Erkältungszeit Bisher kaum erforscht: Wie gut helfen Hausmittel wirklich?

tafu

5.1.2020

Hilft heisse Milch mit Honig wirklich gegen einen kratzenden Hals? Erforscht wurde das bisher nicht.
Hilft heisse Milch mit Honig wirklich gegen einen kratzenden Hals? Erforscht wurde das bisher nicht.
Bild: Keystone

Salbeitee, Wadenwickel und heisse Milch mit Honig: Jeder kennt irgendein Hausmittel, das etwa bei Erkältung Abhilfe schafft – angeblich. Denn wissenschaftlich erforscht sind Hausmittel meist nicht. Warum eigentlich nicht?

Wenn der Hals kratzt, hilft eine heisse Milch mit Honig. Das hat Oma schon gesagt. Bei einer Erkältung tut eine Tasse heisse Zitrone gut, bei Ohrenschmerzen können Zwiebelsäckchen Abhilfe schaffen. Das Wissen über Hausmittel wird von Generation zu Generation weitergegeben. Und sie werden häufig angewandt – einer Studie von 2007 zufolge in Deutschland von rund der Hälfte der Bevölkerung. Doch helfen Honig, Zwiebel und Zitrone wirklich? Ganz sicher ist das nicht. Denn: Hausmittel und ihre Wirksamkeit sind weitgehend unerforscht.

«Hausmittel wurden eigentlich nie richtig untersucht», sagt Stefanie Joos, Allgemeinmedizinerin und Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Tübingen. Das sei sehr schade, denn «es sind ja Mittel, die teilweise wirklich sehr lange Tradition haben.» Es gebe nur wenige gut gemachte Studien, in denen die Wirksamkeit von Hausmitteln geprüft wurde.

Nicht innovativ genug

Warum ist das so? «Wenn Pharmafirmen Forschung finanzieren, dann sind die nicht an Hausmitteln interessiert. Dafür bräuchte es dann eine öffentliche Forschungsförderung», erklärt Joos. Dazu seien Hausmittel aber nicht innovativ genug. Und: Hausmittel werden oft bei einfacheren, selbstlimitierenden Erkrankungen angewendet. Da sagt der Fördergeber – «naja, so eine Erkältung ist ja jetzt nicht so wichtig.»

Jörg Meerpohl, Leiter des Instituts für Evidenz in der Medizin am Uniklinikum Freiburg in Baden-Württemberg, bestätigt das. Die Industrie habe selten Interesse daran, in Hausmittel-Forschung zu investieren. Die Mittel müssten aus öffentlicher Hand kommen.

Die Förderrichtlinien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Geldgeber für öffentliche Forschung, im Gesundheitsforschungsprogramm sind themenoffen, heisst es. An sich könnten auch Untersuchungen zur Wirksamkeit von Hausmitteln unterstützt werden. Tatsächlich seien aber bisher keine Forschungsanträge mit direktem Bezug dazu eingereicht worden. Auch dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) ist kein Projekt bekannt, bei dem bekannte Hausmittel auf ihre Wirksamkeit untersucht werden, sagt Sprecher Rolf Hömke.

Subjektive Wirkung wichtig

Dass nicht zu Hausmitteln geforscht wird, findet der Kinderarzt Meerpohl schade. «Aus akademisch-wissenschaftlicher Sicht würde ich mir wünschen, dass man Menschen klar sagen kann, ob ein Hausmittel zum Beispiel bei Erkältung wirkt oder nicht.» Aus medizinischer Sicht, denkt er, ist es vielleicht weniger wichtig. Viele Leute wendeten Hausmittel an und fühlten sich damit subjektiv besser. «Ob das Hausmittel dann viel geholfen hat, nur ein bisschen, oder lediglich ein Placebo-Effekt vorliegt, ist vielleicht nicht entscheidend zu wissen.»

Medizinerin Joos bedauert die fehlende Forschung. «Hausmittel werden immer ein bisschen belächelt – undankbarerweise, denn das Zwiebelsäckchen kann in Einzelfällen besser wirken als die Schmerztablette. Um hier verlässliche Empfehlungen zu geben, brauchen wir eigentlich Studien.»

Zwiebelsäckchen sind ein verbreitetes Hausmittel gegen Ohrenschmerzen.
Zwiebelsäckchen sind ein verbreitetes Hausmittel gegen Ohrenschmerzen.
Bild: Keystone

Hausmittel einzusetzen sei aus verschiedenen Gründen sinnvoll, sagt Joos. Neben der tatsächlichen Wirkung sei es gut, dass der Patient selber etwas macht: «Diese Überzeugung, ich kann auch selbst etwas für mich tun, ich muss nicht immer gleich zum Arzt gehen.» Wenn man Hausmittel zu- und vorbereite, zum Beispiel Zwiebelsäckchen gegen Ohrenschmerzen bei Kindern, komme der Aspekt hinzu, dass man jemandem Zuwendung und Zeit schenke. Das sei ein wichtiger Punkt bei einem Hausmittel. Auch Berührungen etwa bei Wadenwickeln zum Fiebersenken lösten «mit Sicherheit» etwas aus.

Ältere Menschen nutzen Hausmittel

Von ihr selbst durchgeführte Studien hätten ergeben, dass vor allem ältere Menschen und auch eher Frauen Hausmittel anwenden. Das liege auch daran, dass das Wissen in den älteren Generationen noch stärker vorhanden sei als in den jüngeren. Hier gehe den Umfragen zufolge das Wissen eher verloren. Die beliebtesten Hausmittel sind der Erhebung zufolge Hühnersuppe, heisse Milch mit Honig, das Inhalieren von etwa Salzwasser oder heisse Zitrone.

Dass noch einmal «neue» Hausmittel entdeckt werden, hält die Ärztin für unwahrscheinlich. «Ich glaube eher, dass durch Globalisierung und Migration Hausmittel aus anderen Kulturen dazukommen.» In anderen Ländern gebe es teilweise ganz andere Hausmittel. So spiele die Kartoffel in den Haus-Apotheken Russlands eine grosse Rolle, ebenso auch der Wodka. Ingwer sei ebenfalls ein Beispiel. Vor 15 Jahren hätte niemand in Deutschland Ingwertee für die Gesundheit getrunken – heute sehe das anders aus.

Auch wenn es nicht viele Studien zu Hausmitteln gibt – ein paar helfen erwiesenermassen. «Nasenspülungen sind relativ gut untersucht, die helfen definitiv», sagt die Medizinerin Joos. Ebenso Wadenwickel zum Fiebersenken und Honig als Schleimlöser und Hustenstiller. «Man muss ganz klar sagen: Hausmittel sind eine symptomorientierte Behandlung. Sie lindern etwa Schmerz oder Husten, tragen aber wahrscheinlich nicht dazu bei, eine Krankheit zu verkürzen.»

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