Blasenentzündung Typische Beschwerden? Nicht immer ist es ein Infekt

Von Runa Reinecke

14.8.2020

Bei einer Blasenentzündung heisst es: den Körper warm halten und viel trinken. 
Bei einer Blasenentzündung heisst es: den Körper warm halten und viel trinken. 
Bild: Getty Images

Es beginnt mit einem Ziehen im Unterleib und ständigem Harndrang. Warum gerade jetzt viele an ihr leiden, sich aber hinter den Beschwerden nicht immer eine Blasenentzündung verbirgt, hat «Bluewin» im Interview mit einer Urologin erfahren.

Ein Wanderausflug oder ein entspannter Tag am See: Es hätte so schön werden können, doch dann kam sie: die Blasenentzündung. Wenn es denn eine ist, denn nicht immer steckt hinter den typischen Beschwerden tatsächlich ein Harnwegsinfekt. Für die Urologin Prof. Dr. Regula Doggweiler vom KontinenzZentrum Hirslanden in Zürich ein bekanntes Phänomen. Im Gespräch schildert sie, wie es dazu kommt, wie sich der Verdacht auf eine Blasenentzündung bestätigen lässt und mit welchen Massnahmen man einem Infekt vorbeugen kann.

Frau Doggweiler, der Sommer hat auch Schattenseiten: Vor allem Frauen werden gerade jetzt von einer Harnwegsinfektion geplagt. Wie kommt es dazu?

Im Sommer schwitzt man mehr, weshalb man weniger Urin produziert. Ist die Urinmenge geringer, führt das eher zu Reizungen, insbesondere wenn man zu Harnwegsinfekten neigt. Aber auch das Chlor im Schwimmbad kann den Bereich um die Harnröhre herum irritieren.

Grundsätzlich sind hier mehrere Begriffe im Umlauf. Da ist mal von einer Blasenentzündung, auch Zystitis, die Rede, mal spricht man von einem Harnwegsinfekt ...

Die Harnwege sind sozusagen die Leitungen, durch die sich der Urin bewegt, also von der Niere durch den Harnleiter in die Blase und von dort aus in die Harnröhre. Meistens ist aber nur die Blase betroffen. Schlimmer ist es, wenn der Infekt über den Harnleiter bis zu den Nieren aufsteigt und sich das dann durch Fieber und Schmerzen bemerkbar macht.

Zur Person: Regula Doggweiler
Bild: zVg

Prof. Dr. med. Regula Doggweiler ist als Neurourologin im KontinenzZentrum Hirslanden Zürich tätig. Dort behandelt sie Blasenfunktionsstörungen, Harnwegsinfekte, viele ihrer Patienten haben neurologische Leiden wie Multiple Sklerose, Parkinson, Rückenmarksverletzungen und manche haben chronische Beckenschmerzen.

Was verursacht eine Blasenentzündung?

Es gibt unterschiedliche Keime, die dafür verantwortlich sein können. Oft sind es gramnegative Bakterien wie E. Coli. Manchmal ist Geschlechtsverkehr der Auslöser und dann spricht man auch von einer ‹Honeymoon Zystitis›. Anfälliger für einen Infekt sind auch Patientinnen und Patienten mit einem geschwächten Immunsystem, Menschen mit Diabetes oder Frauen, die Probleme mit dem Stuhlgang, also Verstopfung oder starken Durchfall haben.

Wenn die Blase nicht vollständig entleert werden kann und dadurch noch Restharn verbleibt, kann auch das eine Blasenentzündung zufolge haben. Oft höre ich Frauen sagen: ‹Wenn ich auf einer kalten Mauer sitze, dann weiss ich, dass ich morgen eine Blasenentzündung habe.› Nur weil verdächtige Symptome auftreten, heisst das noch lange nicht, dass auch wirklich ein Infekt besteht.

Wie kommt es dann zu den Beschwerden?

Gar nicht selten passiert es, dass Frauen nach dem Geschlechtsverkehr oder wenn sie über längere Zeit Kälte ausgesetzt waren, Symptome einer Blasenentzündung verspüren. Letztere können durch lokale Irritation oder eine Verspannung der Beckenmuskulatur ausgelöst werden. Um herauszufinden, ob und in welcher Anzahl Keime, die einen Infekt verursachen, vorhanden sind, wird der Urin im Labor untersucht und zu einer Urinkultur eingesendet.

