«Wahnsinnig fett»Alaska krönt bei der «Fat Bear»-Wahl den dicksten Braunbären
Von Barbara Munker, dpa
5.10.2022 - 00:00
Bei der «Fat Bear»-Wahl kommt es auf die Rundungen an – aber es ist alles andere als ein Schönheitswettbewerb. Der kuriose Wettstreit der fettesten Braunbären in Alaska hat auch einen ernsten Hintergrund.
Von Barbara Munker, dpa
05.10.2022, 00:00
05.10.2022, 10:48
dpa/twei
Wird die üppige Holly in diesem Jahr zum stattlichsten Pelztier gekrönt? Geht der «Fat Bear»-Titel an den massigen Braunbären Nummer 747 mit dem vielsagenden Spitznamen «Jumbo Jet»? Oder kann Otis seinen 1. Platz vom Vorjahr als «Patriarch Dickwanst» wieder einnehmen? Im Herbst 2021 hatte der über 20 Jahre alte Braunbär die beleibte Konkurrenz im Katmai-Nationalpark im nördlichsten US-Bundesstaat Alaska ausgestochen.
Auch jetzt geht Otis neben elf weiteren Kandidaten ins Rennen. Zum achten Mal veranstaltet der Park im Südwesten von Alaska die «Fat Bear Week». Online können Besucher und Bären-Fans eine Woche lang für die dicksten Prachtexemplare stimmen. Der Gewinner wird am «Fat Bear»-Dienstag (11. Oktober) gekürt.
Nach einem kalorienreichen Sommer mit fetten Lachs-Mahlzeiten am Brooks River zeigen sich die Kandidaten und Kandidatinnen – sechs Weibchen sind im Rennen – von ihrer üppigsten Seite. «Ihnen geht es nur um eine Sache, so viel Lachse wie möglich fressen, um den Winter zu überleben», erzählt Park-Rangerin Felicia Jimenez der Deutschen Presse-Agentur. Dann rechnet sie vor: Die dicksten Bären können bis zu 40 Lachse am Tag verspeisen. Bei 2500 bis 6000 Kalorien je nach Lachsgrösse macht das über 100'000 Kalorien am Tag.
Nicht nur Äusserlichkeiten zählen
Die Spitznamen verraten es: Nr. 747 («Jumbo Jet») zählt mit einer geschätzten Leibesfülle von über 600 Kilogramm zu den schwersten Kandidaten. «Chunk» (zu Deutsch «Klotz») mit einer auffälligen Narbe auf der Schnauze packe das meiste Gewicht auf sein Gesäss, heisst es in seiner Beschreibung. Weibchen, wie Holly oder Grazer, wiegen weniger, denn einen grossen Teil ihrer Energie stecken sie in die Aufzucht der Jungen.
Bei der «Fat Bear»-Wahl gibt nicht nur das geschätzte Gewicht den Ausschlag – auch andere Faktoren wiegen schwer. Wie geschickt fangen die Bären in den Stromschnellen Lachse, wie gut verteidigen sie ihren Standort, wer sticht durch Aussehen oder Verhalten besonders hervor? Es ist mehr ein Beliebtheits-Wettbewerb, bei dem im vorigen Jahr über 800'000 Menschen ihre Stimme abgaben.
Ein weltweites Publikum schaut den Bären via Webcam beim Fressen zu. Ranger stellen dazu Vorher-Nachher-Fotos der Kandidaten ins Netz. Im Frühjahr, nach der Winterruhe, sind die Bären abgemagert, bis zum Herbst specken sie deutlich an. «Auch ihr Fell wird dichter und dunkler, sie werden rundlicher und viel hübscher», meint die Rangerin.
Auf der Online-Plattform «Explore.org» werden ab diesem Mittwoch (5. Oktober) täglich Bären zur Abstimmung präsentiert. Nach sechs Runden stehen sich im Final dann nur noch zwei der ursprünglich zwölf Mitstreiter gegenüber.
Wettstreit soll Bevölkerung über Ökosystem informieren
Neben Veteranen wie Otis, der seit 2016 schon drei Mal den Titel holte, gibt es auch Neulinge, darunter die jüngste Kandidatin Nr. 909. Das knapp zweijährige Jungtier habe früh gelernt, eigene Fische zu fangen, statt auf die Beute der Mutter zu warten.
Das Vorher-Foto von Juni zeigt einen mageren Vierbeiner mit struppigem Pelz, das Nachher-Foto von September eine füllige Bärin. Erstmals mischt auch Nr. 335, eine Tochter von Bärin Holly (Nr. 435), mit. Sie habe sich vorwiegend von Fischresten ernährt und müsse noch lernen, ihren Platz in der Bärenwelt zu finden, halten die Ranger dem Teenager zugute.
Mit dem «Fat Bear»-Wettstreit wollen die Ranger über das Ökosystem und den Lebensraum der mehr als 2'000 Braunbären in der Region informieren und auf Gefahren für die Tiere aufmerksam machen. Das Gebiet hat die grössten Lachsvorkommen der Welt, ein kalorienreiches Buffet für die Bären. Mit diesen Fettreserven können sie dann die monatelange Winterruhe ohne zu fressen überstehen.
Ranger fürchten Konsequenzen des Klimawandels
«Glücklicherweise hatten wir in diesem Jahr eine sehr starke Lachswanderung», sagt Rangerin Jimenez. Kaltes, sauberes Wasser sei eine Bedingung dafür. Es wäre eine Katastrophe, wenn etwa infolge des Klimawandels die Lachsschwärme ausblieben, meint die Rangerin.
Von dem Wettbewerb bekommen die Bären am Brooks River natürlich nichts mit. Doch umso mehr legen sich «Fat Bear»-Anhänger mit Kommentaren im Netz für ihre Favoriten ins Zeug. «Ich liebe, liebe, liebe Otis, aber 901 könnte diesmal die Königin sein», schrieb ein Bären-Fan am Montag, gleich nach der Bekanntgabe der diesjährigen Kandidaten. «901 sieht wahnsinnig fett aus», pflichtete ein anderer Nutzer bei.
Rangerin Jimenez wundert sich nicht über die rege Fan-Beteiligung: «Bei allem, was gerade in der Welt passiert, macht es einfach mal Spass, dicken Bären beim Fressen zuzusehen.»