Im Check So kurios war der Kieler «Tatort» mit der wilden Rasenmäher-Furie

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3.3.2019

Der Kieler «Tatort: Borowski und das Glück der Anderen» porträtierte eine Frau, die ohne Reue ihren Nachbarn tötete und sich doch nur nach Glück und Aufmerksamkeit sehnte. Fragen stellten sich ohnehin ganz andere – etwa: Kann man mit einem Rasenmäher das Wohnzimmer mähen?

Es ist immer nicht ganz ungefährlich, wenn der Zuschauer den Täter bei einem Krimi frühzeitig kennt, der Kommissar aber nicht. Die Spannung resultierte folglich auch beim neuen Fall des Kieler Kommissars Borowski (Axel Milberg) nicht aus der Frage «Wer war's?» Es ging darum, wie die Polizei die völlig aus den Fugen geratene Peggy würde überführen können.

Worum ging es?

Aufgrund einer kleinen Jubelszene im Nachbarhaus, glaubt die Supermarktkassiererin Peggy fest daran, dass das Paar dort drüben soeben Millionen im Lotto gewonnen hat. Ein Irrtum, wie sich spät im Film herausstellte. Heimlich bricht sie im Nachbarhaus ein, wird dort vom heimkehrenden Ehemann überrascht und tötet ihn. Der Zuschauer weiss das, wie in vielen Krimis des Autoren Sascha Arango, schon von Anfang an. Es ging also nicht um die übliche Frage «Wer war's?», sondern ums alte Columbo-Thema «Wie wird die Täterin überführt?»

Und worum ging es wirklich?

Es ging um die ewige Sehnsucht nach dem Glück, was in diesem Fall für Hauptfigur Peggy bedeutet: die ewige Sehnsucht nach Geld und Anerkennung. Sie fühlt sich übersehen im Leben, was womöglich zum Teil sogar richtig ist, und wünscht sich die Wahrnehmung durch andere. Dass ihr Leben gar kein so schlechtes ist, nimmt sie gar nicht mehr wahr. Ein Phänomen, das in modernen Zeiten auch durchs Internet und die sozialen Medien befeuert wird. Bei Instagram und Facebook postet jeder seine eigene, perfekt bearbeitete kleine Welt mit glücklicher Familie, Traumstränden und Haushund oder -katze. Unglück und Tragik gibt es hier nur selten. Die Folge: Neid auf künstlich kreierte Wunschwelten.

Wer ist die Frau, die Peggy spielte?

So gut wie alles drehte sich in Kieler «Tatort» um diese Frau ohne Gewissensbisse: Peggy, gespielt von Katrin Wichmann. Die 40-Jährige war bislang tatsächlich eher selten im TV zu sehen. Nach ihrem Schauspielstudium widmete sie sich vor allem dem Theater, zunächst in Kassel und Hamburg, später dann in Berlin. Hier war sie in einer Vielzahl von Inszenierungen am Deutschen Theater zu sehen. Aktuell steht sie bei Clemens Meyers «Die stillen Trabanten» auf der Bühne. «Tatort» gab es neben dem aktuellen Kieler Fall bisher nur einen für sie: 2016 stand sie in einer kleinen Rolle für einen Berliner Krimi vor der Kamera. Katrin Wichmann hat zwei Kinder und lebt in Berlin.

Kann man mit einem Rasenmäher das Wohnzimmer mähen?

Ehrlich, wir wissen es nicht. Der Versuchsaufbau erwies sich als zu aufwendig. Sicher ist: So ein Rasenmäher kann eine gefährliche Teufelsmaschine sein. Jährlich soll es laut Wikipedia zu 7'000 Unfällen kommen. Wegschleudernde Gegenstände sind tückisch für den Mähenden. Insofern hatte Peggy Glück, dass sie ihre ungewöhnliche Attacke aufs Wohnzimmer schadlos überstand. Übrigens: Die Dreharbeiten für die Eröffnungsszene des Films dauerten zwei Tage. Ganz ohne Trickserei ging das natürlich nicht. Regisseur Andreas Kleinert räumt ein, dass viele Special Effects genutzt wurden. Schauspielerin Katrin Wichmann erinnert sich mit Freuden: «Ich habe mich richtig verausgabt an diesem Rasenmäher.»

Sammelt Axel Milberg Treuepunkte?

Nein.

Was war der schönste Satz des Films?

Der Preis geht hier diesmal an Klaus Borowski, der auf die Frage, ob er Junggeselle sei, antwortet: «Mir fehlt zum Glück die Frau». Je nach Betonung ist dieser Satz ja auf zwei unterschiedliche Weisen auszulegen. Die Singles unter den «Tatort»-Fans dürften den originellen Oneliner künftig mit Freuden verwenden.

Und was sagt eigentlich der «Glücks-Experte» dazu?

Der studierte Mediziner Dr. Eckart von Hirschhausen hat den Bestseller «Glück kommt selten allein» veröffentlicht und kennt sich also aus. «Glück ist auch ein gesellschaftliches Phänomen. Unglück auch», urteilt er. «Menschen sind soziale Wesen, und gerade der Vergleich mit anderen, der ständige Drang nach mehr Geld, Macht, Wachstum und Konsum macht vor allem eins: unglücklich.» Erhebungen zeigen, dass immer mehr Geld, sofern die Grundversorgung gesichert ist, keineswegs für einen immer grösseren Zuwachs an Zufriedenheit sorgt. Es gehe auch weniger um den Wohlstand an sich in der Gesellschaft, sondern um dessen Verteilung. Hirschhausen: «Das soll jetzt nicht zynisch klingen, aber in Bangladesch gibt es mehr zufriedene Menschen als in Deutschland. Die Armut in Bangladesch ist schlicht gleichmässiger verteilt. Der Mensch vergleicht sich immer mit den Menschen um sich herum. Der Bettler sieht nicht neidisch auf den Millionär, sondern auf den anderen Bettler, der ein bisschen mehr hat.» Den «Tatort» zum Thema fand Hirschhausen «grossartig».

Wie geht es weiter mit den Kieler Ermittlern?

Der dritte gemeinsame Fall von Axel Milberg und seiner neuen Partnerin Almila Bagriacik ist abgedreht. «Tatort: Borowski und der stumme Zeuge» wird noch 2019 gezeigt. Ein achtjähriger Junge berichtet den beiden Kommissaren darin sichtlich verwirrt davon, dass sein Grossvater tot im Wald liege. Doch gefunden wird er zunächst nicht. Niki Stein, der zusammen mit Daniel Nocke auch das Drehbuch schrieb, führt Regie.

Der neuste «Tatort» lief am Sonntag, 3. März, um 20.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie Sendungen bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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