nach seiner Diät, weil ich für Mank ein bisschen Fett ansetzen wollte. Ich wollte diesen Whiskey-Trinker-Bauch … aber jetzt habe ich Mühe, das Fettpolster unter dem Kinn wieder loszuwerden. Ein Doppelkinn zu bekommen, war einfacher!

«Den Alkohol wegzustellen, war das Mutigste und Grossartigste, was ich je getan habe »

Es heisst, Regisseur David Fincher habe bei der Dinner-Szene im Hearst Castle an die 100 Takes gedreht, was Sie etwas viel fanden. Was stimmt daran?

Ich glaube, diese Anekdote stammt von Charles Dance, der William Randolph Hearst spielt. Vielleicht macht man 30 Takes und dann sagt auf dem Set sicher einer, ‹das haben wir doch jetzt schon hundertmal gemacht›. Die Dreharbeiten dauerten 60 Tage. Wenn wir wirklich 100 Takes gedreht hätten, wäre ich jetzt noch auf dem Set. Ich war für zwölf Stunden am Tag angestellt und dazu da, der Vision von David Fincher zu dienen – da ist es mir eigentlich egal, ob wir in dieser Zeit 20 oder 150 Takes machen. Und zudem wurde die Szene ja aus allen möglichen Winkeln gedreht, was technisch immer neue Set-ups braucht. Deshalb dauerte es fünf Tage, bis die Szene im Kasten war. David Fincher verschwendet keine Zeit, das kann ich versichern.

Hat er Sie deshalb nicht in eine aufwendige Maske gesteckt? Sie gleichen ja dem richtigen Mankiewicz nicht sehr …

Stimmt, man sagt auch, ich sei zu jung für die Rolle, denn wenn man Bilder von Mank sieht, denkt man, er sei siebzig, dabei war er erst fünfzig. Aber der Alkohol und das Rauchen haben ihn wirklich verwüstet. David wollte, dass ich mich nicht hinter einer falschen Nase oder einer Perücke verstecken konnte. Er wollte mich roh und nackt und keinen Schleier zwischen mir und dem Publikum. Ich wehrte mich zuerst ein bisschen dagegen, aber dann sah ich, dass er recht hatte. Und eigentlich ziehe ich es ja vor, wenn ich mich frei bewegen kann und am Morgen nicht mehr machen muss, als mit dem Kamm durch die Haare zu fahren.

Also alles in allem eine positive Erfahrung für Sie mit Fincher?

Oh ja. ‹Mank› ist wie in der englischen Premier League Fussball spielen. Ich kenne David Fincher seit zwanzig Jahren, aber wir haben nie zusammengearbeitet. Jetzt kann ich es endlich abhaken. Wie steigere ich das noch? Vielleicht wenn mich Elon Musk in einem Raumschiff irgendwohin mitnimmt (lacht).

Echt? Sie wollen in den Weltraum? Tom Cruise soll nächstes Jahr in der International Space Station drehen …

(grinst) Oh, ich denke, dass ich so bald nicht ins Weltall reise. Weiter als Palm Springs will ich eigentlich gar nicht.

Momentan sind Sie jedoch in London. Wie kommen Sie mit den Restriktionen aufgrund des Coronavirus zurecht?

Mein Covid-Leben ist ziemlich ähnlich wie mein normales Leben, wenn ich nicht arbeite. Dann gehe ich auch nicht oft aus dem Haus. Ich bin fast so etwas wie ein Eremit. Es dauerte vier Monate nach Beginn der Pandemie, bis ich überhaupt mal bis zum Gartentor ging und die Strasse raufschaute. Ich wollte meine Frau zum Supermarkt begleiten, aber weil ich der bin, der arbeitet und das Geld verdient, meinte sie, ich soll besser zu Hause bleiben. Das machte mir auch nichts aus, denn wie gesagt: Ich schliesse mich auch sonst über längere Zeiten weg.

«Mank» ist auf Netflix abrufbar.

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