Interview Deville: «Politiker sind wie wilde Tiere – am besten Abstand halten»

Von Carlotta Henggeler

17.11.2019

Latenight-Unterhalter Dominic Deville übers Schrauben anziehen für die neue Staffel, Jan Böhmermann und warum er zu Schweizer Politikern Abstand hält.

Ein Büro an der Zürcher Weststrasse ist das Epizentrum des fünfköpfigen Labors um Dominic Deville SRF-Latenight-Show. Im oberen Stockwerk wird getextet, im Untergeschoss stehen Schnittplätze. Die Mokka-Maschine sprudelt und zischt vor sich hin, erfüllt die Denkfabrik mit Kaffeeduft. 

Am Sonntag startet «Deville» in die achte Runde. Ein Wunder, im schnelllebigen TV-Universum. Wie viel redet SRF rein?

Weit weniger als man denken würde. Wir produzieren alles selber, von den Texten bis zum Schnitt. Es gibt eine Verbindungsperson, eine Sitzung und jemanden, der in der Sendung selber sitzt. Am Sonntag wird dann der Rohschnitt abgenommen. In 98 Prozent der Fälle heisst es: ‹Es ist okay so.› Es gab auch schon Fälle, bei denen diskutiert wurde.

Da geniesst Ihr viel Vertrauen …

Ja, am Anfang wurde natürlich alles viel kritischer angeschaut. Nach sieben Staffeln vertraut man uns. Keiner sitzt im Büro und kontrolliert uns.  So, wie das bei Jan Böhmermann der Fall wäre. Die Sendung ist unser Sandkasten, wo wir jede Woche etwas ausprobieren können. 

Der umstrittene deutsche TV-Satiriker Jan Böhmermann kommt in Ihre Sendung. Sind Sie befreundet?

Nein, wir würden auch nicht zusammen mit unseren Kindern in die Ferien fahren, das würde nicht funktionieren – wir sind sehr unterschiedliche Typen. Aber es ist durchaus als eine Art Ritterschlag zu verstehen, wenn Jan Böhmermann in die Sendung kommt. Wenn man schaut, wie viele Interviews er gibt und in wie vielen Sendungen zu sehen ist – das kann man an einer Hand abzählen. Ausserdem verbindet uns eine Erfolgsgeschichte. Jene von Switzerland Second.

Switzerland Second ist eine Art Bewerbung bei Donald Trump per Video. Die Idee wurde von Jan Böhmermann mitinitiiert. Der Clip wurde sagenhafte 12 Millionen Mal in den letzten zwei Jahren aufgerufen.

Ja, das wurde von ihm aufgegleist. Er hat mich letztes Jahr in seine Sendung eingeladen. Auch zu seiner Tour mit dem Rundfunk-Orchester, dort habe ich zwei, drei Lieder auf der Bühne mit ihm gesungen. Da habe ich gesagt: ‹So, jetzt kommst zu mir in die Sendung.› Es ist aber nicht so, dass wir wöchentlich telefonieren. Man ist aber immer wieder in Kontakt und tauscht Ideen aus.

Zum Staffelstart: Gibt es Änderungen am Format?

Wir sind ein wochenaktuelles Format, da finden wir, dass ein Studio drinliegen muss. Jetzt haben wir auch eine neue Titelsequenz gemacht. Und wir senden nicht mehr aus dem Mascotte, sondern aus dem Folium bei Sihlcity.

Und inhaltlich?

Bleibt alles gleich, da werden nur ganz fein die Schrauben angesetzt. Anscheinend mag unsere Zuseherschaft die Sendung so und schaltet ein.

Ist die Schweiz ein guter Nährboden für eine satirische Latenight-Sendung?

