20 Jahre Tears Amanda Nikolic: «Wir haben schon über ein Comeback diskutiert»

Von Bruno Bötschi

28.11.2021

Mit ihrer Debütsingle landeten Tears direkt auf Platz eins in der Hitparade. Dennoch gab es kaum Anerkennung für die erste Schweizer Girlband. Amanda Nikolic erinnert sich an viele gute und auch ein paar schlechte Momente zurück.

#Von Bruno Bötschi

28.11.2021

Sie hiessen Tears und waren die erfolgreichste Schweizer Girlband: Tiffany, Evelyn, Amanda und Romina.

Als hierzulande noch niemand so recht wusste, was eine Castingshow überhaupt ist, stürmten die vier Frauen als Gewinnerinnen der Mutter aller Casting-Formate – «Popstars» – die Charts. Die Debütsingle «M.U.S.I.C.», sie erschien genau heute vor 20 Jahren, stieg sogleich von null auf Platz 1 in der Schweizer Hitparade ein.

An diesen Erfolg konnte die Band nicht mehr anknüpfen, 2004 löste sie sich auf. Die vier Frauen sind aber Freundinnen geblieben. Auch deshalb wurde immer wieder mal über ein mögliches Comeback spekuliert.

20 Jahre Tears. Ein wunderbarer Zeitpunkt für einen Rückblick auf eine ziemlich wilde Zeit – mit Amanda Nikolic. Die Tears-Sängerin arbeitet heute in Zürich als Fotografin.

Amanda Nikolic, mit 12 hat man noch Träume. Erinnerst du dich, welche?

Michael Jackson war mein Idol. Er war zudem der Mensch, den ich jeden Morgen nach dem Aufwachen als Ersten gesehen habe. Ich hatte an der Decke meines Kinderzimmers ein Jacko-Poster aufgehängt.

Du wolltest demnach schon als Kind Sängerin werden?

Als Kind konnte ich mir noch nicht vorstellen, wie man mit Musik Geld verdienen kann. Musik war meine Leidenschaft, nicht mehr und nicht weniger. Beruflich wollte ich später Fotografin werden – also meinem Vater nachfolgen.

Am 26. November 2001 ging dein Kindheitstraum in Erfüllung: Mit «M.U.S.I.C.» wurde die erste Single deiner Band Tears veröffentlicht. Wenige Tage später kam es noch besser: Die Single schoss auf Rang eins der Schweizer Hitparade.

Ich weiss noch genau, wann und wo wir es erfahren haben. Wir waren gerade in der Morgenshow von Roman Kilchsperger bei Radio 24 zu Gast, als er uns die Liste mit den neuen Charts-Platzierungen unter die Nase hielt und sagte: «Schaut Girls, ihr seid auf Platz eins.»

Wie fühlte sich dieser Moment an?

Wir waren euphorisch, haben uns umarmt und vor Freude geschrien. Aber ich dachte nicht: Wow, jetzt haben wir es geschafft, jetzt sind wir Stars. Die Situation fühlte sich irgendwie unwirklich an.

Mit «M.U.S.I.C» legte eure Band den bis dahin erfolgreichsten Start in der Schweizer Musikgeschichte hin. Die Single erreichte bereits nach wenigen Tagen mit über 28'000 verkauften Stücken Gold-Status.

Es war eine krasse Zeit, aber auch eine schwierige. Wir wurden von Interview zu Interview geschoben und mussten uns die ganze Zeit rechtfertigen.

Rechtfertigen für was?

Ständig wurden wir gefragt, wieso wir überhaupt hier wären. Wir hätten den Erfolg sowieso nur unserer Plattenfirma zu verdanken. In den Schweizer Medien wurden wir grösstenteils nur belächelt, das vergällte mir etwas die Freude. Fast nie kam jemand zu uns, der sagte: Hey, ich habe euer Album gehört und ich finde es cool. Stattdessen wurden wir ständig kritisiert. Ja, es stimmt, die Songs wurden damals für uns geschrieben. Aber das ist ja nicht grundsätzlich etwas Schlechtes und machen viele andere Sänger*innen auch so.

