Kino Nik Hilber: «Es gab Momente, da dachte ich, ich bin wahnsinnig»

Von Carlotta Henggeler

3.11.2019

Ein Jahr hat Regisseur Nik Hilber für seinen neuesten Kinofilm «Bruno Manser» im Dschungel verbracht. Seine Sicht heute über den bekannten Umweltaktivisten und seine Freundschaft mit den Penan. 

«Bruno Manser» ist Niklaus Hilbers abenteuerlichster Kinofilm. Fürs Casting schlug er sich durch den Dschungel und musste die Laien-Schauspieler von seinem Projekt überzeugen – in einer Sprache, die er nicht versteht. Nicht das einzige Hindernis, das der Regisseur («Cannabis») überwinden musste. 

Im Film spielen echte Penan mit, wie schwierig war es, mit dem Nomadenvolk in Kontakt zu kommen?

Das war nicht so einfach, weil sie zurückhaltende und sehr scheue Menschen sind. Bruno Manser war unser Türöffner, sie haben ihn gekannt, und er ist dort noch immer im kollektiven Bewusstsein. Das hat sie sehr neugierig gemacht, obwohl sie keine Berührungspunkte mit der Schauspielerei oder der Filmbranche haben.

Klingt abenteuerlich …

Ja, sehr. Ich habe ein Team aus Fahrern, Übersetzern und Guides zusammengestellt und bin dann losgezogen. In jedem Dorf haben wir uns vorgestellt und den Dorfältesten gefragt, ob wir ein Casting machen dürfen. So haben wir uns Schritt für Schritt angenähert. Bis wir die Leute gefunden haben, die wir gesucht haben.

Auf dieser Casting-Reise, gab es da auch Momente, wo Sie gedacht haben: «Bin ich denn wahnsinnig?»

Die gab es! Oft sogar. Ich musste die Penan auch überzeugen, uns drei bis vier Monate nach Indonesien zu folgen. Wir konnten den Film nicht in Malaysia drehen, weil Bruno Manser dort noch immer ein rotes Tuch ist. Sie mussten nicht nur ihre Heimat verlassen, sondern auch noch vor einem grossen Team aus Europäern und Indonesiern spielen. Der eigentliche Drehort war eineinhalb Tage von ihnen entfernt, nur mit drei Flugreisen zu erreichen. Sie haben Pässe benötigt und Visa.



Ein aufwendiger Dreh.

Ja, und wir mussten die Infrastruktur schaffen. Ein riesen Unterfangen. Sie konnten ja nicht abschätzen, in was für ein Abenteuer sie sich begeben würden. Wir übrigens auch nicht. Das war schon verrückt.

Wie war dann die Zusammenarbeit beim Dreh? Die Penan sind ja keine Schauspieler.

Man muss wissen, wenn Nomaden sich nicht wohlfühlen, sagen sie nichts, sie ziehen sich einfach zurück. Keine einfache Ausgangslage für uns.

Spezielle Ausgangslage.

Doch für uns hat es sich ausgezahlt, dass sie mitmachen konnten. Das hat sie total motiviert. Es ist ihre Geschichte. Sie haben alles für den Film gegeben. Unsere anfänglichen Ängste waren unbegründet.

Sie haben sich für den Film intensiv und umfangreich mit der Bruno Mansers Person befasst. Wie sehen Sie ihn heute?

Er wollte ein Wirtschaftssystem verändern, wie verrückt ist das denn? Man muss ein bisschen naiv sein, gleichzeitig aber auch hartnäckig. Er hat sich 15 Jahre dafür eingesetzt, ohne jeglichen persönlichen Nutzen. Er hat sehr viel geopfert, sein ganzes Privatleben. Damals wie heute finde ich seinen uneigennützigen Einsatz bemerkenswert.

Ist Ihnen das Penan-Volk nach diesem Jahr, das sie gemeinsam verbracht haben, ans Herz gewachsen?

Ja, durch das Casting habe ich sehr viele Penan kennengelernt. Ich habe einen tiefen Einblick bekommen, ich weiss, der ist der Cousin von dem, der andere ist der Bruder von jenem. Es war mehr als nur ein Filmdreh, da hat sich mir eine neue Kultur erschlossen. Ich habe mit Menschen gearbeitet, die mit Bruno Manser an den Barrikaden standen und noch heute den Kampf weiterführen. Das macht das Filmprojekt so real – es ist keine Fiktion.

Manser war ein Umweltaktivist. Hat der Dreh Ihre Sicht auf das Thema verändert, leben Sie ökologischer?

Man erlangt ein besseres Wissen, wie das Wirtschaftssystem funktioniert, die Schuldigkeit als Konsument, als kleines Rädchen. Wir kaufen hier beim grossen Möbelhändler ein Regal, das zum Teil aus Tropenholz hergestellt ist. Wir haben dann das Gefühl, dieses Möbel zu kaufen ist okay, es ist ja zertifiziert. Dass es mehrere Kriterien gibt, die davon ausgeschlossen sind, das weiss man nicht.

Interessant.

Ja. Ausserdem haben mich allgemein die Zusammenhänge des Nomadenlebens interessiert, dass man nur so viel besitzen kann, wie man tragen kann. Das ist ihr Alleinstellungsmerkmal. Sie sind die letzten Vertreter dieser Lebensart, bevor der Mensch angefangen hat, Land zu besitzen.

Was war das Anstrengendste am Dreh?

Die Sprache, ich war ja allein da. Es gab keiner, der die Drehbuch-Kontinuität (Script Continuity) hätte prüfen können, die Indonesier verstehen die Penan nicht. In einer Sprache zu drehen, die einem komplett fremd ist, mit anderem Sprachrhythmus und Sprachgefühl, ist wahnsinnig anstrengend.

Was ist die Hauptmessage des Films?

Es geht um den Druck der Globalisierung auf die Schwächsten.

Der Film feierte am Zurich Film Festival Premiere. Welches Kompliment hat Sie am meisten gefreut?

Das der Penan, es ist ja ihre Geschichte.

«Bruno Manser – Die Stimme des Regenwaldes» läuft ab 7. November in den Deutschschweizer Kinos.

«Reporter – Kino im Urwald» läuft am Sonntag, 3. November, um 20:20 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Die Kino-Highlights im November.

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