Tierschutz vs. -quälerei Ist ein Zoobesuch überhaupt noch vertretbar?

Von Michelle de Oliveira

28.6.2023

Oryxantilopen im Lissabonner Zoo: Artenschutz oder Tierquälerei?
Oryxantilopen im Lissabonner Zoo: Artenschutz oder Tierquälerei?
Bild: imago images/CSP_Bartolomeo

Die Kolumnistin besuchte mit ihren Kindern den Zoo. So sehr – oder gerade weil – sie die Tiere liebt, war ihr aber nicht ganz wohl dabei. Trotzdem wird sie auch in Zukunft kaum auf Tierpark-Besuche verzichten.

Von Michelle de Oliveira

28.6.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • blue News Kolumnistin Michelle de Oliveira besucht mit ihren Kindern den Zoo in Lissabon.
  • Während des Besuchs fragt sie sich: Leiden Tiere im Zoo? Oder dienen solche Einrichtungen dem Artenschutz?
  • Obwohl Michelle de Oliveira beim Besuch des Tiergartens nicht mehr ganz wohl ist, wird sie wieder hingehen – allein schon wegen der Kinder.

Die Delfine klatschen mit ihren Flossen, das Wasser des kleinen Beckens spritzt bis zu mir, und mein Gesicht ist nass. Aber nicht nur wegen der Wasserspritzer, sondern auch wegen der Tränen.

Ich heule hinter meiner Sonnenbrille.

Die Kinder hatten sich einen Zoobesuch gewünscht, und grundsätzlich mag ich diese Ausflüge. Die Tiere, die man sonst nicht zu Gesicht bekommt, faszinieren mich, verblüffen mich und erinnern mich wieder daran, dass der Mensch schlicht nicht die Krone der Schöpfung ist.

Zur Autorin: Michelle de Oliveira
Bild: zVg

Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogalehrerin, Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren, aber auch aus ihrem ganz realen Leben mit all seinen Freuden und Herausforderungen. Sie lebt sie mit ihrer Familie in Portugal.

Und führen mir vor Augen, welches Verbrechen wir begehen, wenn wir Tiere durch unser egoistisches Verhalten aussterben lassen.

Mir ist im Zoo nicht mehr wohl

Und doch ist mir im Zoo einfach nicht mehr wohl. Vor allem jetzt, wo ich diese Delfine vor mir sehe, wie sie sich synchron in der Luft um die eigene Achse drehen, während sie scheinbar dauernd lächeln.

In der Schweiz sind Delfinarien längst abgeschafft und mir war nicht bewusst, dass es im Lissabonner Zoo, den wir an diesem Tag besuchen, noch Delfine gibt.

Natürlich waren die Kinder hell begeistert und wollten die Delfin-Show sehen. Und ich irgendwie auch: Ich finde Delfine unfassbar faszinierend, und als ich letzten Sommer eine Delfin-Schule bei uns an der Küste vorbeischwimmen sah, war ich tief bewegt. Die Tiere lösen etwas in mir aus.

Später recherchiere ich, weil ich herausfinden will, ob Zoo-Besuche ethisch überhaupt noch vertretbar sind. Spoiler: Ich habe keine klare Antwort gefunden.

Die Meinungen gehen diametral auseinander: Auf der einen Seite stehen die Tierschützer*innen, die das Halten der Wildtiere als Tierquälerei, das Konzept des Tiere-zur-Schau-stellen als längst überholt und schlicht für nicht vertretbar halten.

Auf der anderen Seite finde ich Befürworter*innen, die die Existenz von Zoos vor allem mit dem Argument des Artenschutzes rechtfertigen. Dass zahlreiche Tiere in der freien Wildbahn bereits ausgestorben seien und nur dank des Eingreifens des Menschen überlebt hätten.

Gefangenschaft versus Artenschutz

Einsperren oder aussterben, quasi. Hier wiederum argumentieren die Tierschützer*innen, einzelne gerettete Arten seien keine Rechtfertigung für das Leid von Millionen von Tieren in Gefangenschaft – von denen notabene die meisten gar nicht vom Aussterben bedroht seien.

Es gehe aber auch um einen Bildungsauftrag, lese ich immer wieder. Sehe man die Tiere wahrhaftig vor sich, seien sie einem auch im übertragenen Sinn näher – und die Menschen seien eher bereit, etwa Geld zu spenden für den Artenschutz.

Ausserdem liessen sich die Tiere in Gefangenschaft besser erforschen als in der freien Wildbahn. Tierschützer*innen argumentieren, das Verhalten der Tiere im Zoo gleiche in keiner Weise dem natürlichen Verhalten – daher sei auch das Argument der Wissensvermittlung an Kinder nichtig. Und so geht es während meiner Suche im Internet immer weiter.

Während in der Schweiz Delfinarien seit mehreren Jahren verboten sind, hält der Lissabonner Zoo (Bild) bis heute Delphine.
Während in der Schweiz Delfinarien seit mehreren Jahren verboten sind, hält der Lissabonner Zoo (Bild) bis heute Delphine.
Bild: imago images/CSP_Bartolomeo

An diesem Tag im Zoo sitze ich also in der etwas in die Jahre gekommenen Arena, beobachte diese grenzenlos eleganten Tiere, während Meeresrauschen aus scheppernden Lautsprechern dröhnt. Es macht mich glücklich, die Delfine zu sehen und endlos traurig, dass sie nicht frei leben können. Und es macht mich wütend, wie scheinbar unreflektiert der Grossteil des Publikums ist.

Die meisten der Besuchenden warten nicht einmal den letzten Sprung der Delfine durch den Reifen ab, ehe sie zum Ausgang drängen, schon wieder auf der Suche nach der nächsten Sensation, die der Zoo zu bieten hat.

Ich werde künftig nur noch Zoos ohne Delfinarien besuchen

Eine abschliessende Antwort auf die Zoo-Frage habe ich nicht gefunden. Ich weiss: die Kinder werden sich früher oder später wieder einen Besuch im Zoo wünschen. Und wahrscheinlich werden wir hin und wieder tatsächlich hingehen.

Ich nehme mir aber vor, nur noch Zoos zu besuchen, die wenigstens keine Delfinarien mehr haben. Ausserdem will ich die Problematik von Tieren in Gefangenschaft mit meinen Kindern besprechen und ihnen erklären, warum Zoos nicht nur toll sind.

Und ich werde mit ihnen noch häufiger die Wildtiere in unserer Umgebung – die Vögel, die Insekten, die Echsen und Schlangen – beobachten, weiterhin Güsel am Strand einsammeln und ihnen dabei – ganz ohne eingesperrte Tiere – nahebringen, wie schützenswert unsere Welt ist.