Interview Laura Karasek: Viel mehr als nur ein Böhmermann-Ersatz

Laura Karasek, Tochter des verstorbenen Hellmuth Karasek («Das Literarische Quartett»), drängt ins Fernsehen. Mit einer neuartigen Talkshow auf ZDFneo und einer VOX-Dokureihe über Töchter berühmter Eltern. Was gut ist: Die Frau hat tatsächlich etwas zu sagen!

4.7.2019

Laura Karasek, Tochter des verstorbenen Hellmuth Karasek, drängt ins Fernsehen. Mit einer neuartigen Talkshow auf ZDFneo und einer VOX-Dokureihe über Töchter berühmter Eltern. Und sie hat tatsächlich etwas zu sagen.

Wo war diese Frau all die Jahre? Plötzlich scheint Laura Karasek überall zu sein: in Fernseh-Shows auf diversen Kanälen und als freche Kolumnistin im Internet. Auch als Buchautorin ist die Mutter dreijähriger Zwillinge aktiv. Kam da plötzlich ein Obelix-artiger Zaubertrank um die Ecke, der dazu führte, dass die gelernte Juristin «die Medien» übernehmen will?

Tatsächlich machte Karasek, die sich als moderne Feministin bezeichnet, zunächst mal eine Karriere als Anwältin. Nach einem Spitzenexamen heuerte die Blondine aus einer Familie, in der alle etwas «mit Kultur» machten, in einer der grössten Wirtschaftskanzleien der Welt an. Der Job führte sie von Hamburg über Berlin ins pulsierende, immer mehr angesagte Frankfurt. Dort lebt die 37-Jährige heute mit Überzeugung. Aus der Stadt der Gegensätze – hier treffen Broker auf «Gebrochene» von der Strasse, beschlipste Adrenalin-Junkies aus den Bankentürmen auf echte Drogenabhängige – kommt auch ihre neue ZDFneo-Talkshow «Zart am Limit».

Ab Donnerstag, 4. Juli, wird Karasek sechs Wochen lang Jan Böhmermann auf dessen Sendeplatz mit einem sehr eigenen Talk vertreten. Ab Dienstag, 9. Juli, moderiert Karasek zudem die neue VOX-Selbsthilfegruppe «7 Töchter», in der sich junge Frauen, deren Eltern prominent sind oder waren, mit ihrer Familie auseinandersetzen. Man darf gespannt sein.

Welche Grenzen wollen Sie in «Zart am Limit» austesten?

Vielleicht meine eigenen (lacht)! Nein, «zart» meint, dass wir keinen klassischen Polit-Talk machen, sondern eher über persönliche und auch gesellschaftliche Grenzen sprechen. Wir wollen auch Dinge thematisieren, die vielleicht tabu sind: Sexualität, Formen des Sexismus, Gleichberechtigung. Dadurch, dass wir in einer Bar drehen und sich auch Live-Publikum vor Ort befindet, ist auch Alkohol im Spiel. Wir wollen eine lockere Abendstimmung transportieren. Im Studio könnte ich mir diese Show nur schwer vorstellen.

Wie kann man sich diese Bar vorstellen?

Wir drehen im «Le Panther» mitten im Herzen von Frankfurt. Das ist einfach eine Bar, in die ich selbst gerne gehe – deshalb haben wir sie ausgesucht. Frankfurt ist eine sehr heterogene Stadt mit sehr viel Geld, aber auch armen und ziemlich derben Leuten. Gleichzeitig gibt es dort eine tolle Kulturszene. Ich mochte das immer, weil man hier nicht so festgelegt ist. Das entspricht auch meiner eigenen Philosophie des Lebens. Wir wollten nicht die x-te Talkshow aus Berlin oder Köln machen.

Sie deuten es an, da sind ja schon eine Menge Talkshows. Was wollen Sie anders machen?

(lacht) Man könnte auch sagen, dass es schon genug Bücher auf der Welt gibt. Warum sollte man also noch eins schreiben? Natürlich gibt es schon eine Menge Talks. Aber ich vermisse so ein bisschen ein Gespräch für meine Generation. Also etwa Menschen zwischen 25 und 49 Jahren. Die jungen Talkshows, die ich in den letzten Jahren gesehen habe, waren eher Satire oder reines Entertainment. Und die klassischen ARD- und ZDF-Talks haben doch eine etwas andere Herangehensweise als wir ...

Wie ist Ihre Herangehensweise?

