blue Entertainment-CEOWolfgang Elsässer: «Kino ist nicht tot, Kino war nie tot»
Von Lukas Rüttimann
26.4.2023
Floppende Filme, schliessende Säle, Kinobranche in der Krise? blue Entertainment-CEO Wolfgang Elsässer zeichnet ein anderes Bild – und sagt im Interview, wie das Kinoerlebnis der Zukunft aussehen wird.
Von Lukas Rüttimann
26.04.2023, 11:37
Lukas Rüttimann
Wolfgang Elsässer, Filme wie «Avatar – The Way of Water» oder John Wick 4» haben gezeigt: Allen Unkenrufen zum Trotz gehen die Leute nach wie vor ins Kino. Was braucht es, damit sie kommen?
Das Rezept für gute Filme hat sich nicht verändert. Du brauchst tolle Schauspieler, du brauchst ein gutes Buch und in gewissen Fällen eine gute Technik – dann gibt das einen guten Film.
Kino sei tot, hörte man zuletzt. Stimmt das nicht?
Kino ist nicht tot, Kino war nie tot. Seit dem Herbst letzten Jahres stellen wir fest, dass Kino nach der Zwangspause durch die Pandemie definitiv zurück und sehr lebendig ist. Spätestens seit «Avatar 2» sind die Säle wieder voll, und wir sind sehr happy über die gute Entwicklung.
Kleinere und mittelgrosse Produktionen scheinen aber einen schweren Stand zu haben.
Es gibt immer wieder positive Überraschungen auch in diesem Bereich. Wir bringen im Jahr mehr als 200 Filme ins Kino, von denen aus meiner Sicht rund 50 zu einem Kassenerfolg werden. Das Kino ist so unterschiedlich wie die Menschen, letztlich aber lebt es schon primär von den grossen Hollywood-Blockbustern.
Gerade die haben zuletzt Schwächen gezeigt, etwa «Shazam 2» oder der neue «Ant-Man»-Film …
… nun ja, «Shazam 1» war auch nicht der ganz grosse Hit, man muss da schon auch unterscheiden. Ich glaube, einen Kinofilm aus Sicht eines Studios richtig einzuschätzen, das ist heute gar nicht mehr so einfach. Für den Schweizer Markt haben wir sicher ein gutes Gespür, was funktioniert und was nicht.
Das Publikum sei «Superhelden-müde» oder habe die Nase voll von auf politische Korrektheit getrimmte Blockbuster, die penetrant Inklusion propagieren. Spüren Sie das?
Ich persönlich glaube, dass zu viel des Gleichen nie gut ist. Der letzte «Batman»-Film ist ein Beispiel für das Gegenteil – ein sensibler, ungewöhnlicher Superheldenfilm, der die Hardcore-Fanbase nicht unbedingt begeistert hat, dafür aber ein neues Publikum erreichte. Letztlich glaube ich, dass es schon wichtig ist, dass Filme ihrem Publikum eine Message mitgeben. Bei uns jedenfalls laufen Marvel-Filme besser denn je.
Streamingdienste sind ein wichtiger Player geworden. Ist das eher ein Miteinander oder Gegeneinander?
Auf jeden Fall ein Miteinander. Wir kämpfen nicht gegen Netflix; im Gegenteil, wir arbeiten mit ihnen zusammen, zuletzt bei «Im Westen nichts Neues», den wir im Kino gezeigt haben. Den Kampf führen wir – wenn schon – um das Zeitbudget der Kunden. Aber für die grossen Geschichten und Emotionen braucht es auch die grosse Leinwand.
Der Ruf nach Serien im Kino wird immer wieder laut, gerade bei cineastischen Produktionen wie «House of the Dragon» oder «The Last of Us». Ist es denkbar, dass solche Serienhits künftig zum Beispiel mit einem Serien-Montag im Kino gezeigt werden?
Absolut. Natürlich muss man mit dem Studio, respektive dem Lizenzgeber einen Deal finden. Aber wir sind sehr stark daran interessiert, solche Versuche zu unternehmen.
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Dabei müsste man aber auch über Preise reden. Dass Kino zu teuer sei, ist fast schon Allgemeingut.
Unsere Preise sind durchaus elastisch. Wir bieten heute schon attraktive Vergünstigungen und Spezialpakete an. Jeder kann bei uns Member im blue Cinema Club werden und vergünstigt ins Kino gehen. Ich sehe bei uns aber interessanterweise eine gegenläufige Entwicklung: Die Leute wollen Kino als Premium-Erlebnis und leisten sich einen Film im IMAX, der First-Class-Lounge oder in einem 4DX-Film. Aber klar: Schweizer Kinopreise sind anders als in Deutschland oder Frankreich. Doch wir bieten auch einen deutlich höheren technischen Standard.
Die Kinokette AMC hat in den USA einen Versuch mit dynamischen Preisen je nach Sitzplatz unternommen – wäre das auch für blue Cinema eine Option?
Alles ist eine Option. Wir prüfen laufend, was das beste Angebot für unsere Kunden ist.
Immer wichtiger wird Kino als Eventlocation für andere Bereiche als Film, beispielsweise Fussball. Wie beurteilen Sie die bisherige Entwicklung?
Wir wollen unseren Kunden möglichst unterschiedliche grossartige Erlebnisse bieten können. Dazu gehören primär unsere Filme, aber eben auch Sport-Übertragungen mit Fussball und E-Sport-Events. Wir bringen Musik und Konzerte ins Kino, zuletzt etwa Coldplay oder BTS, mit denen wir ein ganz neues Zielpublikum ansprechen konnten. Wir werden künftig auch verstärkt Synergien mit blue Music fördern, etwa via Übertragungen der grossen Schweizer Musikfestivals. In Zukunft werden wir uns noch mehr zu «Multitainment»-Häusern diversifizieren, wobei Kino immer unser Herzstück bei blue Cinema bleiben wird.
In den USA soll Amazon daran interessiert sein, die Kinokette AMC zu kaufen. Mit Amazons Firmenuniversum unter anderem mit Amazon Prime oder Whole Foods ergeben sich da ganz neue Möglichkeiten. Wo liegen für Sie die Grenzen, was im Kino Sinn ergibt?
Wir stecken uns keine Grenzen, im Gegenteil. Ich glaube aber, am Ende sollte es immer um Entertainment und um neue Erlebnisse gehen. Dazu kann meiner Meinung nach auch ein kulinarisches Erlebnis gehören. Bestimmte Erlebnisse können wir mit unseren Möglichkeiten im Bereich Konnektivität besonders gut schaffen. Ich denke etwa an Virtual Reality. Da werden wir im zweiten Halbjahr noch mit der einen oder anderen Überraschung aufwarten.
Das klingt alles enorm positiv. Wie erklären Sie sich den aktuellen Katzenjammer in der Branche, der im Kontrast zu Ihren Aussagen steht?
Aktuell findet tatsächlich eine gewisse Verlagerung statt. Die Kunden schätzen die grossen Entertainment-Häuser mit ihrer breiten Filmauswahl und dem vielfältigen Entertainment-Angebot wie Sportsbar, Bowling oder Gamezones. Wir jedenfalls spüren derzeit absolut nichts von einer Kinokrise.
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