Ein halbes Jahr vor eurem Einstieg in die Hitparade hatten sich bei der Castingshow «Popstars» des Schweizer Fernsehsenders TV3 über 1250 Frauen und Mädchen beworben. Warum hast du mitgemacht?

Durch Zufall.

Das sagen immer alle.

Stimmt aber. Ich war damals bereits 22 Jahre alt und verdiente mein Geld hauptberuflich als Musicaldarstellerin. Am Tag vor dem «Popstar»-Casting in Zürich sagte eine befreundete Visagistin zur mir: «Amanda, wenn ich dich wäre, würde ich morgen da hingehen.» Und das tat ich dann auch, ganz nach meinem Motto: weniger überlegen, einfach machen.

Welches Lied hast du der Jury vorgesungen?

Ich trug die zweite Strophe des Liedes «Whole Again» von Atomic Kitten vor. Am Tag davor hatte ich diesen Song im Auto rauf- und runtergehört. In der kurzen Zeit hatte ich es jedoch nicht geschafft, mehr Text auswendig zu lernen. Trotzdem kam ich eine Runde weiter. Es gab dann noch eine weitere Casting-Runde, bevor die 30 Final-Kandidatinnen nach Lugano zu einem einwöchigen Workshop eingeladen wurden.

Wie ging es weiter?

Einen Monat nach dem Workshop wurde Tiffany, Evelyn, Romina und mir mitgeteilt, dass wir es geschafft hätten. Ausser unseren Eltern durften wir es jedoch keinem Menschen sagen, dass wir für die Band ausgewählt worden sind. Die Öffentlichkeit sollte erst ein halbes Jahr später bei unserem allerersten Konzert im Kaufleuten in Zürich erfahren, wer die Mitglieder von Tears sind. In der Folge fuhren wir vier Girls nach München. Dort ging es sofort mit der Produktion unseres ersten Albums «En Rouge» los. Zum Glück haben wir vier Frauen uns von Anfang an gut verstanden. Wir waren keine Bitches, sondern hatten vor allem Spass zusammen. Natürlich gab es hin und wieder kleine Auseinandersetzungen, aber das ist nur normal während eines künstlerischen Prozesses.



Anfang der 2000er-Jahre war die Blütezeit der Castingshows. Sängerinnen wurden nach Erfolgschancen ausgewählt und entsprechend getrimmt. War das bei euch auch so?

Ja und nein. In München sollten wir, neben dem täglichen Gesangs- und Tanztraining, gemäss den Vorstellungen der Plattenfirma gestylt werden. Das funktionierte aber nicht immer so reibungslos. Gefielen uns die Kleider nicht, die für uns ausgewählt worden waren, legten Tiffany, Evelyn, Romina und ich das Veto ein.

Habt ihr oft reklamiert?

Sehr oft, ja.

Wirklich wahr, dass ihr anfänglich einen fixen Monatslohn hattet?

Ja, das stimmt. Aber ich werde dir nicht verraten, wie hoch der war (lacht).

Von Privatsphäre habt ihr damals nur träumen können. War das zu heftig oder wie fühlte sich dein Leben damals an?

Es war eine extrem coole Zeit, ausser dass wir in der Schweiz immer wieder belächelt wurden, und es hiess: «Ach, ihr seid ja nur eine Castingband.» Unser Management versuchte deshalb uns noch stärker in Deutschland zu etablieren. Wir waren ständig auf Tournee – unter anderem als Vorband der zur selben Zeit entstandenen deutschen «Popstar»-Band Bro’Sis. Wir spielten im Vorprogramm von den Sugababes und von Jeanette Biedermann und waren mit DJ Bobo auf Europatournee. Es gab auch einmal ein gemeinsames Konzert mit Bro’Sis und den No Angels zusammen.

Gibt es noch andere Begegnungen, die dir in Erinnerung geblieben sind?

