«Schwarzwald-«Tatort» Ist Erben überhaupt noch zeitgemäss?

tsch

25.4.2021

Im Schwarzwald-«Tatort» vermachte eine Industrie-Patriarchin den Familien-Stammsitz kurzentschlossen ihrer Haushälterin und Gesellschafterin. Geht so etwas überhaupt – und ist Erben heutzutage noch gerecht?

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25.4.2021

Dieser «Tatort» war ein Horrorfilm für alle, die auf ein fettes Erbe hoffen. Könnte es sein, dass die alleinstehende alte Mutter, der Vater noch schnell jemanden heiratet, der oder die dann mitkassiert? Im Falle des neuen Schwarzwald-Falls «Tatort: Was wir erben» ehelichte Pralinen-Patriarchin Elisabeth Klingler-Rathmann (Marie Anne Fliegel) ihre Haushälterin und Gesellschafterin Elena Zelenko (Wieslawa Wesolowska).

Zwischen den beiden älteren Frauen schien tatsächlich eine tiefe Verbundenheit zu herrschen. Kurze Zeit später jedoch der Schock – vor allem für die beiden Kinder und eine Enkelin der betagten Frau Klingler-Rathmann: Elena, ihre neue Gattin, soll den alten Familienstammsitz erben. Geht so etwas überhaupt – und ist Erben an sich überhaupt noch zeitgemäss?

Worum ging es?

Elisabeth Klingler-Rathmann eröffnet ihren beiden erwachsenen Kindern (Jenny Schily, Jan Messutat) sowie ihrer erwachsenen Enkelin (Johanna Polley), der Tochter eines weiteren, verstorbenen Kindes, dass es ein neues Familienmitglied in der Dynastie gibt: Haushälterin Elena.

Die mittellose Osteuropäerin soll den Familiensitz erhalten, übrigens habe man gerade geheiratet. Die «natürlichen» Erben sind entsetzt. Kurze Zeit später stürzt die betagte Dame die Treppe hinunter und verstirbt nach einiger Zeit im Krankenhaus. Im Agatha-Christie-haften «Tatort» wurde gerätselt: Wer aus der Familie hat welches Motiv? Und wer sorgte für den Treppensturz Elisabeth Klingler-Rathmanns?



Worum ging es wirklich?

«Über die Hälfte aller privaten Vermögen in Deutschland stammt mittlerweile nicht mehr aus der eigenen Hände Arbeit, sondern aus Erbschaften», sagt «Tatort»-Drehbuchautor Patrick Brunken. «Es ist eine persönliche, aber zunehmend auch gesamtgesellschaftliche Frage von Haben und Sein, ein Haus zu bauen oder nicht, von Herkunft und Zukunft.

Für Florenz konnte gezeigt werden, dass die meisten Familien der heutigen Spitzenverdiener schon vor 600 Jahren reich waren – und die heute ärmsten Familien schon damals arm.» Am Ende kommt heraus, dass Elena das Kind einer Zwangsarbeiterfamilie war, die unter der «Anstellung» bei der Familie im Zweiten Weltkrieg sehr gelitten hat. Übrigens der zweite «Tatort» nach dem Saarland-Fall «Das fleissige Lieschen», der dies binnen eines Jahres zum Thema macht.

Wie funktioniert das Erben normalerweise?

Existiert kein Testament, greift in Deutschland die gesetzliche Erbfolge. Diese sieht bei verheirateten Personen mit Kindern vor, dass das Erbe zur Hälfte zwischen dem Ehepartner und den Kindern aufgeteilt wird. Wünscht man eine andere Erbfolge, muss man dies in einem Testament festlegen. Das «Enterben» von Kindern oder Ehepartner ist jedoch kaum möglich.

Laut Erbrecht steht den nahen Angehörigen eines Verstorbenen ein sogenannter Pflichtteil am Erbe zu. Anspruch darauf haben Ehegatten, Kinder und – falls Erstere nicht vorhanden – Eltern. Durch das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) können zudem auch eingetragene Lebenspartner den Pflichtteil beanspruchen. Nach dem Erbrecht steht einem Pflichtteilsberechtigten die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils zu.

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Worin unterscheidet sich das Schweizer Erbrecht von dem deutschen?

Die Schweiz beruft sich auf das Wohnsitzprinzip. Das Erbrecht richtet sich also nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. In der Schweiz wird ein Nachlass beim Tod eines verheirateten Erblassers in zwei rechtlichen Schritten abgehandelt. In einem ersten Schritt wird das eheliche Vermögen güterrechtlich entflochten, erst dann findet die erbrechtliche Zuteilung des Nachlasses statt.

Im Gegensatz dazu erfolgt im deutschen Recht im Rahmen der Zugewinngemeinschaft die güter- und erbrechtliche Auseinandersetzung in einem Schritt. In der Schweiz erhebt der Bund übrigens keine Erbschaftssteuer, allerdings die meisten Kantone. Nur der Kanton Schwyz erhebt keinerlei Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Der Kanton Luzern erhebt keine Schenkungssteuer, allerdings werden im Todesfall Schenkungen der letzten fünf Jahre besteuert.

Ist Erben ungerecht – und wenn ja, warum?

Erben zementiert den gesellschaftlichen Status quo und ist zutiefst ungerecht, findet «Tatort»-Autor Patrick Brunken. «Tatsächlich ist das Erbrecht ja, genau betrachtet, ein Sammelsurium rechtlicher Willkür und Absurditäten. Das wäre vielleicht vor allem lustig, wenn es gesamtgesellschaftlich nicht auch zutiefst ungerecht wäre und die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben würde, wie einige neuere Studien zeigen.»

Brunken hat für den Film recherchiert, dass im Falle der Zwangsarbeiter im Dritten Reich viele deutsche Betriebe und Firmen – auch kleine und mittelgrosse Familienbetriebe – durch ebendiese Zwangsarbeiter gerettet wurden. «Ich würde behaupten, dass es viele dieser Betriebe ohne die Ausbeutung dieser Arbeiter und Arbeiterinnen heute gar nicht mehr gäbe.» Nüchtern betrachtet hat Erben in der Tat nichts mit Gerechtigkeit zu tun, sondern mit jenem Glück, in die richtige Familie hineingeboren zu werden. Dies muss man sich bei aller Tradition des Erbrechts tatsächlich bewusst machen.

Wie geht es beim Schwarzwald-«Tatort» weiter?

«Das Geständnis», der achte Schwarzwald-«Tatort» mit Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner, ist abgedreht und befindet sich derzeit in der Postproduktion. Johanna Wokalek («Die Päpstin», «Deutschstunde») spielt eine Frau, die nach vier Jahren Haft wegen Totschlags neu anfangen will. Doch sie wird erneut in einen Tötungsfall verwickelt. Ein Polizist, der ihren Fall neu aufrollen und sie deswegen dringend kontaktieren wollte, ist tot. Regie führte Kai Wessel («Die verlorene Tochter»), das Drehbuch stammt von Astrid Ströher («Lena Lorenz»). Ausgestrahlt wird der Film voraussichtlich erst 2022.