Jugend in der Pandemie IV«Man hat keine Chance, Kontakte zu knüpfen»
Von Julia Käser
26.2.2021
Corona macht uns allen zu schaffen, aber eine Generation trifft der gesellschaftliche Stillstand besonders: Wie fühlen sich junge Menschen nach einem Jahr in der Pandemie? «blue News» fragt in einer Serie nach – zum Schluss bei Joël.
Nach einem Jahr Pandemie wünscht sich Joël* die Rückkehr zur Normalität – zu welcher auch immer. Die vielen Stunden vor dem PC-Bildschirm und der fehlende Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen fallen dem 21-Jährigen schwerer als auch schon. «Eigentlich gingen die letzten Monate schnell vorüber, alles war neu. Mittlerweile bin ich aber schon etwas coronamüde.»
Serie Jugend in der Pandemie
In einer Serie anlässlich zu einem Jahr Corona-Pandemie beleuchtet «blue News» das Wohlbefinden, die Sorgen und Ängste – aber auch die Hoffnung junger Menschen während der Corona-Pandemie. Nach Elena, Samuel und Lena folgt nun Joël.
Sein Biologiestudium absolviert der Zürcher von zu Hause aus. Statt in Vorlesungen zu sitzen, hört er sich Podcasts an. Das brauche zwar viel Disziplin, habe aber auch seine Vorteile – etwa die Flexibilität bei der Zeitplanung. Joël schätzt es, dass man so selbstbestimmt eine Pause machen kann. Kurz rausgehen an die frische Luft, das sei sowieso wahnsinnig wichtig.
Auch die Prüfungen wurden online durchgeführt. Es sei schwierig, die Prüfungen auf diese Weise wirklich fair zu gestalten, so der Student: «Entweder waren sie viel zu einfach oder dann so dicht und lang, dass die Zeit fehlte.»
Corona-Auszeit in der Romandie
Gerade für Erstsemestrige sei die Situation belastend, sagt Joël. «So mit der Uni zu starten, wünsche ich niemandem. Man hat keine Chance, Kontakte zu knüpfen – dabei wäre das so entscheidend.»
Auch er selbst tut sich mit dem Online-Unterricht mittlerweile schwer, die Luft sei draussen. Für das nächste halbe Jahr hat der Zürcher deshalb ein Urlaubssemester beantragt. Sein Plan für diese Zeit? Irgendwo in der Romandie sein Französisch aufpolieren.
Joël sagt, er habe das Glück, dass er noch zu Hause wohnen könne. Deshalb sei seine finanzielle Situation in Ordnung. Er kennt aber auch Leute, die ihren Nebenjob verloren hätten aufgrund der Krise. Für Studierende in Nöten hat die Universität Zürich Geld zur Verfügung gestellt, weiss Joël.
«Es geht darum, sich solidarisch zu zeigen»
Joël ist so gut wie nie krank, vor dem Coronavirus hat er sich deshalb nicht gross gefürchtet. Dennoch sei es für ihn glasklar gewesen, dass er sich strikt an alle Massnahmen halte: «Es geht darum, sich solidarisch zu zeigen.»
Die soziale Isolation hat ihm weniger zu schaffen gemacht als einigen seiner Bekannten, die ziemlich verzweifelt gewesen seien, erzählt Joël. Als eher introvertierte Person brauche er nicht ständig andere Menschen um sich herum. Die gemütlichen Abende mit den Freundinnen und Freunden haben dem Studenten mit der Zeit dennoch gefehlt.
Die Hoffnung auf das Gute nach der Pandemie
Als verlorenes Jahr will Joël die vergangen zwölf Monate nicht bezeichnen, auch wenn er sich alles natürlich anders vorgestellt hatte. Zu gross aber ist die Hoffnung, dass die Pandemie auch etwas Gutes hinterlässt; uns die Augen öffnet.
Er hoffe, dass das Bewusstsein dafür, dass die Menschheit nicht einfach uneingeschränkt sämtliche Ressourcen ihres Planeten gebrauchen kann, gewachsen sei. «Eine wenige Nanometer grosse Struktur hat alles komplett lahmgelegt. Ich hoffe, das hat uns gezeigt, dass wir nicht die absoluten Herrscher auf der Welt sind», sagt der Biologie-Student.
Gar nicht so schlecht findet er auch diverse Hygienemassnahmen, die sich etabliert haben – etwas das regelmässige Händewaschen und das Husten in die Armbeuge: «Das können wir gern so beibehalten, schliesslich schadet das niemandem – im Gegenteil.»
Und persönlich hat Joël etwas mitnehmen können aus dem vergangenen Jahr: «Ich konnte wieder mehr Zeit und Energie in mich selbst investieren. Vorher war ich mit den Gedanken sehr oft bei meinem Umfeld.» Plötzlich sei Zeit da gewesen, sich besser kennenzulernen und neue Hobbys zu entdecken. «Das ist sicherlich ein positiver Aspekt der Krise.»