Ach, es gab so viele schöne Momente. Unvergesslich bleibt mir unser Auftritt bei der Musikshow «The Dome» im Dezember 2001 in Kiel. Dort traten auch Mariah Carey und Enrique Iglesias auf. Sehr speziell war zudem die Anreise an unser Hallenstadion-Konzert mit Bro’Sis. Weil wir am Vortag ein Konzert in Deutschland gaben, wurden wir extra mit dem Helikopter nach Zürich eingeflogen, sonst hätten wir es nicht pünktlich auf die Bühne geschafft.

Tönt alles ziemlich cool. Mia Aegerter erzählte kürzlich in der «Republik», wie übel sie einst als junge Sängerin behandelt wurde. Wie war das bei euch?

Ich persönlich hatte hin und wieder mal einen kleinen verbalen Zusammenstoss mit unserem Tanztrainer Detlef Soost, weil ich das Gefühl hatte, zwei linke Beine zu besitzen. Einmal ging es so weit, dass Detlef davonlief und schrie: «Dann macht es doch ohne mich.» Keine schöne Situation, aber es blieb alles auf professionellem Niveau.

Mia Aegerter wurde von einem Journalisten einmal gefragt: «Wie viel bist du bereit auszuziehen?» War das bei euch auch ein Thema?

Unser Kleiderstil war teilweise etwas sehr freizügig. Aber das galt halt damals als der neueste Scheiss aus der Modewelt.

Nach etwas mehr als drei Jahren habt ihr Tears aufgelöst. Gab es Streit untereinander oder warum war damals fertig?

Nein, wir hatten keinen Streit, sondern verdienten kein Geld mehr mit der Band. Ende, Aus, Punkt. Zudem fanden wir für unser zweites Album, das wir bereits eingespielt hatten, keine Plattenfirma. Dabei hatten wir mit Richard Walter, der auch Patricia Kaas und Stephan Eicher managte, einen supercoolen Mann an unserer Seite. Wir waren mit ihm sogar in London und haben mit dem Produzenten von Kylie Minogue den Song «I Found Love» aufgenommen. Trotzdem hat es leider nicht mehr funktioniert. Ich erinnere mich noch genau, wie wir zusammen mit Richard Kaffee getrunken und unter Tränen entschieden haben, dass wir die Band auflösen.

Was hast du gedacht, als du vor ein paar Monaten erfahren hast, dass die No Angels zum 20. Geburtstag der Band ein Comeback wagen?

Ich finde es supercool, dass die Girls es nochmals zusammen probieren. Ich verrate nichts Neues, wenn ich sage, dass Tiffany, Evelyn, Romina und ich auch schon über ein mögliches Comeback diskutiert haben.

Demnach habt ihr bis heute Kontakt?

Ja, das haben wir. Aus unserem Comeback ist zwar nichts geworden, aber wir hätten gerne unsere Songs, die damals auf Platte und CD rausgekommen sind, unseren Fans auch digital zugänglich gemacht. Das hat leider aber nicht geklappt.

Wir treffen uns heute in deinem Fotostudio im Zürcher Seefeld – von der Sängerin zur Fotografin. Wie kam das?

Die Fotografie wurde mir, wie eingangs erwähnt, sozusagen in die Wiege gelegt. Mein Vater hat mir schon früh eine Kamera geschenkt.

Wer war der spannendste Mensch, den du bisher ablichten durftest?

Vor ein paar Jahren durfte ich Slash, den Gitarristen der Rockband Guns’n’Roses, im Hotel The Dolder Grand fotografieren. Ich hatte nur fünf Minuten Zeit für das Bild und war total nervös, weil irgendetwas mit meiner Kamera nicht stimmte. Ich habe Blut geschwitzt, weil ich dachte, ich mache alles falsch. Ich habe Slash zuerst im Sitzen fotografiert und ihn danach gebeten, er soll noch kurz aufstehen – dabei hat er sich die Hose am Füdli zerrissen. Mir war das total peinlich, aber er blieb cool und meinte: «Doesn’t matter.»


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