«The Voice»-Sieger Remo Forrer «Das ist der Traum vieler angehender Musiker»

Von Fabian Tschamper

5.8.2021

Remo Forrer und sein Coach Noah Veraguth sind nach über einem Jahr Corona wieder guter Dinge: Livemusik scheint nicht mehr ganz so weit entfernt wie bis anhin.
Remo Forrer und sein Coach Noah Veraguth sind nach über einem Jahr Corona wieder guter Dinge: Livemusik scheint nicht mehr ganz so weit entfernt wie bis anhin.
Bild: fts

«The Voice»-Gewinner Remo Forrer hatte im vergangenen Jahr ein schwieriges Los. Seine erste eigene Single ist jetzt draussen, sein Mentor Noah Veraguth von Pegasus gönnt es ihm. Doch wie ging es ihnen im vergangenen Jahr als Neuling und Veteran im Musikbusiness?

Von Fabian Tschamper

5.8.2021

Wie sieht’s mit der Corona-Müdigkeit bei euch aus?

Remo: So langsam hat man gelernt, damit umzugehen. Ich bin gespannt, wie es im Herbst und nächstes Jahr mit diesen neuen Varianten weitergeht. Eigentlich geht es aber momentan.

Noah: Für uns Musiker ist die Währung das Livepublikum, der Auftritt, der Applaus. Das konnten wir jetzt eineinhalb Jahre nicht mehr erleben. Ich freue mich, wenn wir wieder auf Tour gehen können.

Was war die höchste Hürde während der Pandemie?

Noah: Umzugehen mit Verschiebungen des Albums, der Tour und das mehrmals. Wir mussten wirklich sehr viel umkrempeln. Die Unsicherheit machte uns zu schaffen. Das war sehr schwierig. Wir haben geprobt, alle zusammengetrommelt, und dann musste ein Gig in letzter Minute abgesagt werden.

Konntet ihr dem Ganzen doch etwas Positives abgewinnen?

Remo: Beim Finale von «The Voice» zum Beispiel wussten wir erst auch nicht, wie es stattfinden wird. Die Spontaneität wurde definitiv gefördert.

Als Musiker soll man auch von Erfahrungen zehren können. Hat euch die Isolation kreativer gemacht oder war es schwieriger, etwas zu schreiben, zu komponieren?

Remo: Ich habe die Zeit genutzt, um die Gitarre besser zu lernen. Wirklich etabliert als Musiker war ich vorher nicht, es hat mich schon kreativer gemacht – schlicht, weil ich mehr Zeit für alles hatte.

Noah: Manche Leute blühen dabei auf, für mich persönlich war das nicht so. Ich kann erst auf dem gewohnten Niveau Songs schreiben, wenn ich Zeitdruck habe. Mein Output war deshalb im Vergleich zu anderen Jahren klein. Songwriting funktioniert bei mir nur mithilfe einer tickenden Uhr. Und die gab es nicht.

Remo Forrer gewann im April 2020 die Schweizer Ausgabe von «The Voice» – genau zu Beginn des Lockdowns.
Remo Forrer gewann im April 2020 die Schweizer Ausgabe von «The Voice» – genau zu Beginn des Lockdowns.
Universal Music

Ihr singt beide auf Englisch. Warum?

Remo: Das hängt bei mir mit dem internationalen Charakter der Sprache zusammen. So kann man viele Menschen erreichen. Englisch ist auch eine Challenge, weil es nicht meine Muttersprache ist.

Klingt es denn auch besser als Schweizerdeutsch oder Deutsch?

Remo: Es ist cool, aber halt etwas komplett anderes.

Und warum sind die Songs von Pegasus auf Englisch?

Noah: Das war nie eine bewusste Entscheidung. Anfänglich haben wir einfach nachgeahmt, was wir am meisten gehört haben. Die Beatles, Oasis, es war normal, das so zu machen. Als Kinder haben wir nicht viel Mundart-Musik gehört.

Seven hat jüngst ein deutsches Album veröffentlicht.

Noah: Sein Hochdeutsch ist seidenfein im Vergleich zu meinem. (lacht)

Remo, dein Song «Let Go» ist sehr introspektiv. Kam das mit der aktuellen Situation?

Remo: Ein bisschen sicher, ja. Die Melodie ging in diese Richtung, das habe ich beim Songschreiben gemerkt. Mir war wichtig, dass die Leute sich damit identifizieren können. Jede*r hat Dinge, die sie loslassen wollen. Ich bin sehr zufrieden mit dem Resultat!

Wie relevant ist es, in einem Song den Nerv der Zeit zu treffen? Schaut man darauf?

Noah: Die Leute sind mittlerweile sehr sensibel, was Authentizität angeht. Sie navigieren dank der Streamingdienste durch die Musikwelt und merken schnell, was konstruiert ist. Klar, Popsongs sollen viele Leute erreichen, authentisch muss es trotzdem sein.

An «Let Go» habt ihr zusammengearbeitet.

Noah: Das war ein sehr bescheidener Beitrag von mir. Ich habe am Ende noch «aufs Maximum reduziert».

