Musikprofessor erklärt Die Tücken und Chancen von Live-Konzerten über das Internet

blue Redaktion

12.1.2021

BLAY, Flavie Léa (Mitte), Joel Goldenberger (2.v.r.) und weitere helvetische Nachwuchstalente liefern morgen Mittwoch in einem Live-Experiment das Konzerterlebnis per Stream direkt nach Hause.
BLAY, Flavie Léa (Mitte), Joel Goldenberger (2.v.r.) und weitere helvetische Nachwuchstalente liefern morgen Mittwoch in einem Live-Experiment das Konzerterlebnis per Stream direkt nach Hause.
zVg

Am Mittwoch spielen BLAY und Newcomer*innen ein gemeinsames Livekonzert im Internet. Worauf müssen Künstler dabei achten? Ein Musikprofessor gibt Tipps.

Ein Konzert, verschiedene Künstler und Bühnen in der ganzen Schweiz verteilt: Diesen Mittwoch, 13. Januar, startet Swisscom mit «Switzerland Connected» um 18 Uhr ein digitales Livestream-Konzert im Grossformat. Mit dabei sind die Hauptacts BLAY, sie performen mit Newcomer*innen aus dem ganzen Land. So ist zum Beispiel Joel Goldenberger, der Gewinner der ersten Episode von «Sing It Your Way», aus Bern zugeschaltet. 

Die Proben laufen auf Hochtouren. BLAY erzählen, wie das Livekonzert funktionieren soll.

Sind Internetkonzerte wie diese die neue Zukunftsmusik? Matthias Ziegler beantwortet diese Frage. Der Zürcher ist Musiker, Professor an der Zürcher Hochschule für Künste und Experte in Sachen virtuelle Konzerte. 

Herr Ziegler, sie spielten Ende 2020 ein Konzert mit Künstlern aus Barcelona, Kalifornien, Chicago, Luzern und New York über das Internet. Wie ist es gelaufen?

Matthias Ziegler: Es war ein gutes Konzert und es hat alles reibungslos gut funktioniert. Aber am Schluss entscheidet, welche Internetleitung wir nutzen nach Amerika. Wenn wir zwischen Universitäten musizieren, nutzen wir Internet 2, das über das Cern in Genf läuft. Das ist viel schneller und störungsfreier. Da spart man Millisekunden, die sind viel wert, wenn man Musik macht. Ich habe zu Hause eine Kupferleitung mit 30 MB Upload, das reicht meistens. Doch zwischendurch komme ich an die Grenze und dann gibt’s Ausfälle.

Inzwischen sind Sie ein Experte für virtuelle Konzerte in der Schweiz und in Forschungsprojekten zum Thema beteiligt.

Genau. Im Projekt Virtual Concert Hall, das ich unter dem Patronat von Pro Helvetia veranstaltet habe, spielten alle Musiker und Musikerinnen von ihrem jeweiligen Wohnort aus. Diese Standorte mussten einander visuell angeglichen werden (das Licht, der schwarze Hintergrund und der Holzboden), damit der Beteiligte VJ die drei Einzelbilder zu einer Bühne zusammenfügen konnte.

Matthias Ziegler spielt Flöte in der Mitte. Ziegler über digitale Konzerte: «Auch gab es im letzten halben Jahr einen enormen Innovationsschub. Im Umgang und im Verständnis mit neuen Perfomance-Formaten.»
Matthias Ziegler spielt Flöte in der Mitte. Ziegler über digitale Konzerte: «Auch gab es im letzten halben Jahr einen enormen Innovationsschub. Im Umgang und im Verständnis mit neuen Perfomance-Formaten.»
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Wie kamen Sie überhaupt dazu, Musik über das Internet zu machen?

Über Musiker, die ich kenne, aus San Diego, die ich auf Tourneen kennengelernt habe. 2009 war ich wieder einmal in Amerika, da erzählte mir Marc Dresser, ein Kontrabassist, dass sie angefangen haben, Konzerte über das Internet zu machen. Das hat mich sofort fasziniert, ich war als Jugendlicher leidenschaftlicher Amateur-Funker (lacht). Mein erstes telematisches Konzert war dann 2013. Das Ganze braucht viel Vorlaufzeit und ist sehr komplex.

Wie steht die Schweiz im Vergleich zum Ausland da?

Unsere Hauptpartner sind die Stanford University und die University of San Diego (UCSD). Doch auch der ganze asiatische Raum ist sehr weit, allen voran Singapur, Hongkong und Südkorea. Neben den Universitäten ist es die Unterhaltungsindustrie, die weit fortgeschritten ist.

Nun sind Sie ja nicht Techniker, sondern vor allem Künstler. Wie erleben Sie solche Konzerte als Musiker?

Mein erstes Konzert war für mich sehr intensiv, das war ein Trip. Es läuft alles über das Gehör, ich hatte das Gefühl, zu antizipieren, was von der anderen Seite kam. Das ist ein ungeheurer Boost fürs Gehirn, das war eine Grenzerfahrung. Wenn man nicht den Fehler macht, dieselbe Musik spielen zu wollen, wie wenn man physisch zusammen im Raum ist. Wir spielen freiere Sachen und improvisieren viel.

Was hat sich durch das Coronavirus verändert?

Das Verständnis für was wir machen ist nun da. Ich muss mich niemandem mehr erklären. Und es sagt auch niemand mehr: Ich mache halt lieber direkt auf der Bühne gemeinsam Musik. Auch gab es im letzten halben Jahr einen enormen Innovationsschub. Im Umgang und im Verständnis mit neuen Perfomance-Formaten.

Was raten Sie Menschen, die über das Internet Kunst und Musik machen wollen?

Man muss das Ganze in etwas Neues transformieren, sonst hat man verloren, echt verloren. Wenn man der Asymmetrie der getrennten Räume gerecht wird, ergibt sich ein Konzerterlebnis. Es ist etwas Neues, ein kontinuierlicher Raum, der entsteht. Es braucht ein Verständnis für das Tool, für die Technik, das nimmt man als Instrument und bespielt es. Es wirft Hierarchien über den Haufen. Das Netz muss man als eigenständiges Medium bespielen, sonst wird man unglücklich.

Wie und wo kann ich «Switzerland Connected» erleben?

Dieser Event wird am 13. Januar 2021 um 18 Uhr live auf www.swisscom.ch/switzerlandconnected, auf bluenews.ch, dem Free-TV-Sender blue Zoom sowie Youtube für die ganze Schweiz zu sehen sein. BLAY performen zum allerersten Mal ihren ersten Song «Denkmal». Die Nachwuchstalente Flavie Léa, Make Plain, Andryy, Vibez, Ben Pavlo, Joel Goldenberger und Miss Kryptonite unterstützen dabei das neue Duo der Schweizer Musik. 

«blue News» gehört zur Swisscom AG.

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