Aufbruch Frischzellenkur: SRF sucht nach dem jungen Publikum 

Von Carlotta Henggeler

21.8.2020

«Viva Volksmusik» mit Nicolas Senn wird abgesetzt. SRF will ein jüngeres TV-Publikum ansprechen.
«Viva Volksmusik» mit Nicolas Senn wird abgesetzt. SRF will ein jüngeres TV-Publikum ansprechen.
SRF

Mit einem Knall stellte TV-Direktorin Nathalie Wappler das digitale Transformationsprojekt «SRF2024» vor. Mit vermehrter Präsenz auf YouTube und Co. und neuen Formaten will man ein jüngeres Publikum anlocken. Bei der Umstrukturierung wird es zu Entlassungen kommen. 

Eine Mammutaufgabe namens «SRF2024» steht Nathalie Wappler und ganz SRF bevor. Denn gestern präsentierte die TV-Direktorin das neue Transformationsprojekt vor und stellte an einer anschliessenden Telefonkonferenz klar: «Bei ‹SRF 2024› handelt es sich nicht um eine Sparübung.» Entlassungen seien aber unvermeidbar.

Das erklärte Ziel: Ein gigantischer Schritt in eine digitale Zukunft, um ein jüngeres Zielpublikum – bei SRF sind das alle unter 45 Jahren – zu erreichen. Dafür lässt SRF nun einige Formate wie «Viva Volksmusik», «Eco» oder «sportaktuell» über die Klippe springen («Bluewin» berichtete). Und was wird alles neu? Eine erste Auslegeordnung.

Neuer Investigativ- und Storytelling-Desk

Dafür wird die News-App weiterentwickelt, mit Fokus auf Audio- und Videoinhalte – vom klassischen Radio und Fernsehen ist in der neuen Strategie nicht mehr die Rede. Ausserdem will SRF das digitale Know-how der Fachredaktionen durch zusätzliche Ressourcen stärken. Und zwei neue Teams entstehen: ein Investigativ-Desk und ein Storytelling-Desk, die beide im Newsroom angesiedelt sein werden. Deren Start ist 2021 vorgesehen.

Der Investigativ-Desk setzt den Fokus klar auf eine digitale Berichterstattung und wird auf Politik- und Wirtschaftsthemen fokussiert sein. Dafür will man vor allem SRF-Angestellte einsetzen. Für den Sprung in die digitale Welt hat SRF für die Mitarbeitenden ein grosszügig ausgestattetes Weiterbildungsbudget eingeplant.

Mehr YouTube, Instagram und Co.

Digitalplattformen stehen neu im Fokus, um ein jüngeres Publikum abzuholen, das kein lineares TV mehr konsumiert. SRF stärkt deshalb die Präsenz eigener Angebote auf Drittplattformen wie Instagram und YouTube. Und zwar mit drei neuen Musikkanälen (Rap/Hip-Hop, Rock/Pop und Volksmusik/Schlager – letztere zwei sind ab 2022 vorgesehen) und einer digitalen Wissensplattform, zu der unter anderem Inhalte aus Natur und Umwelt gehören. Ausserdem wird das Philosophie-Angebot mit neuen YouTube-Formaten erweitert.

Neue Serie, Talentshow, Podcasts, Comedy und Livestreams

Die neue Fiktion-Serie «Tschugger» auf YouTube und «PlaySuisse» richtet sich ebenfalls an ein junges Publikum unter 45 Jahren. Noch weiss man wenig über die neue Serie, die aus dem Wallis kommt. Nathalie Wappler hat die Drehbücher gesehen, sei sehr zufrieden damit. Die Geschichte soll laut Nathalie Wappler lustig sein. 

Eine neue Talentshow mit Gesang, Tanz und Artistik sei in der Pipeline. Bei der Nachfrage, ob es sich um ein Eigenformat oder Einkauf handelt, wollte sich Wappler nicht in die Karten blicken lassen. Möglicherweise pokert SRF noch um die Rechte der Sendung oder befindet sich in einem sehr frühen Entwicklungsstadium.

Im Bereich Audio werden verschiedene Formate zu Podcasts, darunter diverse Musikspecials sowie die Magazine «Trend» und «International». Eine Verschiebung hin zu Podcasts – aktuell geplant «Die Sache mit Liv» und «Cibelius» – soll auch beim Hörspiel stattfinden.

Weiter soll das Schweizer Fernsehen in den sozialen Medien tagesaktuelle Comedy-Inhalte ausspielen.

Zudem wird sich auch das Sportangebot stärker auf die digitalen Kanäle und das jüngere Publikum ausrichten: mit mehr exklusiven Livestreams und zusätzlichen Videoangeboten in der Sport-App.

Auch die Wirtschaftsberichterstattung soll verjüngt werden. «EcoTalk» soll «Eco» ersetzen. Denn auch Wirtschaftsthemen würden die jüngeren Zuschauer und Zuschauerinnen interessieren. Der bisherige Moderator Reto Lipp wird auch weiterhin ein wichtiger Teil des Teams bleiben. 

Manchmal kann ein Virus auch den Einfallreichtum fördern: So wurde während der Pandemie die Sendung «Zäme dihei» erfunden. Dabei schalteten sich Mona Vetsch, Viola Tami oder Marco Thommen in die Wohnstuben der Schweizer und Schweizerinnen. Das Experiment habe gezeigt, dass auch mit geringerem technischem Aufwand spannende Inhalte entstehen können. Diesen Weg will SRF weiterhin gehen, da er sich mit Blick auf die Quoten bewährt habe. Not macht erfinderisch.

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