Zunächst mal in der Themenwahl: Soll man kaufen oder mieten? Lohnt sich das Kinderkriegen? Was ist besser: Grossstadt oder zurückgezogenes Landleben? Wie viel Social Media macht unglücklich? Es geht aber auch um die Art und Weise. Wir spielen zwischendurch immer mal ein Spiel, das zum Gast passt. Gäste können sowohl prominente wie auch normale Leute sein. Wir wollen einen feminineren, offeneren Talk probieren als das, was es bisher gab.

Was genau ist ein femininer Talk?

Bei mir wird es nicht so sein, dass ich immer versuche, neutral zu bleiben. Ich werde auch Persönliches von mir erzählen. Ich nehme an den Themen teil und moderiere sie nicht nur. Auch in meinen Kolumnen erzähle ich ja immer viel von mir selbst – und habe immer eine eigene Meinung (lacht). So wird es auch im Fernsehen sein. Feminin heisst für mich zudem: Emotionen sind erlaubt. Wenn man aufgewühlt ist, darf man es bei mir auch zeigen. Ich tue es ja selbst auch.

Würden Sie sich am Feministin bezeichnen?

Ja. Ich bin eine moderne Feministin, die vor allem gegen Rollenklischees arbeitet. Wobei diese Arbeit am besten funktioniert, wenn man sie spielerisch angeht. Insofern passt auch der Talk aus der Bar gut zu mir – für den ich mich übrigens selbst bei ZDFneo vorgeschlagen habe.



Kurz nach «Zart am Limit» beginnt bei VOX ein weiteres neues Format. Bei «7 Töchter» stehen Sie einer Gruppe junger Frauen vor, die mit prominenten Eltern aufgewachsen sind.

Das war eine sehr schöne Anfrage. Es gab ja schon das Format «6 Mütter» bei VOX. «7 Töchter» funktioniert nach dem gleichen Prinzip, dass sich da eine Schicksalsgemeinschaft trifft. Menschen, die ähnliches erlebt haben und deshalb ein starkes gemeinsames Thema haben. Ich war die Älteste dieser Gruppe und die einzige, die schon selbst Mutter war. Daher wuchs ich so ein bisschen in die Moderation hinein. Aber – ich war vor allem Teil der Gruppe. Wir haben schon drei Folgen gedreht und ich muss sagen: Es war eine tolle Erfahrung.

Was genau hat die Doku emotional mit Ihnen gemacht?

Ich war fasziniert und gerührt, weil ich noch nie so offene Geständnisse und kluge Einsichten ins Leben von Promi-Kindern gehört habe. Man spürt das Vertrauen in der Gruppe und den Wunsch, sich auf einer sehr ehrlichen Ebene auszutauschen. Jede Frau hat einen Vater. Jede Frau ist auch eine Tochter – und hat ein irgendwie geartetes Verhältnis zu ihrem Papa. Es bestimmt unser Leben viel mehr, als wir oft zugeben. Insofern war es sehr bewegend, darüber zu reden.

Wie stark prägte der berühmte Nachname Ihr Leben?

Am Anfang kaum. Als Kind nimmt man eine Lebenssituation, in die man hineingeboren wird, erst einmal als normal an. Egal, wie schräg sie ist. Bei uns war sie jedoch gar nicht so schräg. Mein Vater war bekannt in Kulturkreisen, aber er war kein Prominenter. Das änderte sich erst, als er – und ich – schon etwas älter waren. Da war mein Vater regelmässig im Fernsehen zu sehen. Erst beim «Literarischen Quartett», das über die Jahre zum TV-Kult wurde, und dann eben auch bei Sendungen mit Gottschalk, Jauch etc. Später studierte ich Jura, da spielte diese «Show»-Welt gar keine Rolle.

Haben Sie sich als Jura-Studentin oder später als Juristin bewusst vom «Vater aus den Medien» distanzieren müssen?

Bewusst nicht. Es spielte einfach keine Rolle in meiner Welt. Ich hatte immer ein enges, persönliches Verhältnis zu meinem Vater. Wir haben zusammen Gedichte gelesen, sind in die Oper gegangen, haben uns über vieles ausgetauscht. Er hat mir auch viel beigebracht. Sein Promi-Status war mir egal. Ich durfte mal, als ich in Berlin lebte, mit ihm zu einer James-Bond-Filmpremiere gehen (lacht). Das fand ich gut. Und ich konnte als Teenie mal die Backstreet Boys bei der «Goldenen Kamera» kennenlernen – ein Traum! Ansonsten spielte das Promi-Ding überhaupt keine Rolle für mich.

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War Ihre Vater-Tochter-Geschichte anders als die der anderen Frauen in «7 Töchter»?

