Mit Giorgio Contini präsentiert sich auch im Trainerstaff des Nationalteams ein neues Gesicht. Der Zürcher zeigt von Anfang an, dass er keine Berührungsängste hat.
Man könnte meinen, Giorgio Contini sei schon lange ein Teil des Nationalteams. Im ersten Training in La Manga dirigiert der 50-Jährige selbstbewusst. Er weist «Shaq» lautstark an, dass er hinter der Linie bleiben solle, und erklärt dem fragend blickenden Kevin Mbabu, dass der Ball bei dieser Übung nach zwei Berührungen weitergespielt werden müsse. Dazwischen gibt er sich nahbar, witzelt und lacht mit den Spielern.
Diese zeigen sich angetan von Continis Art. Silvan Widmer etwa meint: «Er ist ein sehr aktiver und kommunikativer Typ, der viele Sprachen spricht.» Tatsächlich wechselt Contini problem- und makellos zwischen Deutsch und Französisch hin und her. Auch Italienisch, Englisch und Spanisch beherrscht der Winterthurer.
«Es ist wichtig, dass die Spieler verstehen, was wir von ihnen wollen und warum wir es wollen», sagt Contini, der im Februar auf Assistenztrainer Vincent Cavin folgte, der den Schweizer Fussballverband nach 13 Jahren verlassen hatte. «Meine Aufgabe ist es, für die nötige Intensität zu sorgen, um das Maximum aus den Spielern herauszuholen.»
Unerwartete Anfrage
Für Contini ist der Job beim Nationalteam die Rückkehr nach längerer Fussball-Abstinenz. Zuletzt war er bei den Grasshoppers engagiert, bei denen unter den chinesischen Investoren jedoch schwierige Bedingungen herrschten. Nach mehreren Wechseln im Klub hatte auch Contini genug, kündigte seinen Vertrag, betreute das Team aber noch bis zum Ende der Saison 2022/23.
Continis Plan war, möglichst bald einen neuen Klub zu finden, wobei er aber auch einige wenig attraktive Angebote aus Marokko und Tunesien ablehnte. Als ihn Yakin bezüglich der freiwerdenden Stelle kontaktierte, zögerte Contini erst noch. «Ich habe die Anfrage nicht erwartet und musste mir erst klar werden, ob ich das wirklich will.» Denn anders als in einem Klub, in dem man als Trainer über Wochen und Monate an einer Spielidee arbeiten kann, gilt es in der Nationalmannschaft, «innert kürzester Zeit etwas Erfolgreiches zu kreieren.»
Schliesslich nahm er die Herausforderung an und unterschrieb einen Vertrag, der wie derjenige von Yakin bis zum Ende der EM-Endrunde datiert ist. Was danach kommt, lässt Contini offen. Wichtig sei vorerst einzig, das Team optimal auf das kommende Turnier vorzubereiten.
Erinnerung an Luzerner Zeiten
Das Duo Yakin/Contini gab es schon einmal. In der Saison 2011/12 führten die beiden den FCL einerseits in den Cupfinal, der verloren ging, und andererseits auf den 2. Platz in der Super League und damit zur zweitbesten Klassierung der Innerschweizer überhaupt. Der Erfolg hatte jedoch ein jähes Ende: Bereits nach sechs Spieltagen in der darauffolgenden Saison wurden Yakin und Contini entlassen.
«Wir waren zwei Jungtrainer, welche die Ausbildung gerade beendet und viele Ideen im Kopf hatten», erinnert sich Contini. Sie hätten «viel Gutes erlebt» und gemeinsam eine Euphorie entfachen können.
Danach ging es für Contini in Vaduz weiter. Unter ihm kamen die Liechtensteiner zu ihrem bisher längsten Gastspiel in der Super League (2014 bis 2017). Es folgte eine kurze Rückkehr nach St. Gallen, wo er als Spieler 2001 den Meistertitel feiern konnte, als Trainer jedoch nach knapp einem Jahr wieder gehen musste. 2020 konnte Contini mit Lausanne-Sport erneut einen Super-League-Aufstieg feiern. «Viel ist passiert in den zwölf Jahren, seit Muri und ich zuletzt zusammengearbeitet haben», so Contini. «Wir haben uns beide weiterentwickelt.»
Einmaliger Nationalspieler
Es ist nicht das erste Mal, dass Contini mit dem Schweizer Kreuz auf dem Shirt auftritt. Als Spieler bestritt er eine einzige Partie für die Schweiz, die allerdings blamabel endete. Am 28. Februar 2001 verloren die Schweizer ein im zypriotischen Larnaca und ohne Zuschauer ausgetragenes Testspiel gegen Polen 0:4. Contini wurde in der 53. Minute, beim Spielstand von 0:2, durch Murat Yakins Bruder Hakan ersetzt.
Darauf angesprochen verzieht Contini erst das Gesicht, lächelt dann aber doch. «Es war ein Spiel, auf das neben mir, weil es mein erstes war, keiner wirklich Bock hatte», erinnert er sich. Dass es sein einziges bleiben sollte, macht ihm heute nichts aus. «Ich kann mich rückblickend gut einschätzen und weiss, dass das eine Spiel im Nationaldress das höchste der Gefühle war.» Nun bietet sich für Contini die Möglichkeit, sein bis dahin äusserst kurzes Nationalmannschafts-Kapitel mit schöneren Anekdoten zu ergänzen.