Ein DankeschönHerbert Grönemeyer, niemand hat mir so geholfen wie Sie
Bruno Bötschi
15.3.2019
An diesem Wochenende tritt Herbert Grönemeyer in Zürich auf. Ein guter Moment, um «Danke» zu sagen, findet «Bluewin»-Redaktor Bruno Bötschi. Der deutsche Sänger hat ihn zurück ins Leben gebracht.
Ich kann nicht mehr sehen Trau nicht mehr meinen Augen Kann kaum noch glauben Gefühle haben sich gedreht Ich bin viel zu träge Um aufzugeben
Lieber Herbert Grönemeyer
«Danke» – das wollte ich Ihnen endlich einmal sagen.
«Merci» – wenigstens es birebitzli. Gestern gaben Sie dem «ZüriTipp» ein Interview, weil sie an diesem Wochenende im Hallenstadion auftreten. Sie sagten unter anderem, dass birebitzeli Ihr schweizerdeutsches Lieblingswort sei.
Momoll, ich mag das Wort «birebitzli» auch sehr. Aber noch viel mehr mag ich Ihren Song «Der Weg». Denn das Lied hat mir das Leben gerettet.
Ja, wirklich. Sie haben mir mit Ihrer Musik das Leben gerettet. Ich fühlte mich vom ersten Ton an wie elektrisiert, als ich «Der Weg» zum ersten Mal im Radio hörte. Als wüsste da einer ganz genau, damals im Sommer 2002, wie es mir geht und was ich gerade fühle.
Du hast jeden Raum Mit Sonne geflutet Hast jeden Verdruss Ins Gegenteil verkehrt Nordisch nobel Deine sanftmütige Güte Dein unbändiger Stolz Das Leben ist nicht fair.
Grundsätzlich finde ich nämlich, das Leben ist ziemlich fair – also meistens, aber vor 17 Jahren, da war es das ganz und gar nicht.
Ich fühlte mich damals, wenige Wochen nach dem Tod meines Freundes, kraftlos, träge – desillusioniert. Mein Freund war gestorben, an einer Blutvergiftung.
Ich weiss, Sie haben auch den den viel zu frühen Tod Ihrer Liebsten erlebt. 1998 starb Ihre Frau Anna, an Brustkrebs. Sie nahmen das zum Anlass, den Song «Der Weg» zu komponieren. Und der Kontext ist wohl der Grund, warum es ein so intensives, ein so gefühlvolles Lied ist.
Es wär' auch zu früh Weil immer was geht Wir waren verschworen Wären füreinander gestorben Haben den Regen gebogen, Uns vertrauen geliehen
Wenn man so eine Katastrophe erlebt, wenn die Partnerin, der Partner plötzlich für immer geht, ist man zerstört, man wird ängstlich. Ich hatte zum Glück wunderbare Freundinnen und Freunde, die mich getragen haben – egal, wie lange ich in der Ecke hockte und weinte.
Und irgendwann kam dann Ihr Lied – und hat mich geflutet. Mit so viel Sonne. Sie drang in mein Gemüt. Ach, das tönt jetzt kitschig, ich weiss, aber so ist es gewesen.
Zuerst waren noch mehr Tränen geflossen, doch irgendwann spürte ich eine Kraft – Ihre Musik gab mir einen Schupf (auch so ein schönes schweizerdeutsches Wort). Ich habe «Der Weg» immer und immer wieder gehört. Dutzendmal. Hundertmal. Tausendmal. Unendlich oft.
Neue Zeitreise Offene Welt Habe dich sicher In meiner Seele Ich trage dich bei mir Bis der Vorhang fällt Ich trag' dich bei mir Bis der Vorhang fällt
Nach sieben, acht Monaten unternahm ich meine ersten Gehversuche ins Leben zurück. Ich weiss noch, wie ich versuchte, während einer Autofahrt ein Lächeln zu üben. Es zurückzuerlangen. Ein kleiner Schritt, aber ein wichtiger würde das sein. Das wusste ich damals genau.
Irgendwann kam die Energie zurück. Aber es hatte viel, sehr viel Zeit gebraucht. Sie, lieber Herr Grönemeyer, haben das in einem «Stern»-Interview so wunderbar erklärt:
‹Wenn man wieder nach dem Leben greift, macht man sich deswegen Vorwürfe. Trauer ist ein sicherer Raum, in dem man sich einschliessen und zu Hause fühlen kann. Da hat man seine eigene Welt. Es ist aber egoistisch und unfair, die Tür nicht mehr aufzumachen und sich in seiner Trauer zu vergraben.›
Ja, irgendwann habe ich die Türe wieder aufgemacht – ging mit Freunden essen, ins Kino, an Konzerte, ging tanzen, die ganze Nacht. Ich hatte wieder einen Plan vom Glück.
Und irgendwann, nach ein paar Jahren habe ich mich auch wieder verliebt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Noch einmal: Heute, am Todestage meines Freundes, ist einfach Zeit, um «Danke» zu sagen. «Danke», Herbert Grönemeyer.
Ich gehe nicht weg Hab' meine Frist verlängert Neue Zeitreise Offene Welt Habe dich sicher In meiner Seele Ich trage dich bei mir Bis der Vorhang fällt
Die kursiven Textstellen sind Zeilen aus dem Lied «Der Weg» von Herbert Grönemeyer.
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