Jede Vater-Tochter-Geschichte ist anders – und weist Parallelen auf. Ich musste mich, im Gegensatz zu manchen anderen Promi-Töchtern, nie für meinen Vater genieren. Ich schlug nie morgens die «Bild» auf und da stand, dass mein Vater im Drogenrausch nackt mit dem Auto in eine Litfasssäule gerast ist oder Ähnliches. Mein Vater war keine Skandalnudel, das macht das Leben schon mal leichter.

Sie haben drei Brüder, die alle im künstlerischen oder journalistischen Bereich arbeiten. Auch Ihre Mutter ist Literatur-Fachfrau. Waren Sie als Anwältin das schwarze Schaf der Familie?

Ich glaube, dass ich mir mit Jura vor allem selbst etwas beweisen wollte. Es war mir nicht in die Wiege gelegt worden. Das war aber auch, mit 18 Jahren, ein bisschen die Feigheit vor einer Entscheidung. Damals dachte ich: Mit Jura kannst du später alles machen, also erst mal anfangen! Ich dachte, da studiere ich schön lange und hinterher kann ich immer noch auf eine Filmhochschule oder eine Journalistenschule gehen.

Dann allerdings machten sie zwei Prädikatsexamen und landeten in einer noblen Wirtschaftskanzlei in Frankfurt. Rutscht man einfach in so ein Leben rein – und führt es dann eben?

Nein, Jura hat mir schon grossen Spass gebracht. Das Sprachliche fand ich immer faszinierend. Gesetze studieren, analysieren, Schriftsätze anfertigen. Auch Gerichtsprozesse zu gewinnen, hat mir immer einen unheimlichen Kick gegeben. Meine Eltern waren stolz auf mich. Mein Vater sagte immer grinsend, ich sei die Einzige in der Familie, die etwas «Seriöses» tut. Dabei will ich gar nicht so seriös sein...

Haben Sie sich im Kreis der Wirtschaftsanwälte heimisch gefühlt?

 Deren Welt hat mich immer interessiert. Das Konservative, das latent Machistische. Das sind alles Alpha-Tierchen, eine krasse Männerdomäne. Ich habe das Spiel mitgespielt und war auch erfolgreich. Trotzdem blieb ich in dieser Wirtschaftskanzlei oben im 36. Stock ein Alien auf Safari. Für die anderen war das die normale Welt, Kultur und Medien hingegen etwas Exotische. Für mich lag die Sache genau andersherum.

Warum haben Sie nun doch beschlossen, die Safari zu beenden und «etwas mit Medien» zu machen?

Ach, dafür gibt es sicher mehr als einen Grund. Ich war sechs Jahre in der Kanzlei, es war mein erster Job. Wenn man soundso viele Verfahren geführt hat, wiederholt sich Vieles. Ich wollte was Neues. Was wäre als nächstes gekommen? Noch mehr arbeiten und «Partnerin» werden – das hat mich nicht so interessiert. Vor allem nicht mehr, als ich Zwillinge bekam und kurz darauf mein Vater starb.

Aber, es gab einen Übergang. Eine Zeit, in der Sie noch in der Kanzlei waren, aber auch schon in den Medien auftauchten ...

Ja, ich schrieb die Online-Kolumnen beim «Stern» bereits, als ich noch in der Kanzlei war. Das hat dort schon ein bisschen irritiert, so etwas kennt man da nicht. Man fragte sich: Was will sie denn jetzt? Ist sie Anwältin oder Journalistin. Wie gesagt, es ist ein konservatives Umfeld. Damit ging es los. Dann sass ich eben auch mal im Fernsehen, bei «Lanz» oder der «NDR Talkshow» – und ich merkte: Ja, das interessiert mich. Ich spürte plötzlich eine vorgezogene Lebensreue. Nach dem Motto: Ist doch schade, dass du es nicht versucht hast ...

Was wollten Sie denn – in Ihren Träumen – versuchen?

Ich wollte immer zwei Dinge im Leben getan haben: Ein Buch schreiben und eine Fernsehsendung moderieren. Beides habe ich jetzt geschafft, das nimmt schon mal Druck raus (lacht). Man muss machen, wovon man träumt. Nicht irgendwann später, sondern solange man noch Chancen dazu hat. Ich bin jetzt Halbwaise, habe selbst Kinder und bin nicht mehr richtig jung. Jedenfalls nicht mehr so jung, dass man bei allem sagen kann: Ist doch noch Zeit. Ich bin froh, dass ich dies rechtzeitig erkannt habe.

Die ZDFneo-Talkshow «Zart am Limit» läuft ab Donnerstag, 4. Juli, 22.15 Uhr. Ab Dienstag, 9. Juli, 20.15 Uhr, zeigt VOX die «7 Töchter». Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendungen bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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