Ja, für mich ist es ein sehr guter Boden. Aber uns ist es wichtig, auch über den Tellerrand, also die Grenze hinaus, zu blicken. Es fällt uns schwer, aus einem Tweet von einem drittklassigen Gemeinde-Politiker einen Witz zu generieren, wenn in der gleichen Zeit Staatchefs sich auch äussern und bewegende Sachen machen, dessen Erschütterungen bis in die Schweiz zu spüren sind. Mit Schweizer Politikern planen wir eine neue Rubrik, in der sich Meinungsmacher gegenseitig roasten, also bräteln.

Wie muss ich mir das vorstellen?

Wir sperren zwei Politiker im Keller ein und sie grillen sich gegenseitig. Das wird dann aufgezeichnet. Dafür ist es in der Schweiz super, man kennt sich, hat die Telefonnummer oder weiss, wo man sich hinwenden muss. Oder die Leute abfangen kann. Man trifft sie im Ausgang oder in der Stadt, das ist in der Schweiz sehr schön. Man ist näher am Mensch, an den Politikern und an denen, die Regeln aufstellen.

Nähe kann aber auch schwierig sein. Man kennt sich...

Ja, es ist auch ein Hemmschuh, wenn man sich zu nahe ist und sich immer wieder begegnet. In Deutschland ist das anders, wenn man sich über einen Politiker aus dem Saarland lustig macht, dem man nie begegnen wird. Bei uns einen saudummen Spruch über Jacqueline Badran oder Cédric Wermuth zu machen oder über Köppel abzuledern. Da kann man sich sicher sein, ihnen in den nächsten paar Monaten zu begegnen, das muss man auch aushalten können.

Stimmt.

Ich wahre eine gesunde Distanz zu den Politikern. Es ist wie bei wilden Tieren, am besten immer etwas Abstand bewahren.

Sie sind ursprünglich Kindergärtner. Früher bespassten Sie Kinder, heute Erwachsene.

Ja, nur bei den Kindern hat man den Anspruch, dass sie fürs Leben ausgerüstet sind und etwas davon mit nach Hause nehmen. Das ist bei unserer Sendung keine Pflicht, wär schön, wenn das passieren würde. 

Wir sitzen mitten im Kreativ-Büro Ihrer Latenight-Show. Wie nennen Sie diesen Ort?

Es ist Hauptquartier, das Herzstück, das Flagschiff. In diesem Büro sind wir noch nicht so lange drin. Drei Jahre lang wurde die «Deville» aus Beizen und unseren Küchen heraus geschrieben. Einmal haben wir ein Zimmer gemietet, wo wir mehrmals die Woche zusammengekommen sind.  Jetzt wird hier alles gemacht: Oben wird geschrieben, unten geschnitten, alle Einspieler, alles. Es ist ein Nine-to-five-Job. 

Ein lustiger, aber unsicherer Job. Ihr bekommt von Staffel zu Staffel das Budget von SRF. 

Wir haben keine Jahresverträge. Wir haben aber eine Zusicherung für den Frühling. Das ist allerdings nur eine mündliche Zusage – es kann also alles passieren. Damit muss man leben können. Aber ich rufe immer wieder allen in Erinnerung, die bei uns schaffen: ‹Hey, diesen Job gibt es einmal in der Schweiz. Das wollen alle machen – und wir zehn werden dafür bezahlt.›

Haben Sie einen Wunsch zur Staffel-Premiere?

Diese unbeschadet zu überleben. Dass uns nicht das ganze neue Set um die Ohren fliegt. In der ersten Folge kommen hochkarätige Leute, wie Jan Böhmermann und Lisa Eckhart. Da will ich nicht wie ein Halbschuh danebenstehen und CVP-Witzli reissen, die nicht lustig sind. Wir haben noch viel zu tun: Ich mache bei zwei The-Roast-Folgen mit und wir produzieren den polit-satirischen Jahresrückblick. Alles andere ist wochenaktuell, da können wir nicht wahnsinnig viel vorbereiten.

«Deville – Staffel 8: Episode 1: Late-Night-Show» läuft am Sonntag, 17. November, um 21:45 Uhr auf SRF1. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Das machen die TV-Stars der 80er heute.

Zurück zur Startseite