Kolumne Lebenshilfe – liegt mein Schicksal auf der Hand?

Von Michelle de Oliveira

12.2.2022

Mit einer Handanalyse wird nicht die Zukunft vorhergesagt, stattdessen sollen damit Stärken und Schwächen eines Menschen aufgezeigt werden.
Mit einer Handanalyse wird nicht die Zukunft vorhergesagt, stattdessen sollen damit Stärken und Schwächen eines Menschen aufgezeigt werden.
Bild: Michelle de Oliveira

Handlesen war selbst der Kolumnistin etwas suspekt, obschon sie sonst für Esoterisches offen ist. Bis sie von der psychologischen Handanalyse hörte und sich in die Hände schauen liess.

Von Michelle de Oliveira

Die Rolle mit der schwarzen Farbe kitzelt angenehm auf meinen Handinnenflächen. Ich presse sie auf ein weisses Papier. Die Abdrücke erscheinen mir grösser als meine Hände. Und mir fällt auf, wie stark die beiden kleinen Finger von den restlichen abgespreizt sind.

«Oh, eine Feuerhand», sagt Karin Meulman, während sie die Abdrücke und meine mittlerweile wieder sauberen Hände betrachtet.

Mit einer Lupe, wie eine Detektivin auf Spurensuche. «Das Feuer ist das aktive Prinzip, es ist bewegend, es ist inspirierend, es will sich mit anderen verbinden. Die Feuermenschen können zehn Sachen gleichzeitig machen. Aber sie können sich auch verzetteln», erklärt sie mir. Ich fühle mich ertappt.

Zur Autorin: Michelle de Oliveira
Bild: zVg

Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogalehrerin und Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle und Esoterische. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich.

Karin Meulman bietet psychologische Handanalysen an. Das hat nichts mit dem Handlesen auf der Chilbi zu tun, wo viel Interpretation bei den Lesenden liegt.

Bedienungsanleitung fürs Leben

Meulmans Beratung basiert auf der Methode von Richard Unger. Er hat seit den 60er-Jahren beinahe 60'000 Hände analysiert und ein System entwickelt, mit dem nicht nur die Handinnenflächen, sondern auch die Fingerabdrücke gelesen werden können.

Bei dieser Form der Handanalyse geht es nicht darum, die Zukunft vorherzusagen. Vielmehr soll sie eine Persönlichkeitsanalyse sein und Stärken, Schwächen und Potenziale aufzeigen können. Eine Art Bedienungsanleitung für das eigene Leben.

«Deine Schicksalslinie ist sehr lang», sagt meine Handleserin weiter. Sofort sehe ich ein Bild von mir als faltige Frau mit einem Kuchen und 100 Kerzen darauf. Aber das hat nichts damit zu tun. «Die lange Linie bedeutet, dass du mit deinem Beruf schon lange verbunden bist», sagt sie. Ich denke an die zahlreichen Tagebücher auf dem Estrich und meine erste Kurzgeschichte, die ich mit 14 veröffentlicht hatte.

«Und du hast eine unglaublich starke Intuition. Du spürst Dinge und folgst ihnen. Dir würde auch eine Aufgabe liegen, bei der du anderen dabei hilfst, sich selbst weiterzuentwickeln. Coaching wäre eine Möglichkeit.»

Tatsächlich arbeite ich seit einiger Zeit als Textcoach mit Stellensuchenden. Die Arbeit gefällt mir sehr und erfüllt mich. Zufall? Oder eben doch Teil meines Lebensplans?

Keine Angst vor Kritik

Dann erklärt Karin Meulman mir, dass ich einen klaren, analytischen Verstand hätte, das erkenne sie an der langen Kopflinie. Diese kollidiere aber etwas mit der Intuition. «Du bist manchmal unsicher: Willst du etwas analytisch betrachten oder mehr der Intuition folgen. Stimmt’s?» Stimmt.

Und dann sagt sie mir, dass ihr meine abstehenden kleinen Finger auch sofort aufgefallen seien. «Der Kommunikations- und Beziehungsfinger gehört scheinbar nicht ganz dazu. Das könnte bedeuten, dass du stärker auf deine Intuition hören musst, und das, was daraus resultiert, klar kommunizierst. Dass du sagst, was du spürst, ohne Angst vor Zurückweisung und Kritik.»

Hier trifft sie einen Punkt. Ich spüre tatsächlich Dinge, die ich nicht erklären kann. Etwa, wenn ich tief in der Meditation versunken bin. Dann kann ich eine Frage stellen. Ist die Antwort Ja, fühlt es sich an, als würde eine unsichtbare Kraft meine Arme leicht anheben.

Oft sehe ich Bilder von Orten, die mir meist bekannt sind, aber ich komme nicht dahinter, warum sie mir immer wieder erscheinen. Manchmal über Wochen immer wieder dieselben. Ich habe Vorahnungen, die sich häufig bestätigen. Alles Hirngespinste, denke ich dann und behalte diese Dinge lieber für mich. Weil ich mich nicht lächerlich machen will. Der analytische Verstand eben.



Nach der Beratung bin ich nachdenklich. Und überrascht, was alles aus meiner Hand zu lesen ist. Ich frage mich natürlich sofort: Ist das wirklich möglich oder bloss Menschenkenntnis gemischt mit Zufall? Und muss an die Worte denken: «Dein Verstand und deine Intuition sind sich nicht immer einig.»

Hatte die Handleserin also recht?

Übrigens: Die Linien in der Handinnenfläche verändern sich – im Gegensatz zu den Fingerabdrücken, die immer gleich bleiben – ein Leben lang. Eine Handanalyse ist also eine Momentaufnahme. Es könnte demnach sein, dass meine Intuitionslinie stärker wird als die Kopflinie. Oder umgekehrt, je nachdem, worauf ich meinen Fokus lege. In diesem Sinne liegt mein Leben also wirklich in meinen Händen.