TV-Kritik «Adieu Heimat»: Keine Kleider, dafür Nüsschen

Von Gion Mathias Cavelty

7.9.2020

«Ich will auch ohne Kleider Macadamianüsse anbauen», nimmt sich TV-Experte Gion Mathias Cavelty vor.

Warum schaut der Mensch wirklich Fernsehen? Ganz sicher nicht, weil er sich über irgendwelche aufmerksamkeitssüchtige Deppen amüsieren will, die vor laufender Kamera die idiotischsten Dinge sagen und tun.

Nein: Er schaut Fernehen, weil er immer und immer wieder mit richtig guten Tipps und Inspirationen belohnt wird, die sein Leben von Grund auf verändern können. Zum Positiven, wohlgemerkt.

Ein herausragendes Beispiel für eine von A bis Z inspirierende TV-Sendung ist die Reality-Doku-Serie «Adieu Heimat» auf 3+, deren neueste Folge gestern Abend zu sehen war. Darin geht es um Schweizer, die ihre Heimat verlassen haben, um sich im mehr oder weniger exotischen Ausland eine neue Existenz aufzubauen. Dass das erfolgreich gelingen kann, zeigt «Adieu Heimat» aufs Eindrücklichste.

Der spottbillige Lebenstraum?

Da ist zum Beispiel ein junges Auswandererpaar aus Bern, das in Paraguay mit dem Verkauf von selbstgezüchteten Macadamianüssen durchstarten will. «Holy moly!», mag man sich da zuerst einmal denken und sich 300-mal kräftig an den Kopf schlagen. Zwei Schweizer vom Typus «lieber Tscholi», die auf einem Markt in irgendeinem Kaff im paraguayischen Nirgendwo ein paar Nüsschen an asiatische Touristen verkaufen wollen – kann das wirklich gut gehen? Es kann absolut! Denn im Ausland sind die Lebenshaltungskosten ja spottbillig. Herzliche Gratulation zu diesem genialen Plan! Wie hoch war der Erlös am ersten Verkaufstag? Zwei Franken? Fünf Franken? Egal – zum Glück kann Mike «zwischenzeitlich zurück in die Schweiz, um Geld zu verdienen» (Zitat Off-Sprecher).

Die weitaus interessantesten Auswanderinnen sind allerdings die dem hiesigen Trash-TV-Publikum bestens bekannten jungen Damen Mia (24) und Bellydah (29), beide ehemalige Kandidatinnen bei «Bachelor». In der Folge von letzter Woche konnte man ihnen dabei zuschauen, wie sie gemeinsam ins spanische Lloret de Mar aufbrachen, wo Belly ein Party-Praktikum (sic) beim berühmt-berüchtigten deutschen Partyveranstalter Don Francis antreten wollte. Zitat Belly: «Scheiss uf Schaffe! Ich will eifach Party mache zum Läbe!» Sympathisch!



Nun: Dieses Praktikum beendeten die beiden schon am ersten Abend, ohne Don Francis Adieu zu sagen (Zitat: «Oops! Simmer eifach abghaue? Oops!»). War das klug? Natürlich! Denn es kann nur besser werden!

Es kann nur besser werden. Das ist der wichtigste Satz aller Zeiten. Bitte dick hinter die Ohren schreiben.

Von «Adieu Heimat» kann man aber auch sonst noch ganz viel lernen. Etwa das Folgende:

– Seien Sie immun gegen alle guten Ratschläge!

– Je weniger Sie über das Land wissen, in das Sie auswandern wollen, desto besser!

– Je weniger Sie können, desto besser!

Wie sonst ist es zu erklären, dass Mia und Belly nach dem abgeblasenen Party-Praktikum dermassen schnell wieder bis ganz nach oben kamen? Sprich: Mittels Autostopp (GUT – es dauerte ein Weilchen, bis endlich ein Autofahrer anhielt) von Lloret de Mar nach Barcelona gelangten? Dort in einem absolut erstklassigen Hotel unterkamen (GUT – erstklassig ist relativ ...)? Und Mia es gelang, mittels ihrer weltumspannenden Kontakte gleich einen Job klarzumachen (GUT – einzige Voraussetzung dafür scheint zu sein, möglichst wenig Textilien am Körper zu tragen, siehe Foto in der obigen Bildstrecke)?

Party von morgens bis abends. Ohne Kleider. Zum Zmorge, Znüni, Zmittag und Znacht je ein Viertel Macadamianüsschen. Es wäre das Paradies! Auf in die Ferne! Was hält Sie noch zurück?

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