Digitalisierung Die Schweiz in 3D: Kleinste Details dank Big Data

Von Max Hugelshofer

11.2.2021

Éric Marguets Firma Gravity Swiss stellt im Neuenburger Jura topografische Karten her, die aus Hunderten Millionen Datenpunkten bestehen.
Éric Marguets Firma Gravity Swiss stellt im Neuenburger Jura topografische Karten her, die aus Hunderten Millionen Datenpunkten bestehen.
Bild: Yannick Andrea

Auf den Reliefs, die Éric Marguets in Holzplatten fräst, ist jedes kleinste Detail zu sehen. Die Grundlage liefern selbst entwickelte Algorithmen, die riesige Datenmengen verarbeiten. Die möglichen Einsatzgebiete sind fast unbeschränkt.

Das grosse, neue Holzhaus, wenige Meter von der Grenze zu Frankreich entfernt, ist unübersehbar. In den oberen Stockwerken ist eine Firma untergebracht, die Blockhäuser konstruiert. Im Erdgeschoss aber ist bereits die Zukunft angekommen.

Hier hat sich Éric Marguet mit seiner Firma Gravity Swiss eingemietet. Der Informatiker, Mikrotechnikingenieur und Dozent an einer Hochschule hat seinen gutbezahlten Job gekündigt, um auf Basis von grossen Datenmengen Grosses zu erreichen.

«Wer künftig in der Lage ist, das Potenzial von Big Data am effizientesten auszuschöpfen, der hat gewonnen», ist Marguet überzeugt. In jahrelanger Arbeit entwickelte er einen ausgefeilten Algorithmus.

Eiger, Mönch und Jungfrau, im Hintergrund das Rhonetal.
Eiger, Mönch und Jungfrau, im Hintergrund das Rhonetal.
Bild: Yannick Andrea

Was der genau bewirkt, ist für alle Nichtcomputernerds ein grosses Fragezeichen. Vereinfacht gesagt sorgt er dafür, dass riesige Datenmengen viel effizienter und damit mit weniger Rechenleistung und weniger Zeitaufwand verarbeitet werden können.

Aufwand war zu gross

In der Industrie ist die Bandbreite möglicher Anwendungen riesig. Das reicht von der serienmässigen Produktion von feinstem Schmuck oder Gussformen für Plastik oder auch Schokolade bis hin zu Prothesen, die so genau dem menschlichen Körper nachgebildet sind, dass sie sogar Blutbahnen und Nerven nachbilden und somit gleich funktionieren wie die Körperteile, die sie ersetzen sollen.

Doch das ist noch Zukunftsmusik. Was Éric Marguet fehlte, war eine Möglichkeit, potenzielle Kunden von den Möglichkeiten seiner Technologie zu überzeugen.

Also besorgte er sich einen Datenspeicher gefüllt mit Geodaten von Swisstopo und eine gebrauchte CNC-Fräse und schaltete einen leistungsfähigen Computer mit seinem Algorithmus dazwischen.

Bevor die CNC-Maschine gestartet wird, muss alles gut fixiert werden.
Bevor die CNC-Maschine gestartet wird, muss alles gut fixiert werden.
Bild: Yannick Andrea

Mehrere Tage lang war die Maschine ununterbrochen am Arbeiten, dann war es fertig: ein Relief der ganzen Schweiz, absolut detailgetreu und in einer hundertfach besseren Auflösung als alles, was bisher je aus einem 3D-Drucker oder einer CNC-Maschine kam.

Das Relief zeigte Marguet seinen Freunden und Bekannten und zu seiner Überraschung waren das Echo und die Begeisterung gross. Allerdings war der Aufwand noch zu gross. «Ein Relief hätte über 10'000 Franken gekostet», sagt er. Er programmierte weiter, verbesserte die Protokolle, und der Preis sank auf rund 1000 Franken. Es kamen Aufträge herein, ohne dass Éric Werbung machen musste. Und es blieb nicht bei der Schweiz.

Vom Grand Canyon bis zum Mont-Blanc

Es folgten Reliefs vom Grand Canyon, von japanischen Inseln oder von der Umgebung des Mont-Blanc. Éric Marguet erkannte, dass die Reliefs eine Möglichkeit sind, seine Forschung zu finanzieren und so weit voranzutreiben, bis er erste Aufträge aus der Industrie übernehmen kann.

Ein bisschen Handarbeit bleibt.
Ein bisschen Handarbeit bleibt.
Bild: Yannick Andrea

Er, der für seine Vision nicht nur den Job aufgegeben, sondern auch Haus und Auto verkauft hatte, schaffte sich mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe zehn einfache CNC-Fräsen an. Die produzieren nun rund um die Uhr diverse Reliefs. Die Qualität ist dabei übrigens immer noch so gross, dass auf einem Relief des Kantons Neuenburg jedes einzelne frei stehende Haus erkennbar ist.

Auch das Holzhaus, in dem das Relief entstanden ist.


Diese Reportage erschien zuerst auf der Internetseite der «Schweizer Berghilfe». Um in die Serienproduktion von Reliefs einsteigen zu können, fehlten Éric Marguet die entsprechenden Maschinen. Mit Unterstützung der Berghilfe konnte er sich 10 CNC-Fräsen und eine Uhrmacher-Maschine anschaffen.


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