Kolumne am Mittag Sängerin Angèle – auf den Spuren von Kurt Aeschbacher

Von Bruno Bötschi

7.10.2020

Angèle Van Laeken, Sängerin: ««Ich bin vor allem Musikerin, ich möchte nicht über mein Lesbischsein definiert werden.»
Angèle Van Laeken, Sängerin: ««Ich bin vor allem Musikerin, ich möchte nicht über mein Lesbischsein definiert werden.»
Bild: Keystone

Sängerin Angèle teilte kürzlich mit, dass sie Frauen liebt. Nun fürchtet sie, ständig auf ihre sexuelle Orientierung angesprochen zu werden – eine Erfahrung, die vor 23 Jahren auch Fernsehmoderator Kurt Aeschbacher machen musste.

Die 24-jährige belgische Sängerin Angèle Van Laeken, die zeitweise in Paris lebt, setzte mit ihrem Coming-out im August ein starkes Zeichen. Angst vor Prügel, verbale Attacken sowie Hassschreiben gehören für Schwule und Lesben nach wie vor zum Alltag – nicht nur in Frankreich und Belgien, auch in der Schweiz.

So bezeichnen nach wie vor über zehn Prozent aller Erwachsenen hierzulande Homosexualität als unmoralisch, wie Dirk Baier vom Institut für Delinquenz und Kriminalprävention an der ZHAW in seiner repräsentativen, schriftlich erfolgten Befragung vom letzten Jahr nachgewiesen hat.

In Frankreich kamen 2019 laut dem Verband SOS homophobie 237 Gewalttaten gegen Homosexuelle zur Anzeige. Anzunehmen ist, dass die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher ist.

Immer noch ein Aufregerthema

Homosexualität ist in den letzten Jahren in unserer Gesellschaft präsenter geworden: Deshalb müsste das Coming-out heute einfacher sein als früher, könnte man meinen. Aber für viele ist es das nicht. Fakt ist: Lesbische oder schwule Promis sind bis heute ein Aufregerthema in den Medien geblieben.

Umso verständlicher, dass Angèle sich bisher zurückgehalten hat und nach ihrem Coming-out sogleich klarstellte: «Ich bin vor allem Musikerin, ich möchte nicht über mein Lesbischsein definiert werden.» Sie habe deshalb nicht vor, künftig als Stimme für homosexuelle Frauen zu gelten.

Der ehemalige Fernsehmoderator Kurt Aeschbacher kann davon ein Lied singen: Er war in Sachen Offenheit hierzulande ein Pionier, als er sich 1997 bei einer Restaurant-Eröffnung in Zürich zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zusammen mit seinem Freund zeigte. Tage später sagte er im «Blick»: «Ich bin schwul.» Seit seinem 20. Lebensjahr wüssten seine Eltern und seine Freunde, dass er homosexuell sei: «Nein. Das war nie eine Last für mich.»



Privat hatte Aebschi offen über seine Homosexualität gesprochen – öffentlich nie. Warum nicht? «Ich hatte keine Lust auf Schlagzeilen, die meine Sexualität betreffen und weil ich nicht auf das Schwulsein reduziert werden wollte.»

«Portrait of Women Who Love Women»

Ein Coming-out kann befreiend sein, denn Versteckspiel und Tarnung entfallen. Beides braucht Energie und bindet Ressourcen. Lesbisch zu sein, bedeutet nicht nur, mit einer Frau Sex zu haben – es gehört viel mehr dazu. Man möchte vielleicht von den Ferien mit der Partnerin erzählen, Arbeitskollegen zum Apéro nach Hause einladen, sich nicht erklären müssen, warum man keinen Mann und keine Kinder hat.

Nun denn, als Angèle am 10. August ein Foto von sich in einem T-Shirt mit der Aufschrift «Portrait of Women Who Love Women» (Porträt von Frauen, die Frauen lieben) auf ihrem Instagram-Account postete, waren ihre Fans von dieser Botschaft wenig überrascht – denn die Lieder der belgischen Sängerin handeln auch von ihrer Liebe zu Frauen.

Es wundert deshalb nicht, dass der Mut der Sängerin von der Mehrheit der Rücken gestärkt wird. Sie, die in der Vergangenheit immer wieder erzählt hat, wie sehr es sie schockiere, dass sie von Paparazzi verfolgt werde – und nicht verstehen könne, warum ihr Privatleben derart wichtig und spannend sein solle.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

Zurück zur Startseite