Remo: (lacht)

Wie darf ich das verstehen?

Noah: Es gab noch strukturelle Fragen. Manchmal ist der Text zu lang, oder der Song selbst. Einen Song kompakt zu gestalten, das ist eine Stärke von mir – bei aller Bescheidenheit. Ich habe bei «Let Go» Teile herausgeschnitten und auch den Refrain früher platziert.

Wie sieht der Prozess beim Schreiben eines Popsongs aus?

Remo: Da gibt dir wohl jeder eine andere Antwort. (lacht) Wir haben zuerst die Melodie komponiert und danach den Text verfasst. Persönlich habe ich es auch schon umgekehrt gemacht, ich denke, das ist sehr individuell.

Die Länge eines Songs spielt – wie erwähnt – eine Rolle. Gibt es dabei eine Faustregel?

Noah: Es gibt Trends, wie lang ein Song sein darf. Momentan ist es plötzlich wieder unter drei Minuten. Das hat sicherlich mit dem Streaming-Verhalten zu tun, die Leute wechseln schneller. Früher war es knapp vier Minuten und wurde danach immer weniger. Man kann kalt und systematisch an Songs herangehen. Das mache ich manchmal auch. Für mich ist allerdings der Titel entscheidend. Das ist die halbe Miete. Ein interessanter Titel zieht die Hörer*innen an.

Gab es einen Moment bei «Let Go», bei dem du dir an die Stirn fassen musstest?

Noah: Als du ihn geschrieben hast. (lacht)

Remo: (lacht) Das hat es gegeben. Es war mein erstes Projekt, an dem ich mitgeschrieben habe. Da habe ich die Hilfe von erfahrenen Songwritern gebraucht. Wir haben uns mehrfach gefragt: Wie geht es weiter?

Wahrscheinlich hing es auch mit dem Zeitdruck zusammen, den Noah angesprochen hat. Es gab keine Deadline, wir haben uns Zeit gelassen. Vielleicht haben wir uns teils zu viele Gedanken gemacht. Was könnte man hier und dort noch aus dem Song herausholen? In diesen Momenten habe ich Noah kontaktiert: Ich brauche deine Hilfe!

Wie lange dauerte die gesamte Produktion?

Remo: Im September 2020 haben wir uns auf eine erste Session getroffen und im April 2021 waren wir im Endspurt.

Normalerweise gibt es Deadlines. Pegasus, wir brauchen in zwei Wochen einen neuen Song von euch?

Noah: Das gab es früher vermehrt, heute nicht mehr so. Die Produktionsmethoden haben sich verändert: Früher lag der Fokus auf dem Album, heute ist es ein Single-Markt. Die Konsument*innen suchen sich ihre Songs zusammen und Alben sind nicht mehr so relevant wie früher – leider!

Damals hiess es: Wir brauchen zwölf oder 13 Songs für das Album bis beispielsweise Ende August. Im heutigen Markt kommst du monatelang locker mit einer Single klar – das über sechs oder sieben Monate. Einerseits gibt einem das mehr Zeit, seine Songs zu planen, andererseits ist das Konzept eines Albums ein bisschen verloren gegangen.

Um noch auf deinen Sieg bei «The Voice» zu sprechen zu kommen, Remo: Warum haben es Sieger*innen von Talentshows hierzulande schwieriger, sich einen Namen zu machen? Luca Hänni und Beatrice Egli sind dank der Siege in Deutschland gross herausgekommen.

Remo: Das war von Anfang an klar, bevor ich überhaupt entschieden habe, teilzunehmen. Deutschland hat ein ganz anderes Einzugsgebiet. Es gibt da mehr Bewerber*innen, grössere Sendereichweite. In der Schweiz war es eine Premiere eines Privatsenders, der das vorher noch nie so produziert hat. Es war nie ein Thema, dafür nach Deutschland zu gehen. Ich fand es cool, dass es die Schweiz macht – und ich wollte mich hier gegen die Konkurrenz messen.

Du hast vor über einem Jahr gewonnen. Genau zu Beginn der Pandemie. Wie war das überhaupt für dich?

Remo: So eine Talentshow zu gewinnen, ist der Traum von vielen angehenden Musikern. Du bist dabei, hast es weit geschafft und es scheitert an einem Virus. Es war schwierig, mich damit abzufinden. Man kann sich darüber streiten, wie das Finale stattgefunden hat, was man hätte besser machen können.

Schlussendlich bin ich sehr glücklich, dass so viele Leute mich unterstützt und für mich angerufen haben. Auch heute noch sprechen mich Menschen auf der Strasse an und gratulieren. So oder so ziehe ich mein Ding durch.

Also hast du Wege gefunden, dich und deine Musik zu pushen?

Remo: Vielleicht war es sogar besser, ist es während der Pandemie passiert. Ich habe Zeit, meine Songs zu schreiben, komme ins Radio und kann mich selbst pushen. Andere Gewinner*innen werden im ersten halben Jahr nach einem Sieg abgeschossen. Ich kann wenigstens behaupten, ich habe es selber geschafft. Bei mir kann es nur bergauf gehen.