Die Österreicherinnen holen im zweiten Super-G in Kvitfjell mit Unterstützung der Wetterfee zum grossen Befreiungsschlag aus. Nina Ortlieb siegt vor Stephanie Venier und Franziska Gritsch.
Jasmine Flurys anfängliches Glück drehte sich ins Pech. Die Abfahrtsweltmeisterin aus Davos verpasste ihren dritten Weltcup-Podestplatz als Sechste knapper, als es den Anschein macht. Sie lag nach den besten Fahrerinnen auf Platz 2, getoppt einzig von Sofia Goggia. Mit der ansonsten im Super-G ungünstigen Startnummer 1 sah es zunächst so aus, als wäre Flury die grosse Nutzniesserin der wechselnden Bedingungen mit einsetzendem Schneefall und schlechter werdender Sicht. Doch es kam anders.
Als Flury während des Rennens zum ersten Mal vor die Mikrofone des Schweizer Fernsehens trat, lag sogar der nächste Überraschungssieg der Bündnerin nach dem Triumph in der WM-Abfahrt in der Luft. «Ich probiere es zu geniessen. Aber es ist schwierig, wenn ich sehe, dass es kein faires Rennen ist», sagte sie als Führende nach 15 Fahrerinnen.
Weil ihr an der letzten Schlüsselstelle ein zeitraubender Fehler unterlaufen war, hatte sich Flury noch während ihrer Fahrt lautstark geärgert. Weil sich die Verhältnisse nach ihr aber zunächst verschlechterten, blieb sie eine ganze Weile an der Spitze, obwohl die Konkurrentinnen im unteren Streckenbereich viel schneller fuhren. Mikaela Shiffrin etwa, seit Samstag zum fünften Mal Gesamtweltcupsiegerin, machte auf den letzten 30 Sekunden eineinhalb Sekunden auf Flury gut, blieb aber hinter der Schweizerin.
Nach 20 Fahrerinnen war Flurys Zeit einzig von Goggia unterboten worden. Doch auch die italienische Abfahrtskönigin, die den ihrer Ansicht nach «kriminellen» und «unfairen» Bedingungen erfolgreich trotzte, musste zusehen, wie sie schliesslich noch auf Platz 4 durchgereicht wurde. Weil der Schneefall aussetzte und die nachfolgenden Fahrerinnen plötzlich noch klarere Sicht hatten als Flury zu Beginn des Rennens.
Ein so rarer wie unverhoffter Dreifachsieg
Wendy Holdener nutzte die Gunst mit Startnummer 21 zu einem guten 8. Platz, die 24-jährige Stephanie Jenal schaffte mit der Nummer 39 als Zehnte ihr bestes Karriere-Ergebnis. Die grössten Profiteurinnen waren aber die Österreicherinnen, die den Rennausgang noch komplett auf den Kopf stellten. Der Reihe nach schoben sich zuerst Franziska Gritsch mit Nummer 26, dann Stephanie Venier mit der 29 und schliesslich Nina Ortlieb mit der 31 an die Spitze. Goggia verpasste das Podest schliesslich um 31 Hundertstel, Flury um eine halbe Sekunde.
Begünstigt vom Wetterumschwung sorgte das Trio für einen so überraschenden wie rar gewordenen österreichischen Dreifachsieg. Es war der erste für das ÖSV-Team der Frauen im Super-G seit 2005 und der erste seit Januar 2009 in allen Disziplinen. Dabei waren die Österreicherinnen bis zum Sieg von Cornelia Hütter im ersten der beiden Super-G in Kvitfjell am Freitag im ganzen Saisonverlauf ohne Sieg geblieben und bisweilen komplett von der Rolle gewesen. Die 26-jährige Ortlieb, vor drei Wochen WM-Zweite in der Abfahrt hinter Flury, siegte zum zweiten Mal im Weltcup.
Zu den am stärksten benachteiligten Fahrerinnen gehörte Joana Hählen, die bei Schneefall mit Startnummer 4 nach einem achtminütigen Unterbruch auf verlorenem Posten stand. «Ich habe mich gefühlt wie der grösste Schneepflug», schilderte Hählen. Am Ende blieb ihr ohne grösseren Fehler der 25. Schlussrang. Sie war damit nur die sechstbeste Schweizerin, auch noch hinter Delia Durrer (24.).
Weiterhin fünf Kugel-Anwärterinnen
Im Disziplinen-Weltcup ist die Entscheidung vertagt. Das Quintett, das sich einen Kampf um die kleine Kristallkugel liefert, war wie Hählen chancenlos und belegte am Ende die Plätze 12 (Elena Curtoni, zeitgleich mit Corinne Suter), 14 (Cornelia Hütter), 15 (Ragnhild Mowinckel), 20 (Lara Gut-Behrami) und 21 (Federica Brignone).
Curtoni geht nun mit 19 Punkten Vorsprung auf Gut-Behrami ins Weltcup-Finale in Soldeu. Gut-Behrami hat damit die Gewissheit, dass sie sich am 16. März mit einem Sieg aus eigener Kraft zum vierten Mal nach 2014, 2016 und 2021 die Super-G-Kugel holen kann. Aber aufgepasst: Hütter, Mowinckel und Brignone liegen ebenfalls innerhalb von 44 Punkten.