Gibt es typische Symptome, die auf einen Infekt der Harnwege hindeuten?

Betroffene müssen häufiger als sonst aufs WC gehen und erleben oft ein Brennen und Stechen, besonders am Ende des Wasserlösens können die Schmerzen stark sein. Der Harndrang ist ständig präsent, obwohl nur kleine Mengen Urin ausgeschieden werden. Zum Vergleich: Normalerweise sind es bei einem Toilettengang etwa 3 bis 5 dl, während es bei einer Blasenentzündung oft nur um die 100 bis 150 ml sind.

Was raten Sie, wenn Beschwerden auftreten?

Besonders wichtig ist es, genug Flüssigkeit zu trinken, damit die Keime ausgeschwemmt werden. Alles, was den Harntrakt irritieren könnte, sollte man vermeiden; dazu gehören eiskalte oder kohlensäurehaltige Getränke, Kaffee, scharfes Essen und Alkohol. Unterstützend kann man es mit rezeptfrei erhältlichen Supplementen wie Cranberry-Präparaten oder D-Mannose versuchen. Den Körper möglichst warm halten, ganz besonders dann, wenn man sich während der heissen Sommertage in klimatisierten Räumen aufhält.

Wie wirken Cranberry und D-Mannose?

D-Mannose ist ein Einfachzucker. Er verhindert, dass sich E.-Coli-Bakterien in der Blasenwand einnisten können. In Cranberrys sind Stoffe enthalten, die vergleichbar wirken.

Bei welchen Anzeichen sollte man einen Arzt aufsuchen?

Wenn die Beschwerden stark werden, einen nicht mehr schlafen lassen oder man sich nicht mehr konzentrieren kann. Spätestens, wenn Blut im Urin zu finden ist, sollte man nicht mehr zuwarten und schon gar nicht, wenn Fieber oder Rückenschmerzen hinzukommen. Dann könnten die Nieren involviert sein. Eine urologische Abklärung macht auch Sinn, wenn man mehrmals im Jahr unter einem Infekt der Harnwege leidet.

Manchmal geht nichts an einer Antibiotika-Therapie vorbei …

Hier kommt es unter anderem darauf an, wie viele Bakterien im Urin vorhanden sind. Bei einer geringen Anzahl rate ich, es zunächst bei viel trinken und einer Therapie mit D-Mannose zu belassen. Solange nicht weitere Symptome wie Blut im Urin oder Fieber hinzukommen, ist das vertretbar. Im Allgemeinen ist ein gesunder Körper dazu in der Lage, einen Infekt aus eigenen Kräften zu überwinden. Aber es ist wichtig, die Situation während der folgenden Tage im Auge zu behalten.

Früher wurde schon frühzeitig mit Antibiotika behandelt, heute sind Mediziner damit zurückhaltender ...

Hier hat tatsächlich ein Umdenken stattgefunden, denn Antibiotika zerstören nicht nur die Keime in der Blase, sondern auch die der Darmflora. Heute wissen wir, dass die Darmbakterien für unsere Gesundheit, unter anderem für unser Immunsystem, aber auch für die Gewichtsregulation, ja sogar für unser psychisches Befinden sehr wichtig sind.

Männer sind eher selten von einer Blasenentzündung betroffen, woran liegt das?

Das hat vor allem anatomische Gründe. Bei Frauen ist die Harnröhre kürzer als bei Männern, und die Ausgänge für Urin und Stuhl liegen dichter beieinander, wodurch Bakterien aus dem Darm eher in die Harnröhre gelangen können.

Inwiefern unterscheidet sich der männliche Harnwegsinfekt vom weiblichen?

Die Behandlung ist langwieriger und die Entzündung kann sich bis zur Prostata ausweiten. Auch Männern rate ich, bei den für einen Harnwegsinfekt typischen Beschwerden wie Schmerzen oder Blut im Urin einen Arzt aufzusuchen.

Was kann jeder selbst dafür tun, um einem Infekt der Harnwege vorzubeugen?

Genug trinken, am besten eineinhalb bis zwei Liter Wasser am Tag! Wenn es heiss ist oder man beim Sport schwitzt, sollte man die Trinkmenge, die man zusätzlich verliert, entsprechend ergänzen. Ein gesunder Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährung ist das Beste für unsere Organe, also auch für eine gut funktionierende Blase.

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