TV-Kritik «Donnschtig-Jass 2020»: Desinfektionsspray auf dem Ballenberg

Von Gion Mathias Cavelty

3.7.2020

TV-Experte Gion Mathias Cavelty schaut sich nach einem Jahr wieder mal den «Donnschtig-Jass» an. Spass geht irgendwie anders.

Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber ich vermisse Roman Kilchsperger bei SRF immer noch ganz, ganz fest. Vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle geschrieben: «Roman Kilchsperger, komm zurück!», und hätte diesem Wunsch gerne noch drei Ausrufezeichen mehr angehängt.

Der Grund? Die erste «Donnschtig-Jass»-Ausgabe mit dem neuen Moderator Rainer Maria Salzgeber, ein Mann wie ein «Knäckebrot», wie ich damals schrieb.

Habe ich dem Mann, der sich gern «Salzi» nennen lässt, Unrecht getan? Ist er heute, mit dem Start des «Donnschtig-Jass 2020», ein Anderer – ein Lockerer, Spontanerer, Nahbarerer – geworden? Einer, dem man grölend zuprosten und krachend auf die Schultern hauen möchte? So ein richtiger Jass-Kumpel halt? Wollen wir mal schauen! In wenigen Sekunden beginnt die Sendung. Toi, toi, toi, Salzi! 3 – 2 – 1 … los geht’s!

Erster Eindruck: Die aktuellen Corona-Umstände spielen Salzi wahrlich nicht in die Karten, zwingen sie ihn doch, noch mehr Distanz zu Gästen und (stark dezimierten) Publikum zu wahren als sonst schon. Isoliert hält er seinen Begrüssungsmonolog auf einem Brunnen sitzend, der auf dem Ballenberg vor sich hinplätschert (die sieben Corona-«Donnschtig-Jass»-Folgen werden live vom Areal des Freilichtmuseums aus übertragen).

Panischen Abstand

Zu Stargast Christian Stucki hält er fast schon panisch 1,50 Meter Abstand ein und kleidet diesen Umstand raffiniert in ein Witzchen: «I bin gottefroh, wenn de Schwingerkönig Abstand het!»

Im «Donnschtig-Jass» treten dieses Jahr jeweils zwei Familien gegeneinander an. Zum Auftakt sind das die Familien Kolb aus Affeltrangen/TG und Mathis aus Malters/LU, alle Mitglieder sind absolute Prachtschweizer, treiben Sport («Drei Söhne! Drei Schwinger!») und musizieren («S-Horn»), dass es eine einzige Freude ist. Weniger erfreulich ist der Pokal, den die «Beste Jassfamilie der Schweiz» in der letzten Folge in die Höhe stemmen darf. Man ist es sich ja gewohnt, dass Pokale hässlich sind, aber dieser hier … au Backe (siehe Foto in der obigen Bildstrecke).

Am Jasstisch spritzt sich Salzi vor Berühren der Karten aus einem weissen Plastikfläschchen brav Desinfektionsmittel auf die Handflächen und reibt diese dann ausgiebig aneinander («Natürlich halted wir isch a d Vorgabe vum Bundesrat»). Steril jassen – sicher ist sicher, und so ist es Salzi sichtbar wohl.

Die Jasser spielen hervorragend; als wahrer Sonnenschein wird die Fünftklässlerin Arria Kolb als Telefonjasserin in die Annalen des «Donnschtig-Jass» eingehen. Atemberaubend, wie sie zweimal 0 Punkte macht.

Sonnenschein gibt’s sonst leider nicht viel. Das Wetter meint es die meiste Zeit über nicht gut mit Salzi. Unter einem grossen Regenschirm stiefelt er zwischen den Jassrunden von einem Ort zum anderen und moderiert vor sich hin. Trister Höhepunkt: sein Monolog in einem Gemüsegarten: «Hier gibt es nicht nur Gebäude, sondern auch ganze viele Gärten, in denen man wunderbare Sachen bestaunen kann, die hier angepflanzt werden. Hier ist es zum Beispiel ein Gemüsegarten, in dem man allerlei ernten kann, wenn man denn die Berechtigung dazu hat. Hier sind wunderbare Beerchen (im Walliserdeutschen Original: «Beerlini» oder so ähnlich), die man – ja – probeessen kann, wenn niemand zuschaut.»

Unterhaltung? Sollte geliefert werden durch Francine Jordi mit einer unoriginellen Neuinterpretation des DJ-Antoine-Hits «Ma Chérie», den man als «Bachelor»-Fan schon 100'000-mal gehört hat. Die Stubete Gäng präsentierte einen musikalischen Schenkelklopfer, in dem es ganz ums Jassen ging («'s hät na Platz bi üs am Tisch / Mer nämed jede, so wie-n-er isch / Jetzt gaht's rund / Härz isch Trumpf», Sie können es sich sicher ungefähr vorstellen). Die reizende Fabienne Bamert musste gegen Christian Stucki irgendein Spielchen machen.

Und Stefan Büsser als Pausenclown? Er ist endgültig SRFiziert. In jeder Folge soll er ein «ursprüngliches Handwerk vorstellen, das im Freilichtmuseum Ballenberg praktiziert wird und hautnah erlebbar ist». In der ersten Folge unterhielt er sich mit einem Kräuterkundigen in einem Garten. Auszug aus dem Original-Dialog:

Büsser: Was haben wir hier zum Beispiel?

Kräuterkundiger: Also, hier haben wir etwas, das natürlich alle Zuschauer kennen und du auch, wenn du es an die Nase nimmst.

Büsser: Ja, das ist Pfefferminze.

Ein grosses Bravo!

Was bringt die erste Folge des «Donnschtig-Jass 2020» am treffendsten auf den Punkt? Ich würde meinen: Salzis weisses Plastikfläschchen mit Desinfektionsmittel. Es verströmt den richtigen 2020-Jass-Vibe.

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