Beweisstück Rosemarie Nitribitt – die kopflose Prostituierte

bb

10.3.2019

Als man sie 1957 erdrosselt in ihrer Wohnung fand, war sie erst 24 Jahre alt und die berühmteste Prostituierte der Bundesrepublik Deutschland. Rosemarie Nitribitts Mörder wurde nie gefunden – und ihre Leiche kopflos bestattet.

Der Grabstein Nummer 1148 im Gräberfeld 95 auf dem Nordfriedhof von Düsseldorf ist sehr schlank. Hier ist Rosemarie Nitribitt beerdigt. Sie wurde vor 62 Jahren ermordet. Noch heute stehen manchmal frische Blumen auf dem Grab.

Zur Beerdigung im Winter 1957 erschienen nur ganz wenige Gäste – unter anderem Nitribitts Halbschwester Irmgard und zwei Kriminalbeamte. Der Pfarrer weigerte sich, den Sarg ans Grab zu begleiten. Es gab keine Trauerrede. Und noch etwas fehlte: der Kopf von Nitribitt. 

Unmoralische Spiegel der Wohlstandsjahre

«Die Nitribitt» ist bis heute ein Name. Der Film «Das Mädchen Rosemarie», verfilmt mit Nadja Tiller in der Hauptrolle, lockte kaum ein Jahr nach dem mysteriösen Mord sage und schreibe acht Millionen Zuschauer in die deutschen Kinos. Nitribitt war der unmoralische Spiegel der Wohlstandsjahre. Ihr Leben und ihr Sterben sind ein Stück deutscher Nachkriegsgeschichte.

«Am 1.11.1957, gegen 16.30 Uhr, wurden in dem Appartementhaus Stiftstrasse 36 in ihrer Zweizimmerwohnung die Prostituierte Rosemarie Nitribitt ermordet gefunden. Der Tod trat durch Erwürgen ein. Vor der Tat habe ein kurzer Kampf stattgefunden», meldete das Polizeipräsidium Frankfurt am Main dem Bundeskriminalamt.

Die Rosemarie-Nitribitt-Story wurde später mehrfach verfilmt. Zu den vielen Spekulationen rund um den Fall trägt bei, dass Prominente aus Wirtschaft und Politik zu den Kunden von Nitribitt gezählt haben sollen.

Video: Youtube

Nitribitt wurde nur 24 Jahre alt. Sie selbst hatte sich als «Mannequin» bezeichnet, die Boulvardmedien nannte sie nur «Edelprostituierte». Wer sie 1957 tötete, konnte nie ermittelt werden. Nie gab es eine Verurteilung. Es wurde nicht einmal festgestellt, wann genau der unbekannte Mörder ihre Kehle zudrückte.

Schädel abgetrennt und sorgsam präpariert

Es ist üblich, dass nach einem Mord Kleider als Beweissstücke aufbewahrt werden. Doch manchmal ist es auch ein Körperteil – so wie im Fall Nitritbitt. «Kurz nach dem Leichenfund trennten Ermittler der Frankfurter Gerichtsmedizin ihren Schädel ab», berichtet das Magazin «Crime» in seiner aktuellen Ausgabe – «und präparierten ihn sorgsam. Wegen der schweren Frakturen und ungeklärten Blutspuren erklärte die Staatsanwald ihn zum Asservat.»

Woher die Verletzungen am Hinterkopf stammten, ob von einem Sturz im Todeskampf oder einem Schlag mit einem harten Gegenstand, konnten die Forensiker nicht feststellen. Die Ermittlungen seien, so ist es in «Crime» nachzulesen, eine Aneinanderreihung von Pannen und Vertuschungen gewesen.

Viele Fragen blieben unbeantwortet. Wurde der wahre Täter gar geschützt? War es Mord aus Eifersucht? Bis heute blieb der Mord ungesühnt. Insgesamt 70 Prozessordner, 5'000 Seiten stark, sind den Ermittlungsbehörden geblieben. Und lange Zeit auch der Schädel von Rosemarie Nitribitt. 

Kopf landet im Museum

Gemäss «Crime» wurde er lange Zeit Kriminalbeamten in Ausbildung als Anschauungstück zur Verfügung gestellt. An eine Rückgabe dachte niemand, stattdessen landete der Kopf 2002 hinter Milchglas im neu eröffneten Kriminalmuseum des Polizeipräsidiums Frankfurt. Manch ein Besucher fand das pietätlos. 

Angehörige forderten jahrelang vergebens die Herausgabe des Schädels. Irmgrad, die Halbschwester, wollte den Kopf beisetzen, ihr Rente reicht jedoch nicht, um die Kosten zu tragen. Es war schliesslich ein Bordellboss, der der einstigen Edelhure die allerletzte Ehre erwies: Haagen «Hako» Sevecke übenahm die Kosten für die Überführung.

Sevecke fand, die Nitribtitt solle endlich ihren Frieden finden. 2008 wurde schliesslich das Grab nochmals geöffnet, um auch den Kopf aufzunehmen. Ein halbe Jahrhundert nach dem Verbrechen hatte das Kriminalmuseum ihn endlich freigegeben. Die Staatsanwaltschaft hatte zugestimmt. Denn: Dass er noch einmal in einem Prozess als Beweismittel benötigt werde, sei nicht mehr zu